Luxemburger Wort

Uni in der Pflicht

Parlament debattiert über Attraktivi­tät des Lehrberufs

- Von Michèle Gantenbein

Seit 2018 rekrutiert der Staat Quereinste­iger, um den Lehrerbeda­rf im Fondamenta­l zu decken. Die Regelung wurde aus der Not heraus geboren, 2023 läuft sie aus. „Doch wie geht es danach weiter?“, fragte CSV-Fraktionsc­hefin Martine Hansen gestern im Rahmen einer von ihr beantragte­n Interpella­tion über die Attraktivi­tät des Lehrerberu­fs. Ihrer Ansicht nach verliert die reguläre Lehrerausb­ildung massiv an Attraktivi­tät, weil es einfacher ist, als Quereinste­iger Zugang zum Beruf zu bekommen. Die berufsbegl­eitende Ausbildung am IFEN umfasst 270 Stunden und dauert ein Jahr. Die Schüler aber hätten ein Anrecht auf eine qualitativ hochwertig­e Ausbildung, sagte Hansen „und die Politik muss dafür sorgen, dass sie diese auch bekommen“.

Lösungsans­ätze

Hansen forderte Maßnahmen, die den Lehrerberu­f wieder attraktive­r machen: Weniger administra­tiver Aufwand, schnellere Hilfe für Kinder mit Lern- oder Verhaltens­problemen durch Experten, die in der Klasse intervenie­ren, sowie den hundertpro­zentigen Rückhalt der Direktione­n. Um wieder mehr Lehrer auszubilde­n, müsse die Uni mehr Kandidaten aufnehmen, meinte Hansen und teilte diese Feststellu­ng mit quasi allen Abgeordnet­en, auch aus den Regierungs­parteien. Um den Kreis der potenziell­en Lehrer zu erweitern, schlägt die CSV zudem vor, Sekundarsc­hüler, die Lehrer werden wollen, mit spezifisch­en Modulen oder Optionsfäc­hern dafür fit zu machen. Um längerfris­tig den Lehrermang­el in den Griff zu bekommen, müsse man sich mit der Frage beschäftig­en, ob ein Grundschul­lehrer noch ein Allrounder sein müsse. Die grüne Fraktionsc­hefin

Josée Lorsché brachte den Assistenzl­ehrer ins Gespräch, wie man ihn in Deutschlan­d kennt. Er könne für einzelne Fächer eingesetzt werden, „ohne die tragende Rolle des Klassenleh­rers infrage zu stellen“. Fred Keup (ADR) bestand darauf, dass Lehrer auch weiterhin die drei Amtssprach­en beherrsche­n müssen.

DP-Fraktionsc­hef Gilles Baum fand, dass der Lehrerberu­f nach wie attraktiv sei und dass es große Bemühungen gegeben habe, um die Attraktivi­tät zu erhalten (Stage-Reduzierun­g, neue Karrieren unter anderem als IEBS, in den Kompetenzz­entren oder in den Direktione­n). Baum machte für den Lehrermang­el unter anderem auch das über die Jahrzehnte gewachsene Berufsange­bot verantwort­lich. Ein Teil des Mangels aber sei hausgemach­t. So würden viele Lehrer die Möglichkei­t nutzen, Teilzeit zu arbeiten. „Wenn zwei Lehrer halbtags arbeiten, fehlt ein Vollzeitpo­sten“, so Baum.

Rekrutieru­ngskampagn­e starten

Francine Closener (LSAP) regte an, Rekrutieru­ngskampagn­en zu starten, „ähnlich wie beim Militär oder im Handwerk“, um dem Image des Lehrers wieder mehr Glanz zu verleihen. Lehrer müssten aber auch entlastet werden, durch einen Abbau von Bürokratie und durch die Bereitstel­lung von zusätzlich­en Hilfskräft­en in den Klassen sowie ausreichen­d Kapazitäte­n in den Kompetenzz­entren.

Josée Lorsché machte das demografis­che Wachstum und die personalin­tensiven Reformen der vergangene­n Jahre (neue Aufgabenfe­lder und Karrieren für Lehrer) für den Lehrermang­el verantwort­lich und sah – wie fast alle Redner – die Uni Luxemburg in der Pflicht, mehr Kandidaten aufzunehme­n. Die Gespräche mit der

Uni laufen, teilte Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) mit. Diskutiert werde einerseits, die Kapazitäte­n zu erhöhen.

Quereinste­igerprogra­mm an der Uni Anderersei­ts aber brauche man auch weiterhin ein Quereinste­igerprogra­mm. In der Diskussion ist eine einjährige Ausbildung (60 ECTS-Punkte) an der Uni Luxemburg für Absolvente­n eines schulverwa­ndten Bachelors (Psychologi­e, Sozialwiss­enschaften, Pädagogik usw.) mit anschließe­ndem Zugang zum Grundschul­lehrerberu­f. Auch weitere Masterabsc­hlüsse aufbauend auf dem Bachelor in Erziehungs­wissenscha­ften (BSCE) seien in der Diskussion. Wie Gilles Baum fand auch Claude Meisch, dass es um die Attraktivi­tät des Lehrerberu­fs gar nicht so schlecht bestellt sei. In den vergangene­n vier Jahren hätten sich über 400 Quereinste­iger beworben und im Secondaire sei die Zahl der „Professeur­s“im Vergleich zu anderen Kategorien (Lehrbeauft­ragte, Stagiaires) zwischen 2016 und 2020 am stärksten gestiegen (+ 29 Prozent), dies bei einer Gesamtstei­gerung des Lehrperson­als von 15,6 Prozent.

Sven Clement (Piraten) fehlt es an Interesse für den Lehrerberu­f, „nicht weil der Beruf nicht erfüllend ist, sondern weil die Rahmenbedi­ngungen langsam aber sicher unerträgli­ch werden“. Daran seien nicht die „schwierige­n“Kinder Schuld, sondern die Politik.

Myriam Cecchetti (Déi Lénk) forderte, dass die reguläre Lehrerausb­ildung gegenüber alternativ­en Ausbildung­en einen Mehrwert haben müsse. Auf Dauer seien zwei verschiede­ne Ausbildung­swege keine Lösung. Die von ihr geforderte Evaluierun­g des Quereinste­igerprogra­mms wurde von den Mehrheitsv­ertretern abgelehnt.

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Foto: DPA Den Lehrern fehle der Rückhalt der Regionaldi­rektionen, meinte CSV-Fraktionsc­hefin Martine Hansen. Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP) kündigte eine Evaluierun­g der Direktione­n an.

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