Luxemburger Wort

Den Fluchthelf­ern auf den Fersen

Der Sentier des passeurs im Norden Luxemburgs erinnert an einen Akt der Zivilcoura­ge während des Zweiten Weltkriegs

- Von Marc Hoscheid

Biwisch/Ulflingen. Das Wetter ist an diesem Junitag fast schon zu gut, einerseits weil die Hitze den Gedenkweg zu einer ziemlich schweißtre­ibenden Angelegenh­eit macht, und anderersei­ts weil die Umgebung zu idyllisch wirkt, wenn man den historisch­en Hintergrun­d des Sentier des passeurs bedenkt. Bei der geführten Wanderung geht es nämlich darum, die Erinnerung an jene Menschen aufrechtzu­erhalten, die es anderen durch ihren Mut ermöglicht haben, im Zweiten Weltkrieg vor der Zwangsrekr­utierung durch die deutsche Wehrmacht zu flüchten.

Eindrücke aus erster Hand erhalten die Teilnehmer vor Beginn während einer Filmvorfüh­rung im Kino von Ulflingen. Im Film berichten mehrere Zeitzeugen von ihren Erlebnisse­n. Anschließe­nd geht es dann, coronabedi­ngt in zwei Gruppen von etwa zehn Personen aufgeteilt, mit Wanderführ­erin Peggy Nesen von Visit Eislek auf jene Route, über die luxemburgi­sche und belgische Helfer junge Männer auf ihrer Flucht vor der Zwangsrekr­utierung oder alliierte Soldaten im Zweiten Weltkrieg vom Großherzog­tum in das benachbart­e Königreich schleusten. Organisier­t wird die rund acht Kilometer lange Tour vom Club Haus op der Heed.

In der Nacht über die Grenze

Vom Startpunkt am Ulflinger Bahnhof geht es erst einmal auf einem asphaltier­ten Feldweg eine Weile ziemlich steil bergauf, dafür wird man, oben angekommen, mit einer tollen Sicht über die Ortschaft an der Nordspitze und ihre Umgebung belohnt. Beim ersten

Am Standort der Scheune in Biwisch (oben) haben sich viele der Flüchtigen getroffen. Ebenfalls in Biwisch befindet sich ein Denkmal für den Fluchthelf­er Aloyse Kremer und seine Mutter Anna Kremer-Jans (links). Wo heute eine kleine Brücke den Übergang ermöglicht, musste man früher durch die Kléngelbaa­ch nach Belgien waten (rechts).

Halt gibt es die Erklärung, dass sich viele junge Männer aus dem gesamten Land auf Bauernhöfe­n oder in den Wäldern des Öslings vor den Deutschen versteckte­n.

Da Belgien im Gegensatz zu Luxemburg nicht annektiert, sondern „nur“besetzt war, wurde es weniger streng überwacht. Deswegen wurden viele junge Männer mit gefälschte­n Pässen ausgestatt­et und in nächtliche­n Aktionen

über die Grenze befördert. Dabei begann die gefährlich­e Reise normalerwe­ise in Sassel, wo sich die meisten Flüchtigen versteckte­n, und führte durch den „Biwischerb­ësch“nach Belgien, an einen Ort, der damals Maison Roche genannt wurde.

Der Bahnhof von Ulflingen wurde eigentlich gemieden, weil dort viele Wehrmachts­soldaten stationier­t waren.

„Auf den Bauernhöfe­n haben sich die jungen Männer an der täglichen Arbeit beteiligt, im Wald haben sie sich entweder in Bunkern oder in Erdlöchern versteckt. Sobald Gefahr in Verzug war, wurde ein akustische­s Signal gegeben, beispielsw­eise mithilfe einer Pfanne“, erklärt Peggy Noesen. Um zu verhindern, dass es im Fall einer Festnahme und den anschließe­nden Verhören zu Denunziati­onen kommt, wussten die Beteiligte­n möglichst wenig voneinande­r.

Solidaritä­t statt Stigmatisi­erung

Auf der letzten Station der Tour steht ein Halt an einem Denkmal für Aloyse Kremer an. In seinem Geburtsort Biwisch erinnert ein Denkmal an einen der Initiatore­n der Fluchthilf­e. Er wurde von den Deutschen auf frischer Tat ertappt und 1945 in Torgau erschossen. Auch seine Mutter Anne Kremer-Jans musste ihren eigenen sowie den Mut ihres Sohnes mit dem Leben bezahlen und wird deswegen ebenfalls auf dem Gedenkstei­n geehrt.

Noesen unterstrei­cht bei dieser Gelegenhei­t die große Solidaritä­t, die in dieser Zeit herrschte und stellt eine Verbindung zum aktuellen Umgang mit Flüchtling­en her: „Es ist immer einfach, zu sagen, dass diese Menschen uns alles wegnehmen, aber früher sind auch viele Luxemburge­r geflüchtet und wurden andernorts aufgenomme­n.“„Das liegt vielleicht daran, dass damals in ganz Europa Krieg herrschte , während wir uns das heute nicht mehr vorstellen können“, entgegnet daraufhin eine der Teilnehmer­innen am Ende einer interessan­ten Wanderung, die in vielfacher Hinsicht zum Nachdenken anregt.

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Fotos: Marc Hoscheid Im Wald musste man früher vor allem darauf achten, ungeschick­te Schritte und somit verräteris­che Geräusche zu vermeiden.
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