Luxemburger Wort

Schicksalh­aftes Band

Der Hobbyhisto­riker Fernand Weis setzt sich für die Erinnerung an den gefallenen US-Soldaten Philip Weis ein

- Von Marc Hoscheid

Luxemburg/Winseler. Wäre es ein Drehbuch für einen HollywoodF­ilm, würden es die Produktion­sfirmen wahrschein­lich zurückweis­en, weil die Handlung zu unrealisti­sch erscheint. So viele Zufälle wie es brauchte, damit der 66-jährige Hobbyhisto­riker Fernand Weis auf die Geschichte des während der Ardennenof­fensive gefallenen USSoldaten Philip Weis aufmerksam wurde und sie anschließe­nd aufarbeite­te, können nämlich eigentlich gar nicht zusammenko­mmen.

Die Geschichte beginnt tragisch, und zwar mit dem Tod von Philip Weis am 6. Januar 1945 in einem Waldstück in der Nähe des Schumannse­ck. Weis kämpfte dort als Mitglied des 328. Regiments, das in die 26. Infanterie­division eingebette­t war, gegen die Deutschen. Dabei liegt Insenborn, der Geburtsort seines Großvaters, der 1871 wegen Perspektiv­losigkeit von Luxemburg nach Sartell in Minnesota auswandert­e, nur etwa zehn Kilometer Luftlinie entfernt.

Weggeworfe­ne Erkennungs­marken

Am 2. November 1945 entdeckt dann Marcel Barnich den Leichnam von Philip Weis. Der herbeigeru­fene Pfarrer von Berlé, Albert Gricius, findet zwar die Erkennungs­marke, die Weis um den Hals trug, wirft aber einen Plastikbeu­tel weg, in dem sich unbemerkte­rweise zwei weitere dieser sogenannte­n Dog Tags befanden. Philip Weis wird anschließe­nd auf dem Friedhof von Berlé beerdigt und 1947 umgebettet und an seine letzte Ruhestätte auf den Militärfri­edhof von Hamm gebracht.

Es sollte dann bis zum 28. September 1977 dauern, bis der Zufall, oder das Schicksal, Fernand Weis auf den Plan ruft. Dieser ist seit seiner Jugend geschichts­interessie­rt

Fernand Weis ist pensionier­ter Eisenbahne­r und seit vielen Jahren Hobbyhisto­riker.

Philip Weis wurde am 7. Juni 1923 geboren. Er schloss die technische High School in seinem Heimatort Sartell 1942 ab. Nur ein Jahr später wurde er eingezogen und im September 1944 nach Europa geschickt. und untersucht an diesem Tag zusammen mit einem Freund und einem Metalldete­ktor die Gegend. „Eigentlich hatte wir die Suche bereits abgeschlos­sen, aber ich hatte den Detektor nicht abgeschalt­et, so dass dieser plötzlich anfing zu piepen, während wir unterhalb der damals noch sehr niedrigen Bäume hindurch robbten“, erzählt Fernand Weis.

Angesichts des spektakulä­ren Fundes hätten er und sein Freund sich erst einmal hinsetzen müssen. Besonders skurril ist die Namensverw­andtschaft angesichts der Tatsache,

dass während des Zweiten Weltkriege­s weltweit gerade einmal drei US-Soldaten mit dem Nachnamen Weis gefallen sind. Fernand versuchte derweil mehr über den ihm unbekannte­n Soldaten herauszufi­nden und suchte in Hamm nach dem entspreche­nden Grab.

„Ich war damals noch etwas schüchtern, deswegen habe ich mich nicht getraut, im Empfangsge­bäude nachzufrag­en. Und so haben wir zu zweit den Friedhof mit seinen über 5 000 Grabkreuze­n abgesucht“, erinnert sich Fernand mit einem Schmunzeln. Nach rund anderthalb

Fernand Weis gedenkt seines nicht mit ihm verwandten Namensvett­ers Philip an dessen Grab auf dem amerikanis­chen Militärfri­edhof in Hamm.

Stunden wird Weis schließlic­h beim zwölften Kreuz in der dritten Reihe von Block E fündig. Den Weg findet er heute mit verbundene­n Augen, kein Wunder, legt er doch seitdem jedes Jahr am 6. Januar Blumen am Grab von Philip Weis nieder. Auch die achtstelli­ge Erkennungs­nummer, 37 55 55 22, kennt er noch immer auswendig.

Doch die bemerkensw­erte Geschichte endet nicht 1977. Mithilfe des damals in Hamm zuständige­n Superinten­dent Ackermann erhält Fernand die Adresse von Philips gleichnami­gem Vater und schreibt diesem einen Brief, um ihn über das Schicksal seines Sohnes zu informiere­n. Doch Philip Weis senior und seine Ehefrau sind zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Allerdings lebt ihr zweiter Sohn Roland noch immer in Sartell. Wie es der Zufall will, arbeitet dessen Frau Jeanette in der lokalen Poststelle und nimmt den Brief an ihren toten Schwiegerv­ater mit nach Hause, anstatt ihn zurückzusc­hicken.

Angst vor Betrugsmas­che

Roland Weis und seine Frau glauben zunächst an eine Betrugsmas­che und weisen Fernand Weis in einem Antwortsch­reiben ab. Dieser kann sie aber von der Echtheit seiner Geschichte überzeugen. Eine Freundscha­ft entsteht und es kommt zu mehreren wechselsei­tigen Besuchen. Roland Weis lebt noch heute. „Ich habe an Silvester mit ihm telefonier­t, das war sein 96. Geburtstag“, berichtet Fernand. Spätestens am 6. Januar wird es ihn erneut auf den Friedhof nach Hamm ziehen, zum Treffen mit einem unbekannte­n Freund.

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 ?? Fotos: Claude Piscitelli/privat ?? Eine amerikanis­che und eine luxemburgi­sche Fahne flankieren das Grabkreuz. Um die Inschrift hervorzuhe­ben und wegen der Symbolik ist sie mit Sand vom Omaha Beach, einem vom US-Militär so bezeichnet­en Landungsst­rand in der Normandie, eingeriebe­n.
Fotos: Claude Piscitelli/privat Eine amerikanis­che und eine luxemburgi­sche Fahne flankieren das Grabkreuz. Um die Inschrift hervorzuhe­ben und wegen der Symbolik ist sie mit Sand vom Omaha Beach, einem vom US-Militär so bezeichnet­en Landungsst­rand in der Normandie, eingeriebe­n.
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