Wiesenärger mit der Grasmilbe
Zahlreiche Menschen klagen über juckende Punkte auf der Haut – Insekten haben sich durch hohe Temperaturen vermehrt
Luxemburg. Zahlreiche Menschen, Kinder wie Erwachsene, entdecken dieser Tage kleine rote Pünktchen auf ihrem Körper, die ganz arg jucken. Was aussieht wie Mückenstiche, sind in Wirklichkeit oft Bisse der Grasmilbe. Und sie unterscheiden sich von den üblichen Quaddeln, die Stechmücken beim Blutsaugen auslösen: Milbenbisse sind kleiner, schwellen nicht so stark an. Dafür ist der Juckreiz noch um einiges stärker und hält vor allem länger an.
Ausverkaufte Apotheken
„Das war der Wahnsinn heute Morgen“, bezeugt ein Apotheker aus Ettelbrück gestern im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. Jeder zweite Kunde habe nach einer Salbe gegen Juckreiz gefragt. Fenistil und Systral, beides Salben, die bei Hautirritationen und Mückenstichen helfen, seien bereits ausverkauft. Es würden aber auch antiallergische Pillen helfen. Wichtig sei vor allem, dass man sich nicht kratzt. Vielmehr solle man öfters duschen sowie langärmelige Oberteile und lange Hosen anziehen, um sich die Tierchen vom Leibe zu halten, rät der Apotheker.
Das bestätigt auch Lieke Mevis, Beraterin beim Naturschutzverein Natur & Ëmwelt und erläutert, dass durch die kalten Temperaturen
im Frühjahr die Insekten jetzt erst so richtig aktiv werden. Der fehlende Regen und das damit verbundene trockene Klima bieten ihnen ideale Lebensbedingungen. Bei Regen, verschwinden die Grasmilben wieder im Boden, versichert die Expertin.
Was sind das für Tiere?
Grasmilben sind winzige Spinnentiere. Offiziell heißen sie Herbstmilbe, Herbstgrasmilbe oder Erntemilbe. Was Mensch und Tier derzeit so quält, sind die Larven der Grasmilbe. Sie sind orange oder rot gefärbt und mit bloßem Auge kaum erkennbar – nur 0,2 bis 0,3 Millimeter
groß. Sie schlüpfen aus im Boden abgelegten Eiern und nutzen warme, sonnige Witterung. Die Milben klettern auf Grashalme und lassen sich von dort auf ihren Wirt fallen – idealerweise Vögel und Mäuse, aber auch Hunde und Katzen oder eben Menschen.
Lang anhaltender, starker Juckreiz
Einmal dort angelangt, beißen sie die Haut auf, bevorzugt an Stellen mit wenig Widerstand, also an Knöcheln, Kniekehlen oder in der Leiste, und injizieren ihren Speichel in die Wunde, damit sich Gewebe löst und Zellsaft, beispielsweise Lymphe, austreten kann. Das ist jedoch nicht gefährlich und sie übertragen keine Krankheiten.
Die Milben schaffen viele Bisse in kurzer Zeit, lassen sich aber nach wenigen Stunden herabfallen. Trotzdem können zum Beispiel Arme und Beine schnell mit roten Punkten übersät sein, die durchschnittlich eine Woche lang ordentlich jucken. Dass die Grasmilbenlarven derzeit eine wahre Landplage sind, bestätigt auch der Allgemeinmediziner Dr. Jean-Paul Schwartz auf Nachfrage: „In meinen 30 Jahren als Arzt habe ich sowas noch nicht gesehen.“Durch die Hitze steigt die Körpertemperatur und damit die Produktion von Histamin, was den Juckreiz wiederum verstärkt, erklärt er.
Den Juckreiz lindern
Um den Juckreiz zu lindern, sollte man zunächst klären, ob es sich überhaupt um Grasmilben handelt. Neben Salben oder Pillen kann auch 70-prozentiger Alkohol, der in der Apotheke erhältlich ist, zur Kühlung und Desinfektion der Bissstellen eingesetzt werden.
Den Rasen zu mähen oder generell kurz geschnittene Wiesen tragen übrigens laut Mevis nicht nachhaltig dazu bei, die Grasmilben zu dezimieren. Wer gerade gemäht hat, sollte aber den Grasschnitt nicht im eigenen Garten lagern, sondern entsorgen. Barfuß oder in kurzer Kleidung durch die Wiese laufen, sollte vermieden werden. Nach getaner Gartenarbeit hilft es, sich kurz abzuduschen. Auch gilt, wie bei Mückenstichen, nicht kratzen, um Sekundärinfektion zu vermeiden. Neben kühlenden oder cortisonhaltigen Salben gibt es auch ein Hausmittel, das Abhilfe schaffen kann, nämlich Zitronensaft, den man auf die Bissstellen aufträgt.
In meinen 30 Jahren als Arzt habe ich sowas noch nicht gesehen. Dr. Jean-Paul Schwartz