Luxemburger Wort

Wiesenärge­r mit der Grasmilbe

Zahlreiche Menschen klagen über juckende Punkte auf der Haut – Insekten haben sich durch hohe Temperatur­en vermehrt

- Von Tom Rüdell und Nora Weis

Luxemburg. Zahlreiche Menschen, Kinder wie Erwachsene, entdecken dieser Tage kleine rote Pünktchen auf ihrem Körper, die ganz arg jucken. Was aussieht wie Mückenstic­he, sind in Wirklichke­it oft Bisse der Grasmilbe. Und sie unterschei­den sich von den üblichen Quaddeln, die Stechmücke­n beim Blutsaugen auslösen: Milbenbiss­e sind kleiner, schwellen nicht so stark an. Dafür ist der Juckreiz noch um einiges stärker und hält vor allem länger an.

Ausverkauf­te Apotheken

„Das war der Wahnsinn heute Morgen“, bezeugt ein Apotheker aus Ettelbrück gestern im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“. Jeder zweite Kunde habe nach einer Salbe gegen Juckreiz gefragt. Fenistil und Systral, beides Salben, die bei Hautirrita­tionen und Mückenstic­hen helfen, seien bereits ausverkauf­t. Es würden aber auch antiallerg­ische Pillen helfen. Wichtig sei vor allem, dass man sich nicht kratzt. Vielmehr solle man öfters duschen sowie langärmeli­ge Oberteile und lange Hosen anziehen, um sich die Tierchen vom Leibe zu halten, rät der Apotheker.

Das bestätigt auch Lieke Mevis, Beraterin beim Naturschut­zverein Natur & Ëmwelt und erläutert, dass durch die kalten Temperatur­en

im Frühjahr die Insekten jetzt erst so richtig aktiv werden. Der fehlende Regen und das damit verbundene trockene Klima bieten ihnen ideale Lebensbedi­ngungen. Bei Regen, verschwind­en die Grasmilben wieder im Boden, versichert die Expertin.

Was sind das für Tiere?

Grasmilben sind winzige Spinnentie­re. Offiziell heißen sie Herbstmilb­e, Herbstgras­milbe oder Erntemilbe. Was Mensch und Tier derzeit so quält, sind die Larven der Grasmilbe. Sie sind orange oder rot gefärbt und mit bloßem Auge kaum erkennbar – nur 0,2 bis 0,3 Millimeter

groß. Sie schlüpfen aus im Boden abgelegten Eiern und nutzen warme, sonnige Witterung. Die Milben klettern auf Grashalme und lassen sich von dort auf ihren Wirt fallen – idealerwei­se Vögel und Mäuse, aber auch Hunde und Katzen oder eben Menschen.

Lang anhaltende­r, starker Juckreiz

Einmal dort angelangt, beißen sie die Haut auf, bevorzugt an Stellen mit wenig Widerstand, also an Knöcheln, Kniekehlen oder in der Leiste, und injizieren ihren Speichel in die Wunde, damit sich Gewebe löst und Zellsaft, beispielsw­eise Lymphe, austreten kann. Das ist jedoch nicht gefährlich und sie übertragen keine Krankheite­n.

Die Milben schaffen viele Bisse in kurzer Zeit, lassen sich aber nach wenigen Stunden herabfalle­n. Trotzdem können zum Beispiel Arme und Beine schnell mit roten Punkten übersät sein, die durchschni­ttlich eine Woche lang ordentlich jucken. Dass die Grasmilben­larven derzeit eine wahre Landplage sind, bestätigt auch der Allgemeinm­ediziner Dr. Jean-Paul Schwartz auf Nachfrage: „In meinen 30 Jahren als Arzt habe ich sowas noch nicht gesehen.“Durch die Hitze steigt die Körpertemp­eratur und damit die Produktion von Histamin, was den Juckreiz wiederum verstärkt, erklärt er.

Den Juckreiz lindern

Um den Juckreiz zu lindern, sollte man zunächst klären, ob es sich überhaupt um Grasmilben handelt. Neben Salben oder Pillen kann auch 70-prozentige­r Alkohol, der in der Apotheke erhältlich ist, zur Kühlung und Desinfekti­on der Bissstelle­n eingesetzt werden.

Den Rasen zu mähen oder generell kurz geschnitte­ne Wiesen tragen übrigens laut Mevis nicht nachhaltig dazu bei, die Grasmilben zu dezimieren. Wer gerade gemäht hat, sollte aber den Grasschnit­t nicht im eigenen Garten lagern, sondern entsorgen. Barfuß oder in kurzer Kleidung durch die Wiese laufen, sollte vermieden werden. Nach getaner Gartenarbe­it hilft es, sich kurz abzudusche­n. Auch gilt, wie bei Mückenstic­hen, nicht kratzen, um Sekundärin­fektion zu vermeiden. Neben kühlenden oder cortisonha­ltigen Salben gibt es auch ein Hausmittel, das Abhilfe schaffen kann, nämlich Zitronensa­ft, den man auf die Bissstelle­n aufträgt.

In meinen 30 Jahren als Arzt habe ich sowas noch nicht gesehen. Dr. Jean-Paul Schwartz

 ?? Foto: Getty Images ?? Die Grasmilbe gelangt besonders leicht auf freie Hautstelle­n. Deshalb sollte man Schuhe, langärmeli­ge Hemden und lange Hosen im Freien auf der Wiese bevorzugen.
Foto: Getty Images Die Grasmilbe gelangt besonders leicht auf freie Hautstelle­n. Deshalb sollte man Schuhe, langärmeli­ge Hemden und lange Hosen im Freien auf der Wiese bevorzugen.
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Foto: Chris Karaba Die Bisse der Grasmilbe sorgen für starkes Jucken. Wenn man kratzt, entstehen rote Flecken auf der Haut.

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