„Es geht um mehr als nur Vermögen“
Falk Fischer, CEO der Julius Baer Europe S.A. in Luxemburg, über die Wachstumsstrategie und Herausforderungen des Private Banking
Die Bank Julius Baer Europe S.A. feiert am 4. Juli ihr fünfjähriges Bestehen in Luxemburg. In den vergangenen vier Jahren wurde die Bank in Luxemburg zum europäischen Hauptquartier der Schweizer Privatbank ausgebaut. CEO Falk Fischer spricht im LW-Interview über die Wachstumsstrategie, die Herausforderungen während der CoronaKrise und die Bedeutung nachhaltiger Anlagen im Private-Banking-Geschäft.
Falk Fischer, wie haben sich die vermögenden Kunden in der Corona-Krise verhalten?
Unsere Kunden haben sehr gut reagiert. Seit März letzten Jahres arbeitet der Großteil unserer Mitarbeitenden im Homeoffice, teilweise sogar bis zu 90 Prozent.
Das hat während der Corona-Pandemie gut funktioniert. Und auch unsere Kunden haben sich schnell auf die neue Situation eingestellt. Sie haben die neuen Technologien ebenso schnell angenommen. Seit Beginn der Corona-Krise, als alle noch im Lockdown waren, hat der Kontakt zwischen unseren Beratern und unseren Kunden deutlich zugenommen. Selbst Kunden, die bisher noch kein großes Interesse an digitaler Kommunikation hatten, haben sich schnell an die neuen Gegebenheiten angepasst. Der Kundenkontakt hat sich also dank neuer Technologien deutlich intensiviert und das hält bis heute an.
Wie spiegelt sich das in der Vermögensverwaltung wieder? Wie ist das Corona-Jahr 2020 bisher für Ihr Haus gelaufen?
Die Covid-19-Pandemie hatte keinen negativen Einfluss auf das Geschäft, weder bei den verwalteten Vermögen noch bei anderen Kennzahlen. Wir sind im vergangenen Jahr sehr gut gewachsen und auch in den ersten Monaten dieses Jahres sind die verwalteten Vermögen weiter gestiegen.
Können Sie uns ein Paar Kennzahlen nennen?
Die verwalteten Vermögen (Assets under Management AuM) der Gruppe lagen Ende April bei 470 Milliarden Franken gegenüber 434 Milliarden Franken Ende 2020.
Die adjustierte Cost/Income Ratio belief sich auf rund 60 Prozent, nachdem sie im Gesamtjahr 2020 noch bei 66,4 Prozent gelegen hatte. Das Return on assets auf Gruppenebene liegt bei 90 Basispunkte. Das ist eine sehr solide finanzielle Basis und auch die Bank Julius Baer Europe in Luxemburg hat zu diesem Ergebnis beigetragen, da wir in unserer Rolle als europäischer Hub stark gewachsen sind.
Wie ist Julius Baer Europe derzeit in Luxemburg aufgestellt?
Wir haben als Julius Bär eine der ältesten Banklizenzen einer EU-Tochtergesellschaft in Luxemburg. Diese stammt nämlich von 1969, von der vormaligen Commerzbank. Im Jahr 2013 hat Julius Baer das Private Banking Geschäft von Merrill Lynch übernommen. Damit entstand auch hier in Luxemburg ein Advisory Office, aber noch keine Bank. Die Bank entstand erst 2016 durch die Übernahme der Commerzbank. Dadurch bekam Julius Baer in Luxemburg eine europäische Banklizenz, mit dem Ziel, einen europäischen Hub, also ein Zentrum für international orientierte und in der EU ansässige Kunden zu etablieren. Das ist hier in Luxemburg der entscheidende Punkt gewesen. Die Schweizer Banken haben ja keinen Zugang zum europäischen Markt und brauchen daher eine Bank mit Lizenz, IT-Plattform und europäischem BankenPass. Das ist 2016 hier entstanden.
Die Luxemburger Bank dient also der Schweizer Gruppe als Eintrittstor in die Europäische Union.
Wir haben derzeit drei verschiedene Rollen. Wir sind ein Geschäftszentrum mit Kundenberatern in Luxemburg und in unseren Filialen in Spanien und in Irland. Wir bieten weiterhin Produktund Servicedienstleistungen an, weil diese Produkte und Dienstleistungen aus der Schweiz EU-konform sein müssen. Diese zweite Rolle nimmt stark an Bedeutung zu, besonders auch im Zusammenhang mit nachhaltigen Investments. Und drittens sind wir eines von drei Technologiezentren innerhalb der Julius Bär Gruppe. Es gibt ein solches Zentrum in Asien, eins in der Schweiz und eins in Luxemburg. Wir liefern die Technologie-Plattform für unsere Filialen, aber auch für unsere Schwesterbank in Monaco.
Anfang Februar kam ein weiterer Schritt in der Wachstumsstrategie der Bank Julius Baer Europe S.A. in Luxemburg dazu: Das spanische Advisory office wurde in eine Bankniederlassung der Julius Baer Europe S.A. umgewandelt.
Welche Ziele haben Sie für Ihr Geschäft am Standort Luxemburg gesetzt?
