Bolsonaro unter Korruptionsverdacht
Nach der Aufnahme von Ermittlungen gegen Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro steigt der Druck von allen Seiten
Es wird allmählich ungemütlich für Jair Bolsonaro. Mehr als ein Jahr schien der brasilianische Präsident im Umgang mit Gegnern und der Pandemie trotz Dummheit und Dreistigkeit kaum angreifbar. Aber jetzt rücken ihm die Korruptionsermittler auf den Pelz, die Proteste der Bevölkerung nehmen zu, ein Corona-Ausschuss des Senats prüft die Versäumnisse Bolsonaros bezüglich der Corona-Politik.
In der Folge könnte ein Amtsenthebungsverfahren näher rücken. Aber vor allem nimmt auch die Bevölkerung Abstand von dem radikal rechten Präsidenten. In jüngsten Umfragen liegt Bolsonaro für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr hinter seinem linksgerichteten Herausforderer, dem Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Das wird den Amtsinhaber am meisten ängstigen.
Aber auch so besteht genug Anlass für den selbstherrlichen Autokraten, die Mechanismen der Demokratie zu fürchten, die er selbst so verachtet. Seine Politik der Vertuschung, Verdrängung und Verleumdung stößt anscheinend an seine Grenzen. Das kann man gerade gut in dem Untersuchungsausschuss bestaunen, bei dem es um überteuerte Vakzine geht.
Drei Senatoren hatten Ende vergangenen Monats vor dem Obersten Gericht des Landes ein Verfahren wegen des Verdachts der Amtspflichtverletzung gegen Bolsonaro angestrengt. Sie werfen dem Präsidenten vor, über ein „gigantisches Korruptionssystem“im Gesundheitsministerium informiert worden zu sein, aber nichts dagegen unternommen zu haben. Demnach soll Bolsonaro von Bestechung im Zusammenhang mit einem Vertrag über den in Indien hergestellten Corona-Impfstoff Covaxin im Wert von umgerechnet rund 250 Millionen Euro gewusst haben. Ein dem Staatschef nahestehender Kongressabgeordneter behauptet, Bolsonaro habe zugesagt, den Verdacht der Polizei zu melden. Das tat er aber offensichtlich nicht.
In der Folge ermittelt die Staatsanwaltschaft aufgrund eines Anfangsverdachts
der Korruption gegen Bolsonaro. Die Generalstaatsanwaltschaft teilte mit, es solle festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für eine Anklage gegen Bolsonaro vorliegen. Sollte es zu einer Anklage kommen, wird auch ein Impeachment wahrscheinlicher.
Der Präsident war bei seiner Wahl vor drei Jahren als Saubermann und Anti-Vertreter des politischen Systems angetreten und als solcher auch gewählt worden. Die Brasilianer hatten genug von den bestechlichen Vorgängerregierungen. Aber je länger der ehemalige Hinterbänkler Bolsonaro an den Hebeln der Macht sitzt, desto klarer wird: Er ist mindestens so korrupt wie seine Vorgänger, und er hat eine Art Familien-Mafia im Herzen der Macht etabliert.
Clanähnliche Strukturen
Im Zentrum steht dabei sein ältester Sohn Flavio, der auch Senator ist. Er hat nicht nur Kontakt zu Todesschwadronen, sondern ist auch mit plötzlichem Reichtum und großen Villen auffällig geworden. Der frühere Justizminister Sérgio Moro, einst engster Vertrauter von Bolsonaro und gnadenloser Korruptionsjäger vor allem gegen ExPräsident Lula da Silva, trat vor Monaten zurück. Er konnte und wollte nicht tolerieren, dass der Präsident Ermittlungen gegen seine Familie blockierte.
Erst kürzlich musste zudem der Chef des Umweltressorts, Ricardo Salles, gehen. Er steht unter der Verdacht, gegen Geld Exportgenehmigungen für illegal abgeholztes Amazonasholz ausgestellt zu haben. Für den Staatschef ist das ein weiterer schmerzlicher Verlust. Denn Salles verteidigte Bolsonaro immer gegen Kritik für seine Ausbeutungspolitik in der Amazonasregion.
Als wäre all das nicht genug für den 66-jährigen Präsidenten, gehen immer öfters immer mehr Menschen gegen den Staatschef auf die Straße. Am Wochenende waren es wieder Zehntausende in rund 40 Städten des Landes. „Bolsonaro raus“und „Ja zu Impfungen“war auf Transparenten in der Metropole São Paulo zu lesen, wo der größte Protestmarsch stattfand.
Es waren bereits die dritten Massenproteste gegen die Regierung seit Ende Mai. Dem Staatschef wird vorgeworfen, die Corona-Pandemie massiv verschlimmert zu haben, indem er die Gefahren des Virus immer wieder herunterspielte und den Nutzen von Impfungen infrage stellte.
Brasilien gehört mit den USA und Indien zu den drei am härtesten von der Pandemie getroffenen Staaten. In dem südamerikanischen Riesenstaat haben sich 18,8 Millionen Menschen mit dem Covid-19-Virus angesteckt. Mehr als 525 000 Brasilianer sind daran gestorben. Aber Bolsonaro beharrt noch immer darauf, dass diese Krankheit eigentlich nicht schlimmer sei als eine kleine Grippe. Nur vertritt er diese These mittlerweile nur noch leise.
Sollte es zu einer Anklage kommen, wird auch ein Impeachment wahrscheinlicher.