„Keinen Sinn weiterzufahren“
Der Tour-Zweite aus dem Vorjahr, Primoz Roglic, hat nach seinen schweren Sturzverletzungen aufgegeben
Für Mitfavorit Primoz Roglic (Jumbo) ist die Tour der Leiden vorbei. „Es macht keinen Sinn weiterzufahren. Ich hatte große Schmerzen. Ich bin enttäuscht. So habe ich es nicht geplant, aber ich muss es akzeptieren“, sagte der slowenische Sieganwärter und packte gestern die Koffer. Einen Tag zuvor hatte der unglückliche Vorjahreszweite im Gruppetto de Luxe an der Seite seines ebenfalls schwer gezeichneten Rivalen Geraint Thomas (Ineos) noch Abschied von der 108. Frankreich-Rundfahrt genommen.
Seit April bereitete sich Roglic speziell auf die Tour vor. Immer mit dem Ziel, die Rechnung aus dem Vorjahr, als ihm am vorletzten Tag auf so bittere Weise durch Landsmann Tadej Pogacar das Gelbe Trikot entrissen wurde, endlich zu begleichen.
Doch ein schwerer Sturz auf der dritten Etappe machte das Unterfangen unmöglich. Starke Schmerzen am Steißbein sowie Prellungen
und Hautabschürfungen am ganzen Körper setzten Roglic zu, jeder Tritt war eine Qual.
„Ich habe nur versucht durchzukommen, habe gar nicht mehr auf Paris geschaut. Nach ein paar Tagen habe ich gemerkt, dass es mich nirgendwohin führt. Eine schwere Rundfahrt ist momentan zu viel für meinen Körper“, erklärte Roglic und kündigte an, sich neue Ziele zu setzen. Die Olympischen Spiele in Tokio dürften dabei ganz oben auf seiner Agenda stehen. Ähnliches hat auch Poulidor-Enkel Mathieu van der Poel (Alpecin) im Sinn. Der Niederländer, der sechs Tage in Gelb gefahren war, beendete gestern ebenfalls das Rennen, um in Tokio in Topform auf dem Mountainbike teilnehmen zu können.
Nicht das einzige Sturzopfer
Roglic ist der große Pechvogel des Radsports. Immer wieder wird der frühere Skispringer durch Stürze um den Lohn der Arbeit gebracht. So wie bei Paris-Nice in diesem Jahr. Oder bei seinem dritten Gesamtrang beim Giro d'Italia 2019, als er vor der Königsetappe durch einen Crash wertvolle Zeit verlor. Aber Roglic ist bei der Tour 2021 bei weitem nicht das einzige prominente Sturzopfer. „Rien ne va plus – nichts geht mehr“, hieß es am Samstag auch für Thomas, der genauso wie Roglic und VierfachChampion Chris Froome (Israel Start-up Nation) im Gruppetto das Ziel erreichte.
Die Sprinter dürften nicht schlecht gestaunt haben, wer sich da alles in ihren Kreis der Abgehängten gesellte. Thomas, Roglic und Froome vereinen zusammen zehn große Rundfahrt-Siege auf sich und standen eigentlich für großes Spektakel in den Bergen.
„Der Sturz hat mehr Moral gekostet, als ich dachte. Nach all dieser harten Arbeit seit Januar sind 35 Minuten Rückstand mit den Sprintern nicht das, was ich wollte“, berichtete Thomas. Der Waliser kugelte sich auf der dritten Etappe die Schulter aus.
Auch sein früherer Teamkollege Froome quält sich nach einem Sturz gleich zum Tour-Auftakt über die Landstraßen, wenngleich er nach seiner Krankenakte für eine vordere Platzierung nicht infrage gekommen wäre. „Momentan überlebe ich. Wenn ich aus dem Sattel gehe, ist es richtig ungemütlich und tiefes Atmen bereitet mir Schmerzen“, sagte Froome der „L'Equipe“. dpa