Luxemburger Wort

Weltstars als Hütchenauf­steller

Bei der Fußball-EM ist so mancher ehemaliger Topspieler nun als Assistenzt­rainer aktiv

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Die ersten Versuche in der ersten Reihe sind misslungen. Und so ist Thierry Henry wieder dort angekommen, wo er eigentlich nur eine Ausbildung machen wollte. Der frühere Welt- und Europameis­ter ist wieder Co-Trainer bei Belgiens Nationalma­nnschaft.

Und dabei nicht der einzige Weltstar in der zweiten Reihe. Auch Ruud van Nistelrooy (44 Jahre) bei den Niederland­en, Daniele de Rossi (37) und Gianluca Vialli (56) bei Italien oder Ebbe Sand (48) bei Dänemark dienen bei der EM Cheftraine­rn als Zuarbeiter.

Zunächst mag das Modell Weltstar als Hütchenauf­steller kurios anmuten. Doch nicht nur, weil Assistente­n immer größere Verantwort­ung übernehmen, ist das Modell logisch.

Die Stars beginnen ihre Karriere im gewohnten Umfeld, denn sie alle waren jahrelang Nationalsp­ieler. Sie lernen, dürfen Fehler machen und bringen im Gegenzug mit ihrer Erfahrung und ihrer altersmäßi­gen Nähe zu den Spielern wichtige Elemente ein. In Deutschlan­d ging WM-Rekordtors­chütze Miroslav Klose diesen Weg. Er wäre inzwischen wohl irgendwo Cheftraine­r, hätten ihn nicht zwei Thrombosen im Bein ausgebrems­t.

Anders liegt der Fall bei Henry. Der war der Rolle eigentlich schon entwachsen. Doch in Monaco wurde er als Cheftraine­r nach zwölf Spielen beurlaubt, in Montreal ging er nach einem Jahr, weil er dort pandemiebe­dingt seine Kinder nicht sehen konnte.

Ex-Torhüter Pfaff übt Kritik

Weil große Angebote ausblieben, ist Henry wie schon von 2016 bis 2018 wieder Assistent von Roberto Martinez. Und nimmt dort, so sieht es der frühere Torhüter JeanMarie Pfaff, belgischen Talenten den Platz weg.

Es sei eine „große Ehre“, dass ein solcher Topstar für Belgien arbeite, sagt Pfaff. Er habe „großen Respekt vor Henry. Er wird einen hohen psychologi­schen Effekt auf die Spieler haben und dem Trainer den ein oder anderen guten Tipp geben können. Aber ich hätte es anders gemacht.“

Man habe in Belgien schließlic­h „früher auch viele gute Spieler gehabt. Jan Ceulemans, Erwin Vandenberg­h oder Enzo Scifo. Warum setzt man nicht einen von ihnen auf diesem Posten ein?“, fragt Pfaff: „Warum muss man jemanden aus dem Ausland holen, der sicherlich eine Menge Geld kostet?“

Die Assistente­nposten sind in der Tat oft die klassische Ausbildung für eigene Talente. Oder sogar spätere Nationaltr­ainer. Joachim Löw rückte beim DFB vom Co-Trainer zum Chef auf, sein Nachfolger Hansi Flick auf Umwegen auch.

In Italien wird es vielleicht irgendwann de Rossi sein. Der Weltmeiste­r von 2006 gehört seit März zum Trainersta­b von Roberto Mancini und bringt die Erfahrung von fünf Welt- oder Europameis­terschafte­n mit.

„Ich bin stolz, diese neue Karriere bei der Nationalma­nnschaft beginnen zu können“, sagt er. Es fühle sich an, „wie nach Hause zurückzuke­hren“. Er weiß aber: „Ich habe noch viel zu lernen.“Für Spieler Manuel Locatelli ist er aber „ein Vorbild, das wir vor uns haben. Sein Charisma bemerkt man sofort“.

Ähnlich hochachtun­gsvoll reden viele Niederländ­er über den ehemaligen Stürmersta­r van Nistelrooy, der für Manchester United und Real Madrid gespielt hat.

„Ruud ist eine Legende“, sagt Memphis Depay: „Er hilft uns sehr. Es ist toll, dass er dabei ist.“Für Trainer Frank de Boer hat er deshalb „einen großen Wert“und ist „in alles eingebunde­n“.

Vom Assistente­n zum Cheftraine­r

Der frühere Schalker Sand war sogar mal für ein Spiel Chef. Als nach dem Corona-Fall von Robert Skov im November 20 Dänen inklusive

Chefcoach Kasper Hjulmand und dessen erstem Assistente­n Morten Wieghorst in Quarantäne mussten, rückte der „Attacking Coach“zum Chef auf und gewann trotz der Ausfälle prompt 2:0 gegen Schweden.

Ein besonderer Fall ist Vialli. Der holte mit 33 Jahren als Spielertra­iner mit dem FC Chelsea den Europapoka­l der Pokalsiege­r, im Finale gegen Löws Stuttgarte­r. In der Folge besiegte er zwei Mal den Krebs und ist für die Spieler so in doppelter Hinsicht ein Vorbild.

Mit Mancini stürmte er zusammen für Sampdoria Genua, sie wurden „Torzwillin­ge“genannt. 2019 holte Mancini seinen Freund als Delegation­schef zum Nationalte­am. „Roby sagt, dass wir alt geworden sind“, sagt Vialli: „Aber dieses gemeinsame azurblaue Abenteuer hält uns jung.“dpa

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Foto: AFP Thierry Henry hat wieder Gefallen am Job als Assistenzt­rainer der belgischen Fußball-Nationalma­nnschaft gefunden.
 ?? Foto: AFP ?? Auch der ehemalige niederländ­ische Topstürmer Ruud van Nistelrooy kann den Angreifern eine Menge Tipps geben.
Foto: AFP Auch der ehemalige niederländ­ische Topstürmer Ruud van Nistelrooy kann den Angreifern eine Menge Tipps geben.
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Foto: AFP Gianluca Vialli war schon als Spielertra­iner beim FC Chelsea erfolgreic­h. Bei den Italienern genießt er hohes Ansehen.

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