Den Fluchthelfern auf den Fersen
Der Sentier des passeurs im Norden Luxemburgs erinnert an einen Akt der Zivilcourage während des Zweiten Weltkriegs
Biwisch/Ulflingen. Das Wetter ist an diesem Junitag fast schon zu gut, einerseits weil die Hitze den Gedenkweg zu einer ziemlich schweißtreibenden Angelegenheit macht, und andererseits weil die Umgebung zu idyllisch wirkt, wenn man den historischen Hintergrund des Sentier des passeurs bedenkt. Bei der geführten Wanderung geht es nämlich darum, die Erinnerung an jene Menschen aufrechtzuerhalten, die es anderen durch ihren Mut ermöglicht haben, im Zweiten Weltkrieg vor der Zwangsrekrutierung durch die deutsche Wehrmacht zu flüchten.
Eindrücke aus erster Hand erhalten die Teilnehmer vor Beginn während einer Filmvorführung im Kino von Ulflingen. Im Film berichten mehrere Zeitzeugen von ihren Erlebnissen. Anschließend geht es dann, coronabedingt in zwei Gruppen von etwa zehn Personen aufgeteilt, mit Wanderführerin Peggy Nesen von Visit Eislek auf jene Route, über die luxemburgische und belgische Helfer junge Männer auf ihrer Flucht vor der Zwangsrekrutierung oder alliierte Soldaten im Zweiten Weltkrieg vom Großherzogtum in das benachbarte Königreich schleusten. Organisiert wird die rund acht Kilometer lange Tour vom Club Haus op der Heed.
In der Nacht über die Grenze
Vom Startpunkt am Ulflinger Bahnhof geht es erst einmal auf einem asphaltierten Feldweg eine Weile ziemlich steil bergauf, dafür wird man, oben angekommen, mit einer tollen Sicht über die Ortschaft an der Nordspitze und ihre Umgebung belohnt. Beim ersten
Am Standort der Scheune in Biwisch (oben) haben sich viele der Flüchtigen getroffen. Ebenfalls in Biwisch befindet sich ein Denkmal für den Fluchthelfer Aloyse Kremer und seine Mutter Anna Kremer-Jans (links). Wo heute eine kleine Brücke den Übergang ermöglicht, musste man früher durch die Kléngelbaach nach Belgien waten (rechts).
Halt gibt es die Erklärung, dass sich viele junge Männer aus dem gesamten Land auf Bauernhöfen oder in den Wäldern des Öslings vor den Deutschen versteckten.
Da Belgien im Gegensatz zu Luxemburg nicht annektiert, sondern „nur“besetzt war, wurde es weniger streng überwacht. Deswegen wurden viele junge Männer mit gefälschten Pässen ausgestattet und in nächtlichen Aktionen
über die Grenze befördert. Dabei begann die gefährliche Reise normalerweise in Sassel, wo sich die meisten Flüchtigen versteckten, und führte durch den „Biwischerbësch“nach Belgien, an einen Ort, der damals Maison Roche genannt wurde.
Der Bahnhof von Ulflingen wurde eigentlich gemieden, weil dort viele Wehrmachtssoldaten stationiert waren.
„Auf den Bauernhöfen haben sich die jungen Männer an der täglichen Arbeit beteiligt, im Wald haben sie sich entweder in Bunkern oder in Erdlöchern versteckt. Sobald Gefahr in Verzug war, wurde ein akustisches Signal gegeben, beispielsweise mithilfe einer Pfanne“, erklärt Peggy Noesen. Um zu verhindern, dass es im Fall einer Festnahme und den anschließenden Verhören zu Denunziationen kommt, wussten die Beteiligten möglichst wenig voneinander.
Solidarität statt Stigmatisierung
Auf der letzten Station der Tour steht ein Halt an einem Denkmal für Aloyse Kremer an. In seinem Geburtsort Biwisch erinnert ein Denkmal an einen der Initiatoren der Fluchthilfe. Er wurde von den Deutschen auf frischer Tat ertappt und 1945 in Torgau erschossen. Auch seine Mutter Anne Kremer-Jans musste ihren eigenen sowie den Mut ihres Sohnes mit dem Leben bezahlen und wird deswegen ebenfalls auf dem Gedenkstein geehrt.
Noesen unterstreicht bei dieser Gelegenheit die große Solidarität, die in dieser Zeit herrschte und stellt eine Verbindung zum aktuellen Umgang mit Flüchtlingen her: „Es ist immer einfach, zu sagen, dass diese Menschen uns alles wegnehmen, aber früher sind auch viele Luxemburger geflüchtet und wurden andernorts aufgenommen.“„Das liegt vielleicht daran, dass damals in ganz Europa Krieg herrschte , während wir uns das heute nicht mehr vorstellen können“, entgegnet daraufhin eine der Teilnehmerinnen am Ende einer interessanten Wanderung, die in vielfacher Hinsicht zum Nachdenken anregt.