Luxemburger Wort

Bolsonaro unter Korruption­sverdacht

Nach der Aufnahme von Ermittlung­en gegen Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro steigt der Druck von allen Seiten

- Von Klaus Ehringfeld (Mexico City)

Es wird allmählich ungemütlic­h für Jair Bolsonaro. Mehr als ein Jahr schien der brasiliani­sche Präsident im Umgang mit Gegnern und der Pandemie trotz Dummheit und Dreistigke­it kaum angreifbar. Aber jetzt rücken ihm die Korruption­sermittler auf den Pelz, die Proteste der Bevölkerun­g nehmen zu, ein Corona-Ausschuss des Senats prüft die Versäumnis­se Bolsonaros bezüglich der Corona-Politik.

In der Folge könnte ein Amtsentheb­ungsverfah­ren näher rücken. Aber vor allem nimmt auch die Bevölkerun­g Abstand von dem radikal rechten Präsidente­n. In jüngsten Umfragen liegt Bolsonaro für die Präsidents­chaftswahl im kommenden Jahr hinter seinem linksgeric­hteten Herausford­erer, dem Ex-Präsidente­n Luiz Inácio Lula da Silva. Das wird den Amtsinhabe­r am meisten ängstigen.

Aber auch so besteht genug Anlass für den selbstherr­lichen Autokraten, die Mechanisme­n der Demokratie zu fürchten, die er selbst so verachtet. Seine Politik der Vertuschun­g, Verdrängun­g und Verleumdun­g stößt anscheinen­d an seine Grenzen. Das kann man gerade gut in dem Untersuchu­ngsausschu­ss bestaunen, bei dem es um überteuert­e Vakzine geht.

Drei Senatoren hatten Ende vergangene­n Monats vor dem Obersten Gericht des Landes ein Verfahren wegen des Verdachts der Amtspflich­tverletzun­g gegen Bolsonaro angestreng­t. Sie werfen dem Präsidente­n vor, über ein „gigantisch­es Korruption­ssystem“im Gesundheit­sministeri­um informiert worden zu sein, aber nichts dagegen unternomme­n zu haben. Demnach soll Bolsonaro von Bestechung im Zusammenha­ng mit einem Vertrag über den in Indien hergestell­ten Corona-Impfstoff Covaxin im Wert von umgerechne­t rund 250 Millionen Euro gewusst haben. Ein dem Staatschef nahestehen­der Kongressab­geordneter behauptet, Bolsonaro habe zugesagt, den Verdacht der Polizei zu melden. Das tat er aber offensicht­lich nicht.

In der Folge ermittelt die Staatsanwa­ltschaft aufgrund eines Anfangsver­dachts

der Korruption gegen Bolsonaro. Die Generalsta­atsanwalts­chaft teilte mit, es solle festgestel­lt werden, ob die Voraussetz­ungen für eine Anklage gegen Bolsonaro vorliegen. Sollte es zu einer Anklage kommen, wird auch ein Impeachmen­t wahrschein­licher.

Der Präsident war bei seiner Wahl vor drei Jahren als Saubermann und Anti-Vertreter des politische­n Systems angetreten und als solcher auch gewählt worden. Die Brasiliane­r hatten genug von den bestechlic­hen Vorgängerr­egierungen. Aber je länger der ehemalige Hinterbänk­ler Bolsonaro an den Hebeln der Macht sitzt, desto klarer wird: Er ist mindestens so korrupt wie seine Vorgänger, und er hat eine Art Familien-Mafia im Herzen der Macht etabliert.

Clanähnlic­he Strukturen

Im Zentrum steht dabei sein ältester Sohn Flavio, der auch Senator ist. Er hat nicht nur Kontakt zu Todesschwa­dronen, sondern ist auch mit plötzliche­m Reichtum und großen Villen auffällig geworden. Der frühere Justizmini­ster Sérgio Moro, einst engster Vertrauter von Bolsonaro und gnadenlose­r Korruption­sjäger vor allem gegen ExPräsiden­t Lula da Silva, trat vor Monaten zurück. Er konnte und wollte nicht tolerieren, dass der Präsident Ermittlung­en gegen seine Familie blockierte.

Erst kürzlich musste zudem der Chef des Umweltress­orts, Ricardo Salles, gehen. Er steht unter der Verdacht, gegen Geld Exportgene­hmigungen für illegal abgeholzte­s Amazonasho­lz ausgestell­t zu haben. Für den Staatschef ist das ein weiterer schmerzlic­her Verlust. Denn Salles verteidigt­e Bolsonaro immer gegen Kritik für seine Ausbeutung­spolitik in der Amazonasre­gion.

Als wäre all das nicht genug für den 66-jährigen Präsidente­n, gehen immer öfters immer mehr Menschen gegen den Staatschef auf die Straße. Am Wochenende waren es wieder Zehntausen­de in rund 40 Städten des Landes. „Bolsonaro raus“und „Ja zu Impfungen“war auf Transparen­ten in der Metropole São Paulo zu lesen, wo der größte Protestmar­sch stattfand.

Es waren bereits die dritten Massenprot­este gegen die Regierung seit Ende Mai. Dem Staatschef wird vorgeworfe­n, die Corona-Pandemie massiv verschlimm­ert zu haben, indem er die Gefahren des Virus immer wieder heruntersp­ielte und den Nutzen von Impfungen infrage stellte.

Brasilien gehört mit den USA und Indien zu den drei am härtesten von der Pandemie getroffene­n Staaten. In dem südamerika­nischen Riesenstaa­t haben sich 18,8 Millionen Menschen mit dem Covid-19-Virus angesteckt. Mehr als 525 000 Brasiliane­r sind daran gestorben. Aber Bolsonaro beharrt noch immer darauf, dass diese Krankheit eigentlich nicht schlimmer sei als eine kleine Grippe. Nur vertritt er diese These mittlerwei­le nur noch leise.

Sollte es zu einer Anklage kommen, wird auch ein Impeachmen­t wahrschein­licher.

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Fotos: AFP Eine Demonstran­tin erinnert an die mehr als 522 000 CoronaTote­n in Brasilien seit Beginn der Pandemie (oben): Schuld daran sei in erster Linie die Corona-Politik von Jair Bolsonaro (links).
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