Anklage gegen Trumps Finanzchef
Organisation von Ex-US-Präsident wird Steuerhinterziehung vorgeworfen – Allen Weisselberg steht im Fokus der Ermittler
Der Angeklagte versuchte in den frühen Morgenstunden in Begleitung seines Anwalts unerkannt von den Medien durch den Mitarbeitereingang das Gerichtsgebäude in Manhattan zu betreten. Doch die Reporter warteten schon auf Allen Weisselberg, der sich um 6.20 Uhr der Staatsanwaltschaft stellte. Gestern Nachmittag (Ortszeit) sollten vor dem Gericht die Vorwürfe öffentlich gemacht werden, die eine „Grand Jury“auf Antrag von Chefankläger Cyrus Vance abgesegnet hatte.
Wie vorab an die Medien durchsickerte, muss sich Weisselberg wegen diverser Steuervergehen rechtfertigen, die ihm potenziell eine Gefängnisstrafe einbringen. Dabei geht es um unversteuerte Zuwendungen, die Weisselberg und seine Familie von der TrumpOrganisation erhalten haben sollen. Im Einzelnen handelt es sich um die jahrelange Umsonst-Nutzung eines Luxus-Apartments am Central Park, Schulgeld für teure Privatschulen der Enkelkinder und mehrere kostenfrei bereitgestellte Mercedes-Benz-Limousinen.
Wie „Politico“berichtet, zeigte sich der frühere US-Präsident erleichtert, nicht selber angeklagt worden zu sein. Donald Trump sei hocherfreut über die aus seiner Sicht geringfügigen Anklagepunkte. Er glaube, dies werde ihm politisch helfen. „Er wird nun bestimmt 2024 noch einmal antreten“, zitiert das einflussreiche Medium einen Berater Trumps.
In einem Interview mit FOXModerator Sean Hannity an der
Südgrenze zu Mexiko in Texas reagierte dieser auf die Nachricht in gewohnter Manier. „Alles Unsinn“, wies er die Anklage zurück, die er als Fortsetzung der „Hexenjagd“gegen ihn wertete.
Rechtsexperten bestätigen, dass eine Anklage wegen nicht versteuerter Sonderleistungen an Mitarbeiter für sich genommen ungewöhnlich ist. Die Anwälte der Trump-Organisation hatten im Vorfeld versucht, Vance davon abzubringen. Sie behaupteten, dies sei gängige Praxis in vielen Unternehmen und ziehe selten strafrechtliche Konsequenzen nach sich.
Der frühere Bundesanwalt Jeremy Temkin erkennt in dem Vorgehen der New Yorker Staatsanwaltschaft dagegen wie viele andere Fachleute eine Taktik, die darauf abzielt, Weisselberg zur Kooperation zu bewegen. „Sobald eine Anklage im Raum steht, müssen sich die Beschuldigten konkret entscheiden“, sagt Temkin gegenüber dem „Wall Street Journal“. „Sie können sich dagegen verteidigen, ein Geständnis ablegen oder mit den Ermittlern zusammenarbeiten“. Viele entschieden sich für Letzteres, um Gefängnisstrafen zu vermeiden.
Chefankläger Vance und die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James, die seit Sicherung des Zugriffs auf die Steuerunterlagen Trumps gemeinsam ermitteln, erkennen in Weisselberg die Spinne im Netz der Unternehmensgruppe. Er arbeitet seit Ende der 70er-Jahre eng mit Trump zusammen und kontrolliert seit Jahrzehnten die Finanzen des weit verzweigten Geschäftsimperiums.
„Kein Groschen verlässt dieses Gebäude ohne sein Wissen“, bestätigt Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager Corey Lewandowski die zentrale Rolle des 73-Jährigen, der nach eigenen Aussagen an jeder Steuererklärung seit Beginn der 90er-Jahre mitgewirkt hat.
Loyalität auf die Probe gestellt
Andere aus dem Umfeld des ExPräsidenten beschreiben Weisselberg als „100 Prozent loyal“. Diese Loyalität wird nun auf die Probe gestellt. Wenn er angesichts einer drohenden Haftstrafe auspackt, könnte es nach Ansicht von Analysten eng für den Ex-Präsidenten werden. Letztlich gehe es den Staatsanwälten in New York um den sehr viel größeren Fall eines massiven Kreditbetrugs. Demnach soll Trump den Wert seiner Unternehmungen zur Sicherung günstiger Konditionen gegenüber den Banken aufgeblasen haben, während er sich vor dem Finanzamt arm rechnete.
Im Raum stehen auch die Schweigegeld-Zahlungen an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels, für die Trumps Hausanwalt Michael Cohen ins Gefängnis ging. Den Plan für die Zahlung der 420 000 US-Dollar hat laut Cohen kein anderer als Allen Weisselberg ausgeheckt. Im Auftrag seines Chefs, der damals Anlauf auf das Weiße Haus genommen hatte.