Die Gefahr an der Schranke
Zwischenfälle an Bahnübergängen sind in Luxemburg keine Seltenheit
Luxemburg. 39 Sekunden. Dann kommt der Zug. Rund 30 Sekunden vergehen, bis die Schranken sich in der Rue de Mamer in Bartringen nach dem ersten Warnsignal vollends schließen. Danach zählt für die Frau, die am Montagnachmittag auf dem Bahnübergang festhängt, jede Sekunde. Kurz vor dem Zusammenprall kann sie sich in Sicherheit bringen.
Der genaue Unfallhergang ist derzeit Gegenstand von polizeilichen Ermittlungen. Die Sprecherin der CFL, Alessandra Nonnweiler, betont allerdings, dass grundsätzlich von einem Fehlverhalten der Autofahrerin auszugehen sei – ohne aber auf Einzelheiten einzugehen.
Ein mutmaßlicher Fehler mit großen Auswirkungen: Dass weder die Frau noch die 35 Insassen des aus Belgien kommenden Zuges Verletzungen erlitten, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Mit bis zu 130 km/h dürfen Züge nämlich in diesem Bereich fahren.
Wie schnell der Zug am Montag fuhr, ist nicht bekannt. Beim Aufprall war er allerdings bereits langsamer. „Es sieht so aus, als hätte der Zug eine Notbremsung eingeleitet. Allerdings braucht ein Zug bis zu 1 400 Meter, bis er zum Stillstand kommt“, gibt Alessandra Nonnweiler zu bedenken.
Von den Bahnübergängen geht demnach potenziell eine große Gefahr aus. Ein Risiko, dessen sich immer wieder Verkehrsteilnehmer im Alltag nicht bewusst sind. Sie versuchen in der Eile, eine sich bereits schließende Schranke zu überqueren oder fahren trotz stockenden Verkehrs auf den Übergang. Und so sind Zwischenfälle an Bahnübergängen hierzulande leider keine Seltenheit. Zuletzt im April wurde in Kautenbach ein Lastwagen an einem Bahnübergang von einem Zug erfasst. Niemand wurde verletzt.
Lebensgefahr
Solche Unfälle können allerdings auch anders enden: Zwei Menschen verloren zwischen 2016 und 2021 ihr Leben bei einem Zugunglück an einem Bahnübergang. Insgesamt zehnmal erfasste in der gleichen Zeitspanne ein Zug ein Fahrzeug an einem Bahnübergang, nachdem die Straßenverkehrsordnung nicht respektiert wurde.
Der Großteil aller Zwischenfälle geht aber glücklicherweise glimpflich aus. Durchschnittlich 75 Mal kommt es jährlich vor, dass eine Bahnschranke beschädigt wird. Etwa weil ein Auto zu spät abbremst und gegen die Schranke prallt, der Anhänger eines Lastwagens noch überragt, wenn die Arme sich schließen, oder aber sich ein Verkehrsteilnehmer zwischen geschlossenen Schranken vorfindet und diese dann mit seinem Fahrzeug durchbricht.
Die Schranken sind aus Aluminium und mit Sollbruchstellen ausgestattet. Sie zerbrechen relativ einfach. „Das hinterlässt eine kleine Beule im Auto, allerdings keine so große wie die, die das Auto der
Dame am Montag erlitten hat“, nimmt es Alessandra Nonnweiler mit Humor.
Endstation für die Schranken
Des Gefahrenpotenzials an den 116 Bahnübergängen des Landes bewusst ist sich die CFL aber durchaus. Deshalb arbeitet die Eisenbahngesellschaft stetig daran, die Anzahl der Übergänge zu reduzieren. Bei der Priorisierung spielen verschiedene Kriterien eine Rolle, das wohl wichtigste ist aber die Anzahl an Zwischenfällen an einem Bahnübergang.
„Für die CFL ist der beste Bahnübergang einer, den es nicht mehr gibt“, sagt Alessandra Nonnweiler. Luxemburg sei in diesem Zusammenhang im relativen Vergleich Europameister. Im Schnitt würden jedes Jahr zwei Übergänge umgewandelt werden. Die Projekte seien umfangreich: Von der Idee bis zur Umsetzung würden bis zu zehn Jahre vergehen.
„Ein gutes Beispiel dafür ist Walferdingen. Gebaut war relativ schnell, allerdings haben die ganzen Studien und Analysen im Vorfeld viel Zeit in Anspruch genommen“, so Alessandra Nonnweiler. Die Abschaffung des Bahnübergangs im vergangenen Jahr habe aufgrund des hohen Verkehrsflusses in Walferdingen denn auch einen großen Impakt gehabt.
In Merkholtz in der Gemeinde Kiischpelt fand indes bislang der letzte Bahnübergang in diesem Jahr sein Ende. 2022 soll einer in Lorentzweiler folgen. Dann bleiben noch 115 weitere.