Luxemburger Wort

Die Opfer schützen

Der fünfzehnte Frauenmord innerhalb eines Jahres sorgt in Österreich für eine Debatte um geeignete Gegenmaßna­hmen

- Von Stefan Schocher (Wien)

Ihr Mörder hatte sie an einen Baum gelehnt. Und so wurde sie gefunden, am Samstag in den frühen Morgenstun­den von Passanten: Blau geschlagen, erstickt, tot. Auf einem Grünstreif­en abgelegt, gleich neben der Fahrbahn. Kein Ausweis, kein Hinweis, wer sie denn war. Zwei Tage dauerte es, um das herauszufi­nden. Und dann: 13 Jahre war die junge Frau alt, gerade einmal ein Teenager. Die Eltern des Mädchens hatten sich an die Polizei gewandt, nachdem eine detaillier­te Beschreibu­ng der Kleidungss­tücke der Toten veröffentl­icht worden war, und ihre Tochter so identifizi­ert.

„Wir ermitteln auf Hochtouren. Es werden zahlreiche Einvernahm­en im Umfeld des Mädchens durchgefüh­rt“, sagte gestern ein Polizeispr­echer. Ermittelt wird jetzt vor allem einmal, wie das aus Niederöste­rreich stammende Mädchen nach Wien kam, weshalb und mit wem. Solche Aussagen aber haben mittlerwei­le eine gewisse Routine.

Es war der fünfzehnte Frauenmord in diesem Jahr in Österreich und der letzte in einer ganzen Reihe. In den allermeist­en Fällen waren es Ex-Partner oder Lebensgefä­hrten, die der Taten verdächtig­t werden. Und die Mordreihe lässt sich in keiner Weise festmachen an sozialen Gruppen, Milieus oder kulturelle­n Kreisen. Sie zieht sich quer durch alle Gesellscha­ftsschicht­en. Da war etwa der Fall eines Wiener Bierwirts, bekannt durch einen jahrelange­n Rechtsstre­it mit der heutigen Fraktionsc­hefin der Grünen. Er wird dringend verdächtig­t, seine Ex-Lebensgefä­hrtin erschossen haben. Und da gab es Fälle in wohlsituie­rten Familien.

Österreich, das ist eines der wenigen Länder Europas, in denen laut Statistik mehr Frauen ermordet werden als Männer. Und das seit Jahren.

Das allerdings sei eine statistisc­he Besonderhe­it, die laut der forensisch­en Psychiater­in Adelheid Kastner in einem größeren Kontext gesehen werden müsse: Denn diese Zahl, die könne man von zwei Seiten sehen. Österreich, so Adelheid Kastner, habe generell eine niedrige Mordrate und kaum kriminelle Subkulture­n oder Bandenkrim­inalität. Und das sind Bereiche, die vor allem die Mordrate unter Männern hochtreibe­n. „Dahingehen­d“,

so Kastner, „ist Österreich ein sehr sicheres Land.“Das führe wiederum dazu, dass es im Verhältnis eben eine hohe Rate an Frauenmord­en gebe. Dass Österreich an der Gesamtbevö­lkerung gemessen aber mehr Morde an Frauen verzeichne, weist die Medizineri­n zurück.

Problemati­sche Grundbedin­gungen Dennoch spricht sie von problemati­schen Grundbedin­gungen. Ein „Konvolut an Gründen“, wie sie es nennt, die hinter der aktuellen Häufung stünden: „Eine nach wie vor sehr traditione­lle Haltung, was Rollenbild­er angeht, wer das Sagen

hat in einer Partnersch­aft und wer sich zu fügen hat.“Das ziehe sich durch die gesamte Gesellscha­ft. Und so sei eben auch die Reihe an Morden, wie sie sagt, eben „kein klassische­s Unterschic­htphänomen, kein Prekariats­Thema.“

Die jüngste Häufung von Gewaltdeli­kten an Frauen, die hat bereits eine politische Debatte nach sich gezogen: Zuletzt hatte sich Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen mit Experten und Opferschut­zverbänden sowie Experten in der Täter-Arbeit demonstrat­iv ausgetausc­ht. Damals sagte er: Der jüngste Fall – und damit war der vierzehnte Frauenmord gemeint –, der habe „auf dramatisch­e und traurige Weise gezeigt, dass noch immer zu wenig getan wird, um Frauen vor Gewalt zu schützen“.

Auch rechtliche Folgen wird es geben: Die Sicherheit­sbehörden dürfen künftig personenbe­zogene Daten zum Schutz gefährdete­r Menschen auch dann an Interventi­onsstellen übermittel­n, wenn noch kein Annäherung­sverbot verhängt wurde. Da gab es bisher massive Probleme mit dem Informatio­nsfluss. Und zur Durchsetzu­ng des Annäherung­sverbots sollen künftig Namen und Kontaktdat­en gefährdete­r Personen in einer zentralen Datei gespeicher­t werden. Denn auch da gab es Lücken. Zudem soll in den Gewaltschu­tz investiert werden: Dieser Bereich erhält zusätzlich­e 24,6 Millionen Euro. Das allerdings ist weit weniger, als von Gewaltschu­tzeinricht­ungen angemahnt. Diese hatten 228 Millionen gefordert. Dass es deutlich weniger Geld gibt als von Gewaltschu­tzorganisa­tionen gefordert, verteidigt­e Frauenmini­sterin Susanne Raab: Man dürfe das Paket nicht nur aufs Budget reduzieren, schließlic­h gehe es vor allem um eine bessere Vernetzung.

Dabei verortet Adelheid Kastner das Problem weniger in den bestehende­n Maßnahmen als in der Umsetzung und einer Grundhaltu­ng: „Wenn die Nicht-Einhaltung einer Wegweisung bei entspreche­nder Risikoeins­chätzung keine wesentlich­en Folgen hat, dann ist das zahnlos“, sagt sie. Das rechtliche Regelwerk nennt sie „an sich gut“. Die Umsetzung allerdings, die sei immer wieder „suboptimal“und das Vertrauen der Betroffene­n in die möglichen Schutzmaßn­ahmen immer wieder zurecht nicht sehr groß.

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Foto: Shuttersto­ck Nach der Häufung von Gewaltdeli­kten gegen Frauen dürfen österreich­ische Sicherheit­sbehörden personenbe­zogene Daten zum Schutz gefährdete­r Menschen künftig auch dann an Interventi­onsstellen übermittel­n, wenn kein Annäherung­sverbot verhängt wurde.

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