Regierungskrise in Schweden
Premierminister Stefan Löfvén durch Misstrauensvotum im Parlament gestürzt
Der sozialdemokratische schwedische Regierungschef Stefan Löfvén hat gestern ein Misstrauensvotum im Parlament verloren. Mit 181 zu 168 Stimmen setzte sich die bürgerliche Opposition zusammen mit der Linkspartei und den rechtspopulistischen Schwedendemokraten gegen die Abgeordneten von Sozialdemokraten, Grünen, Zentrumspartei und Liberalen durch und wählten die Regierung Löfvén ab. Löfvén, der seit 2014 eine rotgrüne Minderheitsregierung führt, ist der erste schwedische Regierungschef, der ein Misstrauensvotum verloren hat.
„Schweden befindet sich jetzt in einer sehr schwierigen Situation“, erklärte Löfvén kurz nach seiner Niederlage im Parlament. „Wir werden nun schauen, welchen Weg wir gehen werden“, sagte er und unterstrich noch einmal, dass er das Verhalten der Linkspartei, die das Misstrauensvotum gefordert hatte, für „unverantwortlich“halte.
Rücktritt oder Neuwahlen
Der 63-jährige Regierungschef hat nun zwei Alternativen: Er kann eine extra angesetzte Neuwahl ausrufen, die innerhalb von drei Monaten stattfinden muss. Oder er erklärt seinen Rücktritt. In diesem Fall müsste der Parlamentspräsident nach Konsultationen mit allen Parteien einen Kandidaten mit der Bildung einer Regierung beauftragen. Kann Löfvén eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich vereinen, könnte er also auch erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Im September 2022 finden die nächsten regulären Parlamentswahlen in Schweden statt. Eine Extrawahl würde an diesem Datum nichts ändern, Schweden würde also innerhalb von zwölf Monaten zweimal wählen. Löfvén muss nach der Verfassung innerhalb einer Woche entscheiden, welchen Weg er gehen will.
Auslöser für die politische Krise nur ein gutes Jahr vor den regulären Parlamentswahlen war ein Regierungsvorschlag zur freien
Schwedens Premierminister Stefan Löfvén hat zunächst offengelassen, wie es mit ihm und der Regierung weitergeht.
Mietpreisfestsetzung bei Neubauten. Dieses neue Mietgesetz würde Vermietern die Möglichkeit geben, bei Neubauten die Miete frei zu bestimmen. Aus Sicht der ehemals kommunistischen Linkspartei ist dies ein Angriff auf das schwedische Modell. Die Linkspartei, die seit Jahren sozialdemokratische Regierungen unterstützt, ohne Mitglied der Regierung zu sein, fordert mehr Einfluss und will nicht mehr nur noch ein Mehrheitsbeschaffer ohne politischen Einfluss sein. Das Problem für Löfvén ist seine Zusammenarbeit mit den Liberalen und der Zentrumspartei. Diese gehören zwar nicht der Regierungskoalition an, haben sich aber im Januar auf ein gemeinsames Programm zur Tolerierung der Minderheitsregierung verständigt. Ein Punkt in diesem Programm ist die freie Festsetzung des Mietpreises, die vor allem der Zentrumspartei und den Liberalen am Herzen liegt.
Besonders schwierig und unübersichtlich wird die Lage, da die rechtspopulistischen Schwedendemokraten gemeinsame Sache mit der Linkspartei machten. Zusammen mit den Christdemokraten und der konservativen Partei kamen sie auf eine Mehrheit, um das Misstrauensvotum erfolgreich durchzubringen. Wie es nun weitergeht, ist noch völlig unklar. Der noch amtierende Ministerpräsident erklärte, dass er sich einige Tage Zeit nehmen werde, um die beiden Alternativen, Extrawahl oder Rücktritt, abzuwägen.
Eine extra angesetzte Wahl käme nach Einschätzung von politischen Beobachtern für einige Parteien sehr ungelegen. Die Grünen, aber vor allem die Liberalen liegen an oder sogar deutlich unter der in Schweden geltenden VierProzent-Hürde und könnten deshalb den Einzug ins Parlament verpassen. Und die bürgerlichen Parteien dürften große Schwierigkeiten haben, zusammen mit den aus der neonazistischen Bewegung hervorgegangenen Schwedendemokraten eine Regierung zu bilden, die außerdem nur ein Jahr bis zu den nächsten regulären Wahlen im Amt wäre.
Schweden befindet sich jetzt in einer sehr schwierigen Situation. Premierminister Stefan Löfvén
Möglicher Ausweg
Ein weiteres Problem für Löfvén ist die tiefe Abneigung der Zentrumspartei gegenüber der Linkspartei. Solange die Zentrumspartei nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten will, wird Löfvén kaum eine Chance für eine Mehrheitsregierung haben. Eine Möglichkeit wäre allerdings, den Vorschlag für die freie Festsetzung des Mietpreises zurückzuziehen. Linken-Chefin Nooshi Dadgostar streckte bereits kurz nach dem Misstrauensvotum eine Hand Richtung Löfvén aus: „Er kann Regierungschef bleiben, aber ohne marktübliche Mieten“, sagte sie.