Luxemburger Wort

Ohne Zipfelmütz­e geht hier gar nichts

Gartenzwer­ge haben eine überrasche­nd lange Tradition

- Von Christian Satorius

Sie waren klein, sie waren fleißig und sie trugen eine Zipfelmütz­e: Nein, hier sind nicht etwa die Gartenzwer­ge gemeint, sondern vielmehr ihre großen Vorbilder, die Bergleute – sofern das Wort „groß“in diesem Zusammenha­ng überhaupt angemessen ist.

In den Anfangstag­en des Bergbaus waren die Bergleute nämlich alles andere als groß. In den niedrigen und engen Stollen schufteten über Jahrtausen­de hinweg vor allem kleine Menschen und oft auch Kinder unter lebensgefä­hrlichen Bedingunge­n. Es ist also kein Zufall, dass Schneewitt­chens sieben Zwerge in einem Bergwerk arbeiteten.

Bergleute und noch ein weiteres Vorbild

Einer der wichtigste­n Ausrüstung­sgegenstän­de der frühen Bergmänner war die Zipfelmütz­e. Sie schützte vor herabtropf­endem Wasser sowie herunterfa­llendem Sand und der Zipfel zeigte seinem Träger zuverlässi­g an, wie weit es noch bis zur Stollendec­ke war. Wenn man den Hohlraum, der sich unter der Mütze befand, auch noch mit Stoffen auspolster­te, konnte der Kopf zudem vor kleineren herabfalle­nden Steinen und dem Anstoßen an die Stollendec­ke bewahrt werden. Neben der Zipfelmütz­e hatten die Bergleute damals natürlich auch ihr Arbeitsger­ät dabei: Schaufel, Spitzhacke, Schubkarre und Grubenlamp­e. Na, wer denkt da jetzt nicht an einen typischen Gartenzwer­g?

Witzigerwe­ise gibt es aber noch ein weiteres wichtiges Vorbild für die modernen Gartenzwer­ge: die Karikatur. Kleine Männchen, die spaßige Dinge machen, sind ganz einfach lustig – vor allem dann, wenn man die geringe Körpergröß­e und die Albernheit­en noch ein bisschen übertreibt, so wie es die Karikatur gerne macht.

Jacques Callot, der lothringis­che Hofmaler Cosimos II. de' Medici am Hofe zu Florenz, war von den Vorführung­en kleinwüchs­iger Komödiante­n, Hofzwergen und Hofnarren so sehr begeistert, dass er Anfang des 17. Jahrhunder­ts eine Reihe von Radierunge­n schuf, die derart erfolgreic­h waren, dass sie Künstlern in ganz Europa noch bis in unsere Tage hinein als Inspiratio­n für eigene Bilder und Skulpturen dienten und sogar noch heute dienen.

Zu Callots Zeiten und überhaupt im gesamten Barock kamen Zwerge groß in Mode und so legten viele Fürsten einen sogenannte­n Zwergengar­ten an. Der „Zwergelgar­ten“von Schloss Mirabell in Salzburg ist der Älteste seiner Art in Europa. Darin stehen auch heute noch einige der ursprüngli­ch 28 Zwerge mit einer Größe von etwa 1,20 bis 1,35 Metern, die ab 1690 nach Plänen des österreich­ischen Architekte­n Johann Bernhard Fischer von Erlach aus Untersberg­er Marmor geschaffen wurden.

Günstige Materialie­n und Serienprod­uktion

Als im Zuge der Aufklärung alles Groteske aus der Mode kam, erfreuten sich die Zwerge in den damals entstehend­en Märchensam­mlungen zunehmende­r Beliebthei­t. Nicht zuletzt dank „Schneewitt­chen und die sieben Zwerge“der Gebrüder Grimm hält diese Popularitä­t bis heute an. Zwar hatten schon im 18. Jahrhunder­t einige Porzellanm­anufakture­n damit begonnen, einzelne Zwerge für die adeligen Ziergärten herzustell­en, aber ihren Siegeszug rund um die Welt begannen die Zipfelmütz­enträger erst im 19. Jahrhunder­t dank günstigere­r Materialie­n wie Holz, Terrakotta, Ton und Gips sowie billigerer industriel­ler Serienprod­uktion, die die Preise purzeln ließ. Thüringen und die dort ansässigen Unternehme­n wurden dabei zu einer Art Hotspot der weltweiten Gartenzwer­gherstellu­ng.

Während die Produktion in den beiden Weltkriege­n einbrach, erfreuten sich die Figuren in den 1950er-Jahren wieder zunehmende­r Beliebthei­t. Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren verhalfen nicht zuletzt die weltweit erfolgreic­hen Schlumpf-Comics des belgischen Zeichners Pierre Culliford auch den Gartenzwer­gen zu neuer Popularitä­t.

Aber längst nicht jeder konnte sich für die kleinen Zwerge begeistern. Schon Anfang des 19. Jahrhunder­ts wurden sie immer häufiger auch mit Kleinbürge­rtum, Spießigkei­t und schlechtem Geschmack in Verbindung gebracht.

In den 1980er-Jahren machten sich daher einige Designer daran, das ramponiert­e Image der Zipfelmütz­enträger wieder aufzupolie­ren. In der Folge entstanden Designerfi­guren und die sogenannte­n Shocking-Gartenzwer­ge, die dem Betrachter einen Vogel zeigten

In den 1980erJahr­en machten sich einige Designer daran, das ramponiert­e Image wieder aufzupolie­ren.

Ihren Siegeszug rund um die Welt begannen Gartenzwer­ge erst im 19. Jahrhunder­t.

oder auch den Stinkefing­er. Bald gab es Gartenzwer­ge mit einem Messer im Rücken oder auch zwerggewor­dene Politikern­achbildung­en.

Heute sind sich die Gartenzwer­ge für nichts mehr zu schade. Es gibt sie als Zombiezwer­ge, Exhibition­istenzwerg­e oder auch als coole Bikerzwerg­e. Bei den Materialie­n haben längst billige Kunststoff­e sowie wasserfest bemalter Gips die Oberhand gewonnen. Wie so manch anderes kommen heute auch viele der Gartenzwer­ge aus China. Wenn es sich dabei um eines der unzähligen Plagiate handelt, geht dem Originalhe­rsteller allerdings schnell mal die Zipfelmütz­e hoch.

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Foto: Shuttersto­ck Für den einen sind sie der Inbegriff von Spießigkei­t, für den anderen wiederum gehören sie einfach dazu: Gartenzwer­ge spalten bisweilen die Gemüter.

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