Von „LuxLeaks“zu „LuxLetters“
Vorwurf: Luxemburg umgeht Austausch von Steuerinformationen
Seit der dritten EU-Richtlinie über die Zusammenarbeit der Steuerbehörden besteht in der EU die Pflicht, grenzüberschreitende Steuervorbescheide und ähnliche Vereinbarungen mit anderen Ländern auszutauschen.
„Findige Berater und luxemburgische Behörden“, heißt es am Donnerstagabend auf sueddeutsche.de, hätten einen Ausweg gefunden: Unternehmen würden „mit Zutun der luxemburgischen Behörden“ein Schlupfloch nutzten, mit dem geltende EU-Regularien umgangen werden können. Das zeigten Recherchen der Süddeutschen Zeitung, der französischen Zeitung Le Monde, von El Mundo aus Spanien, der Luxemburger Woxx und dem Investigative Reporting Project Italy.
Ein Rückblick: 2014 hatten Journalisten enthüllt, wie multinationale Unternehmen im Großherzogtum ihre Abgaben durch vorteilhafte Steuerdeals merklich reduzieren konnten. Nach den Veröffentlichungen, in der Presse als „LuxLeaks“bezeichnet, sollten Konzerne es schwer haben, über Luxemburg weniger Steuern zahlen zu müssen. Finanzminister Pierre Gramegna versprach damals mehr Transparenz mit dem Ziel, dass Firmen nicht mehr ermöglicht bekommen, die Steuerlast mit komplizierten Firmenkonstruktionen, Verschachtelungen und Geldtransfers massiv zu drücken. Das, so der Vorwurf der genannten Medien, werde nun umgangen.
Statt der bekannten Steuervorbescheide („Rulings“), die mit anderen Ländern geteilt werden müssten, würde das Luxemburger Finanzministerium nun durch „Informationsbriefe“(„LuxLetters“) von Firmen über deren Steuervermeidungskonstruktionen informiert. Ein Stillschweigen der Behörde würde dann „grünes Licht“für die Steuervermeidungsstrategie bedeuten. Als Quelle werden Aussagen „aktueller und früherer Mitarbeiter von Steuerberatungsfirmen“genannt. Damit habe sich die Luxemburger Steuerpolitik einmal mehr zum Gehilfen der Steuervermeidungsindustrie gemacht, kritisiert Markus Meinzer von der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network.
Steuerberater und Beamte würden sich gar persönlich treffen, um die beabsichtigten Steuervermeidungstricks zu besprechen. Dieser „informelle Austausch“, so Le Monde, könne „zu mündlichen Genehmigungen führen.“Unklar sei, so die Süddeutsche,
„wie weit verbreitet die Praxis“mit den Informationsbriefen sei.
Europaparlament soll sich damit befassen
„Die internationale Recherche zeigt: Luxemburg hat nach dem LuxLeaks Skandal einfach im Verborgenen weitergemacht”, meint Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament gestern in einer ersten Reaktion auf die Medienberichte. Luxemburgs Haltung in Steuerfragen habe sich trotz etlicher Skandale kaum verändert. Das Großherzogtum umgehe Vorgaben zum automatischen Informationsaustausch sowohl in der EU als auch auf OECD-Ebene.
Der Europapolitiker kündigt an, die „LuxLetters“zum Thema der nächsten Plenardebatte zur Steuerkooperation zwischen den Mitgliedstaaten zu machen und entsprechende Änderungsanträge im Europaparlament einzubringen.
Das Luxemburger Finanzministerium weist die Anschuldigungen und die Behauptung, es gäbe eine Art Verwaltungspraxis mit so genannten Informationsschreiben, zurück. Die aufgestellten Beschuldigungen seien „falsch und völlig unbegründet“, so das Ministerium.
Im Gegensatz zu den Aussagen in den Medienberichten gebe es in Luxemburg kein Informationsschreiben, das stillschweigend die Situation eines Steuerzahlers oder eines mündlichen Steuerbescheids bestätigt. Alle Steuervereinbarungen der luxemburgischen Steuerverwaltung seien schriftlich und damit verbindlich. Die Vorstellung von stillschweigend gebilligten informellen Schreiben sei „das genaue Gegenteil von Rechtssicherheit und wäre daher für einen Steuerberater oder seinen Mandanten von absolut keinem Wert“, erklärt das Finanzministerium.
Luxemburg sei voll im Einklang und konform mit allen EU- und internationalen Vorschriften und Transparenzstandards in Steuerangelegenheiten und wende alle bestehenden Regeln im Bereich des Informationsaustauschs in Steuerangelegenheiten und insbesondere in Bezug auf Steuervorbescheide an.