Uni in der Pflicht
Parlament debattiert über Attraktivität des Lehrberufs
Seit 2018 rekrutiert der Staat Quereinsteiger, um den Lehrerbedarf im Fondamental zu decken. Die Regelung wurde aus der Not heraus geboren, 2023 läuft sie aus. „Doch wie geht es danach weiter?“, fragte CSV-Fraktionschefin Martine Hansen gestern im Rahmen einer von ihr beantragten Interpellation über die Attraktivität des Lehrerberufs. Ihrer Ansicht nach verliert die reguläre Lehrerausbildung massiv an Attraktivität, weil es einfacher ist, als Quereinsteiger Zugang zum Beruf zu bekommen. Die berufsbegleitende Ausbildung am IFEN umfasst 270 Stunden und dauert ein Jahr. Die Schüler aber hätten ein Anrecht auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung, sagte Hansen „und die Politik muss dafür sorgen, dass sie diese auch bekommen“.
Lösungsansätze
Hansen forderte Maßnahmen, die den Lehrerberuf wieder attraktiver machen: Weniger administrativer Aufwand, schnellere Hilfe für Kinder mit Lern- oder Verhaltensproblemen durch Experten, die in der Klasse intervenieren, sowie den hundertprozentigen Rückhalt der Direktionen. Um wieder mehr Lehrer auszubilden, müsse die Uni mehr Kandidaten aufnehmen, meinte Hansen und teilte diese Feststellung mit quasi allen Abgeordneten, auch aus den Regierungsparteien. Um den Kreis der potenziellen Lehrer zu erweitern, schlägt die CSV zudem vor, Sekundarschüler, die Lehrer werden wollen, mit spezifischen Modulen oder Optionsfächern dafür fit zu machen. Um längerfristig den Lehrermangel in den Griff zu bekommen, müsse man sich mit der Frage beschäftigen, ob ein Grundschullehrer noch ein Allrounder sein müsse. Die grüne Fraktionschefin
Josée Lorsché brachte den Assistenzlehrer ins Gespräch, wie man ihn in Deutschland kennt. Er könne für einzelne Fächer eingesetzt werden, „ohne die tragende Rolle des Klassenlehrers infrage zu stellen“. Fred Keup (ADR) bestand darauf, dass Lehrer auch weiterhin die drei Amtssprachen beherrschen müssen.
DP-Fraktionschef Gilles Baum fand, dass der Lehrerberuf nach wie attraktiv sei und dass es große Bemühungen gegeben habe, um die Attraktivität zu erhalten (Stage-Reduzierung, neue Karrieren unter anderem als IEBS, in den Kompetenzzentren oder in den Direktionen). Baum machte für den Lehrermangel unter anderem auch das über die Jahrzehnte gewachsene Berufsangebot verantwortlich. Ein Teil des Mangels aber sei hausgemacht. So würden viele Lehrer die Möglichkeit nutzen, Teilzeit zu arbeiten. „Wenn zwei Lehrer halbtags arbeiten, fehlt ein Vollzeitposten“, so Baum.
Rekrutierungskampagne starten
Francine Closener (LSAP) regte an, Rekrutierungskampagnen zu starten, „ähnlich wie beim Militär oder im Handwerk“, um dem Image des Lehrers wieder mehr Glanz zu verleihen. Lehrer müssten aber auch entlastet werden, durch einen Abbau von Bürokratie und durch die Bereitstellung von zusätzlichen Hilfskräften in den Klassen sowie ausreichend Kapazitäten in den Kompetenzzentren.
Josée Lorsché machte das demografische Wachstum und die personalintensiven Reformen der vergangenen Jahre (neue Aufgabenfelder und Karrieren für Lehrer) für den Lehrermangel verantwortlich und sah – wie fast alle Redner – die Uni Luxemburg in der Pflicht, mehr Kandidaten aufzunehmen. Die Gespräche mit der
Uni laufen, teilte Bildungsminister Claude Meisch (DP) mit. Diskutiert werde einerseits, die Kapazitäten zu erhöhen.
Quereinsteigerprogramm an der Uni Andererseits aber brauche man auch weiterhin ein Quereinsteigerprogramm. In der Diskussion ist eine einjährige Ausbildung (60 ECTS-Punkte) an der Uni Luxemburg für Absolventen eines schulverwandten Bachelors (Psychologie, Sozialwissenschaften, Pädagogik usw.) mit anschließendem Zugang zum Grundschullehrerberuf. Auch weitere Masterabschlüsse aufbauend auf dem Bachelor in Erziehungswissenschaften (BSCE) seien in der Diskussion. Wie Gilles Baum fand auch Claude Meisch, dass es um die Attraktivität des Lehrerberufs gar nicht so schlecht bestellt sei. In den vergangenen vier Jahren hätten sich über 400 Quereinsteiger beworben und im Secondaire sei die Zahl der „Professeurs“im Vergleich zu anderen Kategorien (Lehrbeauftragte, Stagiaires) zwischen 2016 und 2020 am stärksten gestiegen (+ 29 Prozent), dies bei einer Gesamtsteigerung des Lehrpersonals von 15,6 Prozent.
Sven Clement (Piraten) fehlt es an Interesse für den Lehrerberuf, „nicht weil der Beruf nicht erfüllend ist, sondern weil die Rahmenbedingungen langsam aber sicher unerträglich werden“. Daran seien nicht die „schwierigen“Kinder Schuld, sondern die Politik.
Myriam Cecchetti (Déi Lénk) forderte, dass die reguläre Lehrerausbildung gegenüber alternativen Ausbildungen einen Mehrwert haben müsse. Auf Dauer seien zwei verschiedene Ausbildungswege keine Lösung. Die von ihr geforderte Evaluierung des Quereinsteigerprogramms wurde von den Mehrheitsvertretern abgelehnt.