Luxemburger Wort

Grüner Strom vom Berg

Gemeinde Manternach informiert Bürger über geplantes Windrad – Meinungen gehen auseinande­r

- Von Irina Figut Fotomontag­e: Soler S. A. / Windtest Grevenbroi­ch GmbH

Manternach. „Es werden immer mehr Windkrafta­nlagen gebaut. Die rücken immer näher an die Dörfer heran“, schimpft David Blaschette. Zusammen mit einigen anderen Einwohner der Gemeinde Manternach gehört er zu den besorgten Bürgern, die sich gegen den geplanten Bau einer Windkrafta­nlage auf dem Lelliger Plateau einsetzen. „Ich habe Angst, dass das Windrad über dem Dorf thront und die Menschen dadurch krank werden. Der Bürgermeis­ter will das Vorhaben durchziehe­n“, sagt der Lelliger.

Am Montag hat die Gemeinde zusammen mit dem Betreiber von Windkrafta­nlagen in Luxemburg, Soler S. A., die Bürger im Centre Culturel Beaurepair­e in Berburg über das Vorhaben informiert. Soler soll laut Plänen eine Windkrafta­nlage auf dem Lelliger Plateau errichten. Bereits seit 2018 feilt die Gemeinde, die in puncto Nachhaltig­keit zahlreiche Projekte realisiert und ein Silber-Zertifikat im Rahmen der Klimapakt-Mitgliedsc­haft erreicht hat, an den Plänen, den Ausbau der Windenergi­e voranzutre­iben. „Wir haben immer betont, dass die nachhaltig­en Energieque­llen wie Wind, Wasser und Sonne, die uns hier zur Verfügung stehen, auch privat genutzt werden sollen“, erzählt Gemeindese­kretär Guy Rosen.

Wir wollen sicher sein, dass die Leute mit dem Projekt einverstan­den sind. Jempi Hoffmann, Bürgermeis­ter

Rund 80 Menschen sind zu der öffentlich­en Veranstalt­ung in Berburg gekommen. Aufgrund der geltenden Hygienemaß­nahmen wurde die Versammlun­g an zwei Terminen abgehalten, damit alle Interessen­ten sich ein Bild von dem Projekt machen konnten. Für den zweiten Termin waren laut Gemeindeve­rantwortli­chen rund 20 Bürger angemeldet.

Bereits im Herbst 2019 hatte der Gemeindera­t in einer Sitzung seinen „prinzipiel­len Entschluss“zum Bau eines Windrades gegeben. Der einzige Haken: Der Standort, an dem die 230 Meter hohe Anlage geplant ist, liegt inmitten eines Naturschut­zgebiets Natura 2000, das zudem als eine Zone de protection oiseaux Natura 2000 ausgewiese­n ist. Im Letzteren sind die in Luxemburg besonders gefährdete­n und in die Rote Liste aufgenomme­nen Vogelarten zu finden: der Rotmilan, der Schwarzmil­an und der Schwarzsto­rch. Außerdem gehört das Areal zum bekannten Revier von verschiede­nen Fledermaus­kolonien.

Diese Tatsache schreckte die Gemeinde jedoch nicht ab. Wie Paul Zeimet, Administra­teur-Délégue bei Soler, erzählt, befinden sich doch einige Windparks wie etwa in der Gemeinde Mompach bereits in einem staatlich ausgewiese­nen Naturschut­zgebiet.

„Wir haben beim Umweltmini­sterium nachgefrag­t und uns wurde mitgeteilt, dass der Standort einer Windkrafta­nlage in einem Natura-2000-Gebiet kein No-Go ist.“Der Standort, so Zeimet weiter, entspreche den von der Firma zugelassen­en Kriterien: Er befinde sich in Nachbarsch­aft zu der bereits bestehende­n Anlage in Rosport-Mompach und biete durch den möglichen Anschluss an das lokale Stromnetz einen Kostenvort­eil. Seitens der Betreiberg­esellschaf­t wurden im vergangene­n Jahr verschiede­ne Machbarkei­tsstudien durchgefüh­rt und Umweltguta­chten beantragt, die sich bis zum Frühling dieses Jahres hinzogen.

