Luxemburger Wort

Das Zünglein an der Waage

Mord in Merl: Zusätzlich­es Gutachten gibt mehr Klarheit zum Todeszeitp­unkt des Opfers

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Luxemburg. Eigentlich war der Prozess um den Mord an einem Obdachlose­n im Mai 2018 in einem verlassene­n Schreberga­rten in Merl bereits abgeschlos­sen und die Richter sollten diese Woche ihr Urteil verkünden. Doch dann setzte die Kriminalka­mmer ihre Beratungen aus und gab ein weiteres Gutachten in Auftrag.

Dieses sollte Unklarheit­en bei der Frage nach dem Todeszeitp­unkt ausräumen. Und die knapp zehnminüti­ge Sitzung, die gestern den beteiligte­n Parteien Gelegenhei­t bot, Stellung zu den Erkenntnis­sen aus dieser zusätzlich­en Expertise zu beziehen, belegt, dass die zu klärende Frage für die Beweisführ­ung der Anklage im Prozess alles entscheide­nd ist.

Am 30. Mai 2018 findet ein Erdbeersam­mler auf dem verlassene­n

Gelände in Merl die verwesende Leiche des 24-jährigen Ungarn Attila V., der in Luxemburg als Obdachlose­r lebte. Die Obduktion zeigt, dass der Mann erstochen wurde. Jedoch kann der Todeszeitp­unkt nicht eindeutig eingegrenz­t werden. Der deutlich fortgeschr­ittene Verwesungs­grad vermittelt den Eindruck, dass das Opfer bereits länger tot ist.

Doch das wird im Prozess von einer Gerichtsme­dizinerin entkräftet: Die Hitzewelle zur Tatzeit und die Tatsache, dass der Leichnam im Freien lag, können die Verwesung beschleuni­gt haben und die Maden, die der Leiche entnommen wurden, deuten auf eine kürzere Liegezeit von möglicherw­eise erst einer Woche hin.

Das ist insoweit von Bedeutung, dass genau eine Woche vor dem Leichenfun­d, am 23. Mai 2018, ein Messer im Müll einer Tankstelle­ntoilette entdeckt wird, das sowohl Blutspuren des Opfers wie

Am 30. Mai 2018 wird in Merl eine Leiche entdeckt. auch DNS des nun angeklagte­n Tatverdäch­tigen Andris L. aufweist – der die Tat bestreitet.

Wäre das Messer bereits vor dem bei der Autopsie bestimmten Todeszeitp­unkt sichergest­ellt worden, würde das den ebenfalls obdachlose­n Letten als Tatverdäch­tigen entlasten – auch wenn es im Prozess neben diesem Beweisgege­nstand noch andere Aspekte gibt, auf denen der Verdacht gegen ihn begründet.

Das zusätzlich­e Gutachten soll den Richtern nun helfen, in der Schuldfrag­e zu einer Entscheidu­ng zu kommen. Es besagt, dass es durchaus möglich ist, dass der Todeszeitp­unkt vor dem 23. Mai liegt, also vor dem Fund des Messers – ein kleines aber entscheide­ndes Detail. Das Urteil der Kriminalka­mmer ergeht am 15. Juli. str

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Foto: G. Jallay

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