„Reform der verpassten Chancen“
ADR-Kongress befasst sich mit der geplanten Verfassungsrevision
Beim gestrigen ADR-Nationalkongress dominierte ein einziges Thema: die Verfassungsreform und der Ärger der ADR über die Regierungsparteien und die CSV. In einer Resolution, die einstimmig von den gut 100 Parteimitgliedern angenommen wurde, macht die ADR ihrem Unmut Luft.
Neue Verfassung ohne Referendum Anders als von den vier Parteien in ihren Wahlprogrammen angekündigt, soll die neue Verfassung, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, nun ohne Bürgerbefragung, also ohne Referendum, umgesetzt werden. „Die vier Parteien brechen ihr Wahlversprechen von 2018“, stellte ADR-Präsident Jean Schoos fest. „Außerdem heißt es, die Verfassung werde lediglich punktuell angepasst. Tatsächlich wird sie komplett umgekrempelt. Und da soll niemand mitreden dürfen?“, meinte Schoos. Die ADR besteht darauf, dass ein Referendum stattfindet und vorab „öffentlich, kontrovers und transparent über die Reform diskutiert“wird. Die Legitimität einer Verfassung sei nur dann gegeben, wenn die Bürger sich via Referendum dafür aussprechen. „Allein der Wähler hat darüber zu entscheiden“, so Schoos.
Arbeit hinter verschlossenen Türen Inhaltlich ist die ADR mit einer ganzen Reihe von geplanten Neuerungen einverstanden, darunter die Stärkung der Luxemburger Sprache, die Stärkung der Rechte des Parlaments sowie die Möglichkeit, mit nur einem Drittel der Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss einrichten zu können. Was der ADR nicht gefällt, ist, „dass die Arbeiten an der Verfassung hinter verschlossenen
Türen stattfinden“. Die ADR wirft den vier Parteien vor, die Öffentlichkeit „bewusst“und „vorsätzlich“nicht informieren zu wollen. Zudem seien viele unmittelbar betroffene Instanzen, wie zum Beispiel das Gemeindesyndikat Syvicol, gar nicht gehört worden. Zwar habe der Vorsitzende der Verfassungskommission, Mars Di Barolomeo (LSAP), den Mitgliedern der Kommission mitgeteilt, dass eine Informationskampagne stattfinden werde. „Wir befürchten allerdings, dass diese sehr einseitig sein wird“, sagte der Abgeordnete Fernand Kartheiser.
Probleme und Gefahren
Die ADR sieht in der neuen Verfassung eine Reihe von Problemen
und Gefahren. Die größte Gefahr sei der Umstand, dass die Verfassung zu einem politischen Instrument für politische Ziele gemacht werde. Das sei nicht der Sinn einer Verfassung. Die Einführung von solchen politischen Staatszielen – Klimaneutralität, Erhalt der Biodiversität, Recht auf Wohnen – berge die Gefahr, die Grundrechte der Bürger einzuschränken. Zudem verzichte das Land auf Souveränitätsrechte zugunsten der Europäischen Union.
Ausländerwahlrecht
Nach Ansicht der ADR schwächt die neue Verfassung die Rolle des Großherzogs, die Rolle der Familie und es werde versucht, das Ausländerwahlrecht durch die Hintertür
einzuführen, um so das Ergebnis des Referendums von 2015 zu umgehen. Das „gescheiterte“Referendum von 2015 sei dann wohl auch der Grund, warum die Regierungsparteien ein Referendum über die Verfassung ablehnen.
Was die ADR vermisst
Kartheiser sprach von einer Revision der verpassten Chancen, weil Möglichkeiten für „wirkliche institutionelle Verbesserungen“ungenutzt geblieben seien. Die ADR vermisst in der neuen Verfassung zum Beispiel das „Recht auf Leben“, eine Reform des Wahlsystems, mehr direkte Bürgerbeteiligung (Referenden) oder noch einen direkten Zugang für alle Bürger zum Verfassungsgericht.