Da die Flugrouten von verschiede­nen Vogelarten sich auf dem ursprüngli­ch für den Bau vorgesehen­en Areal verdichten, wurde eine Änderung vorgenomme­n, wie die

Verantwort­lichen in der Versammlun­g berichtete­n. So befindet sich der neue Standort der Anlage etwas südwestlic­h vom ursprüngli­ch geplanten. Außerdem unterliege die Auswahl potenziell­er Standorte für den Bau neuer Windkrafta­nlagen einem sogenannte­n Restriktio­nsverfahre­n, das die Mindestabs­tände festlege, so Paul Zeimet weiter. Bei dem geplanten Bau in Manternach würde der Abstand zur Ortschaft Lellig 960 Meter betragen, zu Berburg 1 380 Meter und zu Hierber Millen 1 280 Meter.

Dabei wurde die Informatio­nsveransta­ltung bewusst im Vorfeld der Genehmigun­gsprozedur­en organisier­t, wie der Bürgermeis­ter der Gemeinde, Jempi Hoffmann, betonte: „Wir wollen sicher sein, dass die Leute mit dem Projekt einverstan­den sind. Uns ist es bewusst, dass die Anlage groß ist. Aber damit können wir 2 200 Haushalte mit Energie versorgen und die CO2-Emissionen einsparen“, sagte er. Der Bürgermeis­ter reagierte damit auf die Kritik, die sich in der Gemeinde bereits im Vorfeld rund um das Vorhaben geregt hat. Eine Facebook-Gruppe gegen den Bau des Windrades, die zum Redaktions­schluss 61 Mitglieder zählte, wurde im Juni gebildet. Auch wurden in der Gemeinde Flyer verteilt, die auf die Nachteile eines solchen Vorhabens hinweisen sollen. Der Bürgermeis­ter selbst gab sich am Ende der Informatio­nsveransta­ltung gelassen: „Es gibt hier nicht so viel Widerstand. Es sind ein paar Leute, die dagegen sind. Wenn jemand nicht einverstan­den ist, kann er sich gerne an mich und die Gemeinde wenden“, so Jempi Hoffmann weiter. Tatsächlic­h waren die Meinungen von Besuchern an jenem Abend gespalten: Manche berichtete­n, dass sie von der Präsentati­on „positiv überrascht“seien. Andere wiederum monierten, dass die geplante Anlage zu nah an den Wohnhäuser­n aufgestell­t und den Lebensraum von Tieren und Vögeln zerstören werde. Einige Besucher sorgten sich um einen viel zu hohen Lärm, der durch die sich drehende Windkrafta­nlage verursacht werde. Die Betreiberg­esellschaf­t reagierte prompt: Der Geräuschpe­gel der Anlage solle den eines arbeitende­n Kühlschran­ks nicht überschrei­ten. Und es seien verschiede­ne Kompensati­ons- und Klimaschut­zmaßnahmen vorgesehen, sollte es tatsächlic­h zum Bau kommen.

„Man kann es nicht so genau überprüfen, was hier von der Gemeinde und der Betreiberg­esellschaf­t erzählt wird“, bemängelte Cindy Plumer, eine Anwohnerin aus Lellig, die bei dem Infoabend anwesend war. Ihr Bruder, Christian Plumer, hat allen Grund zur Sorge: Als Hauptveran­twortliche­r betreibt er in unmittelba­rer Nähe des geplanten Baus ein Naturschut­zprojekt, das von der Biologisch­en Station des interkommu­nalen Syndikats SIAS bezuschuss­t wird. Mehr als 100 verschiede­ne Obstbäume und etliche Hecken sollen dort gepflanzt werden. Der Bürgermeis­ter ließ zwar bereits im Mai mitteilen, dass das SIAS-Projekt weiter realisierb­ar sei. Fragen hat Christian Plumer dennoch: „Warum muss so eine Anlage in einem Naturschut­zgebiet aufgestell­t werden? Mir geht es um die besonders gefährdete­n Vogelarten, die Bäume, die Natur. Wie soll man sie für die nächsten Generation­en schützen?“

Ob die Gemeinde am Vorhaben festhält, bleibt abzuwarten. Sollte alles nach Plan verlaufen, könnte die Anlage bereits 2023 stehen.

Ich habe Angst, dass das Windrad über dem Dorf thront. David Blaschette, besorgter Bürger

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Foto: Gerry Huberty Die 230 Meter hohe Windkrafta­nlage könnte laut Plänen der Gemeinde und der Betreiberg­esellschaf­t auf dem Hierberbie­rg (oben links) oberhalb der Ortschaft Lellig aufgestell­t werden.

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