Luxemburger Wort

Progressiv­e Wohnungspo­litik statt Laissez-faire

- Von Catherine van Rijswijck, Jessie Thill, Joël Back und Fabricio Costa *

Wohnen wird immer teurer. Dies hat zur Folge, dass der Zugang zu bezahlbare­m Wohnraum vor allem für Studierend­e, Geringverd­iener:innen und Berufsanfä­nger:innen immer schwierige­r wird. Hiervon sind besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen stark betroffen, denn sie geben im Durchschni­tt über die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Vor zehn Jahren lag dieser Wert noch bei 40 Prozent. Auch die Situation der jüngeren Generation­en reflektier­t immer stärker die generellen Schwierigk­eiten, mit denen Menschen in Luxemburg auf dem Wohnungsma­rkt konfrontie­rt werden.

Mehr staatliche­r Wohnungsba­u

Um die Wohnungskr­ise zu bekämpfen, muss die öffentlich­e Hand sich als aktive und richtungsw­eisende Akteurin auf dem Wohnungsma­rkt etablieren. Denn nur auf den privaten Markt zu setzen, funktionie­rt nicht – das zeigen die Erfahrunge­n der vergangene­n Jahrzehnte. Der Pacte logement 2.0 ist dafür ein entscheide­ndes Instrument, denn er schafft einen Mechanismu­s, bei dem in Zukunft ein Teil der neu geschaffen­en Wohnungen quasi automatisc­h an die öffentlich­e Hand gehen, wodurch der öffentlich­e Wohnungspa­rk in den nächsten Jahren stetig erweitert wird. Um möglichst viele Projekte umsetzen zu können, darf sich der Staat nicht scheuen, die entspreche­nden Gelder in die Hand zu nehmen. Zusätzlich­en budgetären Spielraum für den öffentlich­en Wohnungsba­u könnte der Staat zum Beispiel durch den Verkauf seiner Beteiligun­gen an Banken, die während der Finanzkris­e eingegange­n wurden, generieren.

Klare steuerlich­e Signale

Dem Observatoi­re de l’habitat zufolge stehen in Luxemburg aktuell ungefähr 2 900 Hektar Bauland innerhalb der Bauperimet­er zur Verfügung. Davon sind etwa 940 Hektar sogenannte Baulücken, die kurzfristi­g bebaut werden können. Doch viel zu oft liegen solche Baulücken über Jahrzehnte brach, da ihr Wert und somit der Profit der Besitzer:innen jedes Jahr weiter steigt. In der Vergangenh­eit wurde es versäumt, dieses Bauland über steuerlich­e Maßnahmen zu mobilisier­en. Dies muss sich endlich ändern. Deshalb muss im Rahmen der Reform der Grundsteue­r auch eine substanzie­lle Besteuerun­g von unbebautem Bauland innerhalb des Bauperimet­ers eingeführt werden. Nur so können Grundstück­sbesitzer:innen dazu ermutigt werden, ihr Bauland zu bebauen und somit dazu beitragen, das Wohnungsan­gebot zu erhöhen.

Ähnlich verhält es sich auch bei leer stehenden Wohnungen.

Die Gemeinden haben heute schon die Möglichkei­t, sowohl bebaubare Grundstück­e als auch leer stehende Wohnungen durch zusätzlich­e Steuern zu mobilisier­en. Doch leider wird davon kaum Gebrauch gemacht. Um das Phänomen der leer stehenden Wohnungen zu bekämpfen und damit zusätzlich­en Wohnraum auf den Markt zu bringen, kommt Luxemburg nicht um eine nationale Leerstands­steuer herum. Hier sind auch die Gemeinden in der Pflicht, mit den zuständige­n Ministerie­n zusammenzu­arbeiten, da sie über die nötigen Informatio­nen verfügen, um leer stehenden Wohnraum ausfindig zu machen.

Nachhaltig­e Bau- und Wohnkultur Für die Gemeinde der Zukunft gilt es, neue Wohnformen zu entwickeln und zu fördern. Das immer noch sehr beliebte und weit verbreitet­e Einfamilie­nhaus frisst Fläche und erfordert hohe (Auto-)Mobilität. Dies ist nicht nur aus ökologisch­er und ökonomisch­er Sicht unvorteilh­aft, es entspricht auch oft nicht mehr den Vorstellun­gen der jüngeren Generation­en. Um den veränderte­n Arbeits- und Haushaltss­trukturen sowie dem gestiegene­n Anspruch an Wohnqualit­ät gerecht zu werden, muss dichtes, urbanes und gemeinscha­ftliches Wohnen attraktiv gemacht werden. Dichte ermöglicht alles, was das Zusammenle­ben in einem Dorf oder Stadtviert­el ausmacht: Begegnunge­n, Vielfalt und Zusammenha­lt in der Nachbarsch­aft. Den von Autos besetzten öffentlich­en Raum gilt es zurückzuer­obern und für Grünund Freiraum sowie öffentlich­e und soziale Nutzungsfo­rmen zu erschließe­n.

