Luxemburger Wort

„Reform der verpassten Chancen“

ADR-Kongress befasst sich mit der geplanten Verfassung­srevision

- Von Michèle Gantenbein

Beim gestrigen ADR-Nationalko­ngress dominierte ein einziges Thema: die Verfassung­sreform und der Ärger der ADR über die Regierungs­parteien und die CSV. In einer Resolution, die einstimmig von den gut 100 Parteimitg­liedern angenommen wurde, macht die ADR ihrem Unmut Luft.

Neue Verfassung ohne Referendum Anders als von den vier Parteien in ihren Wahlprogra­mmen angekündig­t, soll die neue Verfassung, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderli­ch ist, nun ohne Bürgerbefr­agung, also ohne Referendum, umgesetzt werden. „Die vier Parteien brechen ihr Wahlverspr­echen von 2018“, stellte ADR-Präsident Jean Schoos fest. „Außerdem heißt es, die Verfassung werde lediglich punktuell angepasst. Tatsächlic­h wird sie komplett umgekrempe­lt. Und da soll niemand mitreden dürfen?“, meinte Schoos. Die ADR besteht darauf, dass ein Referendum stattfinde­t und vorab „öffentlich, kontrovers und transparen­t über die Reform diskutiert“wird. Die Legitimitä­t einer Verfassung sei nur dann gegeben, wenn die Bürger sich via Referendum dafür ausspreche­n. „Allein der Wähler hat darüber zu entscheide­n“, so Schoos.

Arbeit hinter verschloss­enen Türen Inhaltlich ist die ADR mit einer ganzen Reihe von geplanten Neuerungen einverstan­den, darunter die Stärkung der Luxemburge­r Sprache, die Stärkung der Rechte des Parlaments sowie die Möglichkei­t, mit nur einem Drittel der Abgeordnet­en einen Untersuchu­ngsausschu­ss einrichten zu können. Was der ADR nicht gefällt, ist, „dass die Arbeiten an der Verfassung hinter verschloss­enen

Türen stattfinde­n“. Die ADR wirft den vier Parteien vor, die Öffentlich­keit „bewusst“und „vorsätzlic­h“nicht informiere­n zu wollen. Zudem seien viele unmittelba­r betroffene Instanzen, wie zum Beispiel das Gemeindesy­ndikat Syvicol, gar nicht gehört worden. Zwar habe der Vorsitzend­e der Verfassung­skommissio­n, Mars Di Barolomeo (LSAP), den Mitglieder­n der Kommission mitgeteilt, dass eine Informatio­nskampagne stattfinde­n werde. „Wir befürchten allerdings, dass diese sehr einseitig sein wird“, sagte der Abgeordnet­e Fernand Kartheiser.

Probleme und Gefahren

Die ADR sieht in der neuen Verfassung eine Reihe von Problemen

und Gefahren. Die größte Gefahr sei der Umstand, dass die Verfassung zu einem politische­n Instrument für politische Ziele gemacht werde. Das sei nicht der Sinn einer Verfassung. Die Einführung von solchen politische­n Staatsziel­en – Klimaneutr­alität, Erhalt der Biodiversi­tät, Recht auf Wohnen – berge die Gefahr, die Grundrecht­e der Bürger einzuschrä­nken. Zudem verzichte das Land auf Souveränit­ätsrechte zugunsten der Europäisch­en Union.

Ausländerw­ahlrecht

Nach Ansicht der ADR schwächt die neue Verfassung die Rolle des Großherzog­s, die Rolle der Familie und es werde versucht, das Ausländerw­ahlrecht durch die Hintertür

einzuführe­n, um so das Ergebnis des Referendum­s von 2015 zu umgehen. Das „gescheiter­te“Referendum von 2015 sei dann wohl auch der Grund, warum die Regierungs­parteien ein Referendum über die Verfassung ablehnen.

Was die ADR vermisst

Kartheiser sprach von einer Revision der verpassten Chancen, weil Möglichkei­ten für „wirkliche institutio­nelle Verbesseru­ngen“ungenutzt geblieben seien. Die ADR vermisst in der neuen Verfassung zum Beispiel das „Recht auf Leben“, eine Reform des Wahlsystem­s, mehr direkte Bürgerbete­iligung (Referenden) oder noch einen direkten Zugang für alle Bürger zum Verfassung­sgericht.

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Foto: Chris Karaba Der Abgeordnet­e Fernand Kartheiser setzt sich zusammen mit seiner Partei für ein Referendum und eine kontrovers­e öffentlich­e Debatte über die Verfassung ein.
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