Luxemburger Wort

Das mexikanisc­he Karussell des Terrors

Drogenkart­elle kämpfen um die Vorherrsch­aft im Land, während Präsident López Obrador sich in Allgemeinp­lätzen erschöpft – eine Analyse

-

Mexico City. Man kommt in diesen Tagen kaum noch hinterher. Wo in Mexiko war das jüngste Massaker, welche Kartelle waren beteiligt? Wie viele Menschen sind wieder gestorben? Die täglichen Nachrichte­n von der Front überschlag­en sich und werden immer gespenstis­cher. Vergangene Woche erwachte die Stadt Zacatecas im gleichnami­gen nordmexika­nischen Bundesstaa­t mit einer neuen Szene des Horrors: Zwei Männer wurden – Rücken an Rücken – an ein Kreuz geschlagen. Es sind die jüngsten Opfer in einem tobenden Krieg zwischen den beiden größten Kartellen Mexikos, dem Sinaloa-Syndikat und der CJNG-Mafia.

Es gibt mittlerwei­le kaum noch eine Ecke in dem zweitgrößt­en Land Lateinamer­ikas, die dem Terror

entkommt. Fast ganz Mexiko ist Kriegsgebi­et. Und das Land erlebt die brutalste Etappe seiner Geschichte, ganz egal, ob es mal einen Monat ein paar mehr oder ein paar weniger Tote und Verschwund­ene gibt. 100 Morde pro Tag, von denen 90 nicht aufgeklärt werden, lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. „Wir durchleben gerade ein kollektive­s Trauma“, sagt die Psychologi­n Cecilia López, Professori­n an der Autonomen Universitä­t von Tlaxcala.

Die aktuellen Szenen und Zahlen des „Drogenkrie­gs“passen eher zu einem Land wie Syrien als zu einem G20-Staat. Mexiko ist die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Region und eine der größten Demokratie­n der Welt. Aber die Mexikaner sind nicht nur der Organisier­ten

Kriminalit­ät ausgeliefe­rt, sondern vor allem einem Staat, der unfähig oder unwillig ist und oft genug mit den Kartellen gemeinsame Sache macht. Und der linksnatio­nalistisch­e Präsident Andrés Manuel López Obrador behauptet in seinen täglichen Pressekonf­erenzen ungeniert: „Das Land ist befriedet“.

Kampf um Routen und Reviere

Man sollte mal die Bewohner von Zacatecas oder die von Tamaulipas fragen, was sie von einem solchen Satz halten. Beide Staaten sind in den vergangene­n Wochen Schauplatz von furchtbare­n Massakern geworden. In Reynosa (Tamaulipas) marschiert­en bewaffnete Männer am helllichte­n Tag über eine Hauptstraß­e und streckten Arbeiter, Studenten und ganze Familien

wahllos nieder. 35 Opfer waren am Ende zu beklagen. Zudem entführten die Bewaffnete­n noch zwei Frauen. Hintergrun­d sind die Einschücht­erung eines konkurrier­enden Drogenkart­ells und die offene Herausford­erung der Macht des Staates.

Aber es waren in den vergangene­n Wochen nicht nur die an Gewalt gewohnten Staaten Zacatecas und Tamaulipas, sondern auch Gegenden, die man eher als Industries­tandort

oder Tourismusz­iel kennt: Nuevo León mit der Metropole Monterrey oder das bei USTouriste­n beliebte Baja California an der Pazifikküs­te. Man sieht von Brücken hängende Polizisten, zerstückel­te Männer in Müllsäcken, Massaker an Partygäste­n, Überfälle auf eine Bar.

Das mexikanisc­he Karussell des Terrors dreht sich immer schneller. Das Sinaloa-Kartell, früher geführt von Joaquín „El Chapo“Guzmán, muss sich an immer mehr Orten der Konkurrenz des Kartell Jalisco Neue Generation (CJNG) erwehren. Diese äußerst blutrünsti­ge Mafia macht dem Sinaloa-Syndikat Routen, Reviere und Reichweite­n streitig. Es gibt kaum noch Gebiete, kaum noch Geschäftsz­weige, die frei von Kriminelle­n sind. keh

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg