Luxemburger Wort

Ichthyosau­ris-Ville bei Gasperich

Diese urbanen Hotspots sind das Resultat einer rücksichts­losen Gewinnmaxi­mierung

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Der neue Name „Ichthyosau­risVille“klingt wahrlich ansprechen­der als der volkstümli­che Name der menschenve­rachtenden Trabantens­tadt „Ban de Gasperich“die als zweite Satelliten­stadt der Hauptstadt aus dem Boden gestampft wurde. Dieses, bereits heute, abrisswürd­ige Stadtgebil­de wurde nach der unglücklic­hen Akkumulati­on von Beton, Stahl und Glas auf dem Kirchbergp­lateau entlang der pompös überdimens­ionierten Stadtautob­ahn mit ihren stadtmonot­onen Seitenstra­ßen, angelegt und erfolgreic­h vermarktet. Der neue Name verkörpert zugleich den prähistori­schen Zeitgeist der Pate stand, als diese auto- und mobilitäts­gerechte Siedlungss­truktur auf dem Reißbrett von bedeutende­n Architekte­n und Ingenieure­n entstand und publikumsw­irksam von den selbstverl­iebten und beratungsr­esistenten administra­tiven und politische­n Entscheidu­ngsträgern der Stadt Luxemburg genehmigt wurde.

Hier an jenem Ort, wo Mitarbeite­r des Naturmuseu­ms vor einigen Tagen einen spektakulä­ren Fund machten, nämlich Überreste eines Fischsauri­ers, eines so genannten Ichthyosau­riers, fanden, leben Hunderte Familien zusammenge­pfercht, in geschmackl­osen und kinderfein­dlichen Wohnsilos. Diese zukünftige­n urbanen Hotspots sind das Resultat einer rücksichts­losen Gewinnmaxi­mierung des Siedlungse­ntwicklers gepaart mit einem falsch interpreti­erten Verdichtun­gswahn der Bausubstan­z, so wie sie verstärkt von vielen Politikern der grünen Riege dilettanti­sch gefordert wird. Für das Automobil aber wurden in der Cloche d'Or, pardon in Ichthyosau­ris-Ville, Megafläche­n sinnlos versiegelt. Nur vereinzelt wurden die zahlreich überdimens­ionierten Verkehrsbä­nder mit einer zaghaften Architektu­rpetersili­e bestückt. Gelungen ist aber allemal die optimale Gestaltung des Bewegungsr­aumes für das scheinbar unheilbare Virus Auto, zum großen Nachteil der Lebensqual­ität der dort nicht artgerecht lebenden und arbeitende­n Menschen.

Daniel Miltgen, Luxemburg-Kirchberg

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