Als wir Anfang 2016 den European Hub gründeten, war das noch eine sehr kleine Tochtergesellschaft. Dann haben wir das Geschäft in der Europäischen
Union ausgebaut. Wir haben auch Vermögen von Kunden aus der Europäischen Union in Luxemburg konzentriert. Außerdem ist das Geschäft in den letzten Jahren immer prozentual zweistellig gewachsen. Die Julius Baer Gruppe hat in Luxemburg sehr stark investiert, sowohl in Technologie als auch in Mitarbeitende. Wir sind 2016 mit 150 Mitarbeitern gestartet, und heute sind wir fast 300. Die Julius Baer Gruppe wird auch weiterhin in Luxemburg investieren, wobei weitere Filialen in der Europäischen Union natürlich auch möglich sind.
Es werden also noch Filialen hinzukommen?
Es ist eine Managementaufgabe, kontinuierlich zu prüfen, ob und wo weitere Standorte im europäischen Ausland sinnvoll sind und Wert generieren. Wir merken, dass die Kunden in der Europäischen Union sehr stark unterscheiden zwischen Beratung und Buchung. Die Buchung verwalteten Vermögens aus der Europäischen Union geschieht bei uns in Luxemburg. Die Rahmenbedingungen für ein solches Buchungszentrum sind hier ideal und wir arbeiten dadurch sehr effizient. Gleichzeitig arbeiten wir eng und persönlich mit unseren Kunden zusammen, deshalb sind lokale Standorte wichtig für uns. Julius Bär ist in über 20 Ländern und an mehr als 50 Standorten präsent.
Luxemburg ist für uns „The Place to be“.
Die Strategie mit dem Standort Luxemburg als European Hub war also die richtige?
Luxemburg ist für uns „The Place to be“, aus einem ganz einfachen Grund: Wir brauchen einen internationalen Finanzplatz, denn wir haben internationale Kunden aus der europäischen Union. Wir brauchen einen internationalen Finanzplatz mit einem international denkenden Regulator, einer international denkenden Regierung und international denkenden Beratungsfirmen. Wir brauchen die internationalen Firmen im Rechtsanwalt- und system. Und das alles finden wir hier in Luxemburg. Ich sage nicht, dass es in Frankfurt oder Paris schlechter wäre. Nur Frankfurt wäre Deutsch und Paris Französisch. Wir aber brauchen eine internationale Umgebung um unsere Kunden bestmöglich beraten zu können.
Wo sehen Sie denn die größte Herausforderung für Julius Baer?
Die größte Herausforderung im Private Banking ist der Zugang zu hoch ausgebildeten Mitarbeitern, zu Talenten. Wir müssen hier in Luxemburg sicherstellen, dass wir gut qualifiziertes Personal bekommen.
Die größte Herausforderung im Private Banking ist der Zugang zu hoch ausgebildeten Mitarbeitern.
geworden, wir drucken nicht mehr, es läuft alles online. Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine ganz bedeutende Rolle. Wir wollen unser fünfjähriges Bestehen in Luxemburg daher auch mit diesem Thema verbinden. Um unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und nachfolgenden Generationen gerecht zu werden, werden wir anlässlich unseres fünften Jubiläums 5 000 Bäume pflanzen. Auch unsere Mitarbeiter erhalten anlässlich der Feierlichkeiten je einen Baum, die dann hoffentlich zu einem „Bank Julius Baer Europe Firmenwald“zusammenwachsen und damit Aufforstungsprojekte mit sozialer Wirkung unterstützen. Wir sind überzeugt, dass das Pflanzen von Bäumen ein erster Schritt ist, der hilft, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Gleichzeitig befähigt es die lokale Bevölkerung, ihre eigenen Ressourcen nachhaltig zu nutzen und baut so ein neues Modell der globalen Zusammenarbeit auf. Für die Bank ist es wichtig, dass wir der Gesellschaft etwas
Was Luxemburg heute braucht ist Wissen und Qualität.
zurückgeben. Wir müssen uns die Frage stellen: „Wozu sind wir eigentlich da?“Also geht es uns nicht nur um die Verwaltung von Vermögen – es geht um viel mehr. Es geht um gesellschaftliche Verantwortung, um Nachhaltigkeit, um Diversifizierung und um Diversity.
Wie wichtig ist denn das Thema Sustainability für ihre Kunden?
Das Thema Nachhaltigkeit wird für Banken immer wichtiger. Viele denken, dass Nachhaltigkeit und ESG eine neue Regulierung sind wie etwa MIFID und andere Richtlinien. Das aber ist es (noch) nicht! Nicht die Regulatorik ist der Treiber, sondern die Kunden. Wenn man heute noch die Diskussion führt „Welche nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen bietet die Bank an?“, dann wird sich diese Frage künftig umdrehen. Die Kunden werden fragen: „Bietet Ihr immer noch Produkte und Dienstleistungen an, die nicht nachhaltig sind?“Es wird sich also drehen und der Druck, im positiven Sinne, geht vom Kunden aus und nicht von der Regulatorik.
Wird dieser Druck durch die Corona-Krise noch verstärkt?
Die Kunden beschäftigen sich damit, das hängt allerdings auch sehr stark von den jeweiligen Ländern ab. Manche Länder in der Europäischen Union sind in der Denkstruktur zum Thema Nachhaltigkeit schon weiterentwickelt. Kunden aus diesen Ländern stellen uns natürlich diese Fragen und es geht auch um den Aspekt, wie Julius Baer zur gesellschaftlichen Entwicklung beiträgt. Der zielorientierte und nachhaltige Ansatz dürfte weiter an Aufmerksamkeit und Volumen gewinnen – gerade im Private Banking.