Ohne Zipfelmütze geht hier gar nichts
Gartenzwerge haben eine überraschend lange Tradition
Sie waren klein, sie waren fleißig und sie trugen eine Zipfelmütze: Nein, hier sind nicht etwa die Gartenzwerge gemeint, sondern vielmehr ihre großen Vorbilder, die Bergleute – sofern das Wort „groß“in diesem Zusammenhang überhaupt angemessen ist.
In den Anfangstagen des Bergbaus waren die Bergleute nämlich alles andere als groß. In den niedrigen und engen Stollen schufteten über Jahrtausende hinweg vor allem kleine Menschen und oft auch Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen. Es ist also kein Zufall, dass Schneewittchens sieben Zwerge in einem Bergwerk arbeiteten.
Bergleute und noch ein weiteres Vorbild
Einer der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände der frühen Bergmänner war die Zipfelmütze. Sie schützte vor herabtropfendem Wasser sowie herunterfallendem Sand und der Zipfel zeigte seinem Träger zuverlässig an, wie weit es noch bis zur Stollendecke war. Wenn man den Hohlraum, der sich unter der Mütze befand, auch noch mit Stoffen auspolsterte, konnte der Kopf zudem vor kleineren herabfallenden Steinen und dem Anstoßen an die Stollendecke bewahrt werden. Neben der Zipfelmütze hatten die Bergleute damals natürlich auch ihr Arbeitsgerät dabei: Schaufel, Spitzhacke, Schubkarre und Grubenlampe. Na, wer denkt da jetzt nicht an einen typischen Gartenzwerg?
Witzigerweise gibt es aber noch ein weiteres wichtiges Vorbild für die modernen Gartenzwerge: die Karikatur. Kleine Männchen, die spaßige Dinge machen, sind ganz einfach lustig – vor allem dann, wenn man die geringe Körpergröße und die Albernheiten noch ein bisschen übertreibt, so wie es die Karikatur gerne macht.
Jacques Callot, der lothringische Hofmaler Cosimos II. de' Medici am Hofe zu Florenz, war von den Vorführungen kleinwüchsiger Komödianten, Hofzwergen und Hofnarren so sehr begeistert, dass er Anfang des 17. Jahrhunderts eine Reihe von Radierungen schuf, die derart erfolgreich waren, dass sie Künstlern in ganz Europa noch bis in unsere Tage hinein als Inspiration für eigene Bilder und Skulpturen dienten und sogar noch heute dienen.
Zu Callots Zeiten und überhaupt im gesamten Barock kamen Zwerge groß in Mode und so legten viele Fürsten einen sogenannten Zwergengarten an. Der „Zwergelgarten“von Schloss Mirabell in Salzburg ist der Älteste seiner Art in Europa. Darin stehen auch heute noch einige der ursprünglich 28 Zwerge mit einer Größe von etwa 1,20 bis 1,35 Metern, die ab 1690 nach Plänen des österreichischen Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach aus Untersberger Marmor geschaffen wurden.
Günstige Materialien und Serienproduktion
Als im Zuge der Aufklärung alles Groteske aus der Mode kam, erfreuten sich die Zwerge in den damals entstehenden Märchensammlungen zunehmender Beliebtheit. Nicht zuletzt dank „Schneewittchen und die sieben Zwerge“der Gebrüder Grimm hält diese Popularität bis heute an. Zwar hatten schon im 18. Jahrhundert einige Porzellanmanufakturen damit begonnen, einzelne Zwerge für die adeligen Ziergärten herzustellen, aber ihren Siegeszug rund um die Welt begannen die Zipfelmützenträger erst im 19. Jahrhundert dank günstigerer Materialien wie Holz, Terrakotta, Ton und Gips sowie billigerer industrieller Serienproduktion, die die Preise purzeln ließ. Thüringen und die dort ansässigen Unternehmen wurden dabei zu einer Art Hotspot der weltweiten Gartenzwergherstellung.
Während die Produktion in den beiden Weltkriegen einbrach, erfreuten sich die Figuren in den 1950er-Jahren wieder zunehmender Beliebtheit. Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren verhalfen nicht zuletzt die weltweit erfolgreichen Schlumpf-Comics des belgischen Zeichners Pierre Culliford auch den Gartenzwergen zu neuer Popularität.
Aber längst nicht jeder konnte sich für die kleinen Zwerge begeistern. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts wurden sie immer häufiger auch mit Kleinbürgertum, Spießigkeit und schlechtem Geschmack in Verbindung gebracht.
In den 1980er-Jahren machten sich daher einige Designer daran, das ramponierte Image der Zipfelmützenträger wieder aufzupolieren. In der Folge entstanden Designerfiguren und die sogenannten Shocking-Gartenzwerge, die dem Betrachter einen Vogel zeigten
In den 1980erJahren machten sich einige Designer daran, das ramponierte Image wieder aufzupolieren.
Ihren Siegeszug rund um die Welt begannen Gartenzwerge erst im 19. Jahrhundert.
oder auch den Stinkefinger. Bald gab es Gartenzwerge mit einem Messer im Rücken oder auch zwerggewordene Politikernachbildungen.
Heute sind sich die Gartenzwerge für nichts mehr zu schade. Es gibt sie als Zombiezwerge, Exhibitionistenzwerge oder auch als coole Bikerzwerge. Bei den Materialien haben längst billige Kunststoffe sowie wasserfest bemalter Gips die Oberhand gewonnen. Wie so manch anderes kommen heute auch viele der Gartenzwerge aus China. Wenn es sich dabei um eines der unzähligen Plagiate handelt, geht dem Originalhersteller allerdings schnell mal die Zipfelmütze hoch.