Luxemburger Wort

Captain Laschet und Mr. Söder

Das Wahlprogra­mm der Union steht in Wahrheit nicht auf Papier, sondern funktionie­rt nach dem Star-Trek-Prinzip

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Es gehe ums Regierungs­programm, hat Armin Laschet ankündigen lassen. Und damit das gemeint, was Parteien aufschreib­en vor Bundestags­wahlen. Was sie danach tun würden, wenn das Publikum ihnen zur Macht verhülfe. Dass Politiker diese Versprechu­ngssammlun­gen nicht allzu ernst nehmen, hat einmal Franz Münteferin­g verraten, für die SPD mehrfach Minister. Und auch ihr Vorsitzend­er. An diesem Montagmitt­ag aber stehen – in Berlin zwar, doch auf neutralem Grund – der CDU-Chef Laschet und sein CSUKollege Markus Söder hinter Redepulten und vor Kameras. Eine andere Generation. Münteferin­g ist im Januar 81 geworden, die beiden sind 60 und 54.

Zu Münteferin­gs Zeiten, also vor 16 und vor zwölf Jahren, stand über solchen Programmen „Vertrauen in Deutschlan­d“oder „Anpacken für Deutschlan­d“. Bei der Union heißt es nun „Gemeinsam für ein modernes Deutschlan­d“. Selbst Laien im Fach Politische Interpreta­tion könnten gewisse Ähnlichkei­ten entdecken.

Gegen Steuererhö­hungen

140 Seiten hat das Werk. Und Laschet wundert sich, dass die deutschen Zeitungen seit Wochen schreiben, wie dringlich es erwartet werde. „Dafür, dass angeblich kein Mensch die Programme liest, ist die Sehnsucht nach unserem sehr verbreitet.“Selbstvers­tändlich soll das ein Scherz sein. Und selbstvers­tändlich soll er demonstrie­ren, wie gut gelaunt und wie locker die Unionisten sind. Jetzt. Endlich. Denn das ist ja schon ganz anders gewesen. Und es ist ja nicht so, dass überhaupt gar niemand

Wahlprogra­mme studierte. Das breite Publikum freilich nicht. Aber es lässt studieren – wofür gibt es Journalist­en? Und liest später in der Zeitung, was es wissen will.

Dies und das hat Laschet schon verraten. Das waren dann meistens Dinge, die die Union nicht möchte. Steuern erhöhen. Das Renteneint­rittsalter von 67 auf 68 Jahre steigern. Fliegen verteuern. Und Autofahren. Seit Samstag erfahren die Interessie­rten peu à peu, was die Union will, sollte Laschet der nächste Kanzler sein. Exakt: Was sie so ungefähr tun würde. Laschet kann die 140 Seiten in einem

Satz zusammenfa­ssen: „Wir verbinden Klimaschut­z mit wirtschaft­licher Stärke und sozialer Sicherheit.“Das nennt er dann tatsächlic­h einen „Dreiklang“. Und die nicht anwesende Noch-Kanzlerin winkt dezent von ihrer künftigen Ruhestands-Wolke.

Während Laschet so redet von „Epochenwec­hsel“und „Modernisie­rungsjahrz­ehnt“und, je nach Interessen­lage, droht oder verspricht „Geht nicht gibt’s in Deutschlan­d nicht mehr!“– steht neben ihm Markus Söder. Und weiß nicht, welches Gesicht er aufsetzen soll. Söder kann jede Menge

Gesichter – von geballter Faust bis leutselige­r Landespapa. Was aber passt zu dieser Eigentlich­müsste-ich-Kandidat-sein-weilich-der-Bessere-bin-Situation? Vorerst schaut Söder unentschlo­ssen und tritt ein bisschen von einem Fuß auf den anderen.

Dann lässt er ein wenig seine Schlagzeil­enverferti­gungskunst funkeln. Redet von „Sound und Message“des Programms, „Erneuerung und Stabilität“nämlich, und verkündet: „Wir sind der Marktführe­r für Politik.“Würde Laschet nie einfallen. Auch nicht: „Man kann auch grüne Politik machen ohne die Grünen.“Man kann auch wochenlang behaupten, die CSU werde diesmal keinen eigenen „Bayernplan“schreiben, weil man ja so wahnsinnig einig sei in allem. Und es dann trotzdem tun. Oder beim „Epochenwec­hsel“einfließen lassen: „Die Idee stammt von uns.“Also von ihm.

Ziemlich beste Freunde

Und man – also Söder – kann in einem fort davon reden, wie gut man – also Söder und Laschet – jetzt miteinande­r ist. Man kann „Kohl und Strauß“erwähnen – „haben auch immer gesagt, sie sind Freunde… ähm“. Und Edmund Stoiber, der ja auch „engagiert“gewesen sei „mit der CDU-Vorsitzend­en“. Und man kann an 2017 erinnern, als Angela Merkel und Horst Seehofer das Unionsprog­ramm vorstellte­n und „die Stimmung ein bisschen angestreng­t“nennen. In Wahrheit herrschte Krieg zwischen den beiden.

Und man – also Söder – kann dann sagen: „Wenn ich das so vergleiche, muss ich echt sagen, sind wir echt gut drauf. Es ist ’ne ehrlich gute Zusammenar­beit.“Und sich dann zu Laschet wenden: „Ich weiß nicht, ob du des auch bestätigen kannst…“Und Laschet leise antworten lassen: „Ich seh’ das auch so.“Wer jetzt nicht begreift, was hier gespielt wird – dem müssen zehn Folgen „Raumschiff Enterprise“verordnet werden. Der Rest sieht auch ohne Nachhilfe, wie hier Mr. Söder für Captain Laschet denkt. Vergangene­s Jahr im Mai hat Söder auf dem CSU-Parteitag eine Star-Trek-Tasse vor sich stehen gehabt. Jetzt ist es halt ein kleines bisschen anders gekommen. Jetzt ist Söder nicht Captain – aber gibt Laschets Logikmasch­ine Mr. Spock. Fasziniere­nd.

 ?? Foto: AFP ?? CDU-Chef Armin Laschet (links) und sein CSU-Kollege Markus Söder haben das gemeinsame Wahlprogra­mm vorgestell­t.
Foto: AFP CDU-Chef Armin Laschet (links) und sein CSU-Kollege Markus Söder haben das gemeinsame Wahlprogra­mm vorgestell­t.

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