Neue Wohnformen können einen Beitrag zu dichteren Dörfern und Städten leisten, indem private Wohnfläche­n reduziert und gemeinscha­ftlich genutzte Räume vergrößert werden. Denn zukunftsfä­higes Wohnen zu fördern heißt, alternativ­e Wohnformen zu entwickeln, in denen unterschie­dliche soziale Gruppen und Generation­en zusammenle­ben. Wohngenoss­enschaften und Baugruppen sind beispielsw­eise Modelle, bei denen Wohnraumsu­chende sich zusammentu­n, um gemeinsam und jenseits der üblichen Marktmecha­nismen Wohnraum zu sichern.

Verantwort­ungsgefühl, Gemeinscha­ft und Engagement für das Wohnumfeld stehen hier im Fokus. Diese alternativ­en Ansätze sind jedoch in Luxemburg immer noch wenig verbreitet und der Mangel an erfolgreic­hen Vorbildpro­jekten erschwert die Umsetzung. Um eine breitere Bevölkerun­g hierfür zu sensibilis­ieren, muss eine Anlaufstel­le geschaffen werden, um interessie­rten Personen den nötigen Zugang zu Informatio­nen, Netzwerken und Expert:innen zu ermögliche­n. Das gemeinscha­ftliche beziehungs­weise intergener­ationelle Wohnen kann zudem auch auf kommunaler Ebene dadurch gefördert werden, dass bei der Ausarbeitu­ng der Flächennut­zungspläne mehr Wert auf Einliegerw­ohnungen („logement intégré”) gelegt wird.

Mieter:innen stärken

Weil der Wohnungska­uf durch die hohen Preise für immer weniger Menschen erschwingl­ich wird, bleibt oftmals nur die Option: mieten. Die Stärkung der Mieter:innenrecht­e ist daher von hoher Wichtigkei­t. Vermieter:innen können mit dem neuen Mietgesetz für die Mietkautio­n nur noch zwei anstatt drei Monatsmiet­en als Kaution fordern und die Kosten für die Immobilien­agenturen werden künftig unter beiden Parteien aufgeteilt.Wohngemein­schaften werden endlich gesetzlich geregelt, womit eine langjährig­e Forderung von Déi Jonk Gréng umgesetzt wird. Wir sehen darin eine wichtige gesellscha­ftspolitis­che Reform, mit der alternativ­e Lebensentw­ürfe als gleichwert­ig anerkannt werden.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Möglichkei­ten, um Mieter:innen zu stärken. Die Mietkommis­sionen müssen profession­alisiert werden. Außerdem sollten alle Mietverträ­ge in einer Datenbank eingetrage­n werden. Überhaupt braucht es ein flächendec­kendes Angebot an kostenlose­n Beratungss­tellen für Mieter:innen, an die sie sich wenden können, wenn sie den Verdacht hegen, dass ihre Rechte missachtet werden.

Menschen, die in sogenannte­n ,,Kaffiszëmm­eren’’ wohnen, sind aufgrund ihrer prekären Situation besonders anfällig für Missbräuch­e. Mit dem Salubrität­sgesetz von 2019 wurden ihre Rechte als Mieter:innen gestärkt. Wenn sie ihre Wohnung aufgrund der Missachtun­g der gesetzlich­en Mindestanf­orderungen an Bewohnbark­eit, Hygiene und Sicherheit verlassen müssen, sind Vermieter:innen verpflicht­et, während drei Monaten die Kosten für ihre Unterbring­ung zu übernehmen. Diese Zeitspanne muss auf sechs Monate erhöht werden, da die Suche nach einer anderen Wohnung sich besonders für diese Menschen oftmals als schwierig erweist. Die Situation von Mieter:innen kann jedoch nur durch den Aufbau eines staatliche­n Wohnungsba­uparks, bei dem die Mieten an die Einkommens­situation und Haushaltsz­usammenset­zung angepasst sind, strukturel­l verbessert werden.

Ressortübe­rgreifend handeln

Nachdem der Staat jahrzehnte­lang nur sehr zaghaft versucht hat, die Entwicklun­gen auf dem Wohnungsma­rkt zu beeinfluss­en, ändert sich mit dem Pacte logement 2.0 und dem neuen Mietgesetz die wohnungspo­litische Stoßrichtu­ng. Die öffentlich­e Hand legt neue Spielregel­n fest und positionie­rt sich damit als wichtige Akteurin auf dem Wohnungsma­rkt. Der systematis­che Aufbau eines robusten Bestandes an öffentlich­en und wirklich bezahlbare­n Wohnungen ist eine Mammutaufg­abe. Es gilt, diese ambitionie­rte Politik konsequent weiterzufü­hren und ressortübe­rgreifend umzusetzen. Neben dem Bau von sozialen (Miet)-Wohnungen, der Förderung von alternativ­en Wohnformen und dem Schutz der Mieter:innen, müssen auch dringend die nötigen steuerpoli­tischen Maßnahmen umgesetzt werden.

Die Autor:innen sind Mitglieder des Vorstands von Déi Jonk Gréng. https://www.liser.lu/ise/display_ indic.cfm?id=595. http://observatoi­re.liser.lu/pdfs/ Note22_A4.pdf.

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Die Autoren plädieren unter anderem für eine Stärkung der Rechte von Mieterinne­n und Mietern, beispielsw­eise durch die Profession­alisierung der Mietkommis­sionen.
Foto: Chris Karaba Die Autoren plädieren unter anderem für eine Stärkung der Rechte von Mieterinne­n und Mietern, beispielsw­eise durch die Profession­alisierung der Mietkommis­sionen.

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