Auf dem Zahnfleisch
Personal des Remicher Jousefshaus klagt über unbesetzte Stellen in der Pflege und lange Entscheidungswege
Remich. Bei den Beschäftigten des Altenheims Jousefshaus macht sich Unzufriedenheit mit der Führung des aus Gemeindepolitikern bestehenden Verwaltungsrats breit. Die Mitarbeiter seien durch langwierige Entscheidungsprozesse und den überall zu spürenden Personalmangel ausgelaugt, heißt es von der Personaldelegation. Verwaltungsratspräsident und Schöffe Mike Greiveldinger hatte letzte Woche gesagt, der Mangel sei auf krankheitsbedingte Ausfälle zurückzuführen. Das will Thomas Hellbrück, Präsident der Personaldelegation, nicht so stehen lassen. Hellbrück hat nachgerechnet: „Im Juli 2019 waren wir noch 167 Mitarbeiter. Im Juni 2021 sind wir bei 135 angekommen. Da sieht man ganz klar, dass frei gewordene Stellen nicht besetzt wurden.“
Unbesetzte Stellen
Besonders im Kernbereich des Altenheims, nämlich in der Pflege, fehlt es an Arbeitskräften. 12,5 Vollzeitstellen sind laut Personaldelegation zurzeit vakant – Pflegerinnen und Pfleger, Pflegehelfer und zwei Therapeuten. Besonders schwerwiegend: Seit dem 1. Januar ist die Stelle des Pflegedienstleiters („Chef de service soins“) – einer Schlüsselfunktion für die Betreuung der Senioren – nicht mehr besetzt. Auch bei den Reinigungskräften lichten sich die Reihen. Im Sommer 2019 waren in diesem Bereich 26 Mitarbeiter tätig, jetzt sind es noch 13.
„Wir gehen hier auf dem Zahnfleisch“, meint Christina Plozner, Vizepräsidentin der Personaldelegation. Die Abgänge seien vor allem darauf zurückzuführen, dass Mitarbeiter in Rente gegangen seien oder das Jousefshaus von sich aus verlassen hätten.
Hinzu kommt noch ein hoher Krankenstand, fügt die scheidende Generaldirektorin Blanche Wiot hinzu. „Da sehen wir die Folgen der Pandemie. Die Leute sind erschöpft, weil wir schon vor der
Pandemie mit einem Minimum an Personal gearbeitet haben. Als Corona kam, fielen immer wieder Pflegekräfte aus, weil sie sich in Quarantäne befanden oder positiv getestet waren.“
Für Blanche Wiot ist es unbestreitbar, dass die Qualität der Betreuung und Pflege durch den hohen Krankenstand leidet. „Sie leidet aber auch, weil wir so knapp mit dem Personal sind. Es gibt manche Pflegekräfte, die pro Monat an drei Wochenenden arbeiten müssen.“
Gemeindesekretär übernimmt
Blanche Wiot hat das Jousefshaus als Generaldirektorin seit Juli 2019 geführt. Sie verlässt das Altenheim auf eigenen Wunsch und aus persönlichen Gründen. Am Mittwoch erfuhren die Beschäftigten, dass Gemeindesekretär Yves Gorges ab dem 1. Juli die Leitung des Altenheims als Interims-Direktor übernimmt.
„Entscheidungen werden nicht mehr im Haus getroffen“: Thomas Hellbrück.
Blache Wiot widerspricht außerdem der Darstellung des Verwaltungsratspräsidenten Mike Greiveldinger, der vorgeschriebene Personalschlüssel in der Pflege werde eingehalten. „Zurzeit liegen wir unter diesem Schlüssel“, sagt sie.
Während der zwei Jahre als Leiterin des Altenheims hätte sie gerne etwas an der angespannten Personalsituation
Derzeit befindet sich der Verwaltungsrat in Verhandlungen mit Servior, die das Jousefshaus übernehmen wollen. Die Beschäftigten des Hauses empfinden die Übernahme zu weiten Teilen positiv, unterstreicht Christina Plozner. In der größeren Struktur sehen sie Chancen, Arbeitsabläufe professioneller zu gestalten und die Ausstattung zu verbessern, meint sie. Thomas Hellbrück ergänzt: „Viele denken, sie könnten sich bei Servior beruflich entwickeln, Weiterbildungen in Anspruch nehmen und sich an der Arbeitsweise in anderen Häusern inspirieren.“
Dem landesweit größten Altenheimbetreiber dürfte die Übernahme nicht zuletzt durch die verbesserte finanzielle Lage des Jousefshaus schmackhaft werden. Nach langen Jahren, in denen das Altenheim ein Defizit schrieb, steht für 2020 nun dem Vernehmen nach ein Gewinn von 800 000 Euro in den Büchern.