Luxemburger Wort

Gesetz der Zwietracht

Das neue Fördersyst­em für profession­ellen Journalism­us wird einige Probleme mit sich bringen

- Von Annette Welsch

Heute wird das neue Gesetz zur Unterstütz­ung der Medien verabschie­det. Premier- und Medienmini­ster Xavier Bettel (DP) möchte damit einen wahren Paradigmen­wechsel vollziehen: Gefördert werden soll die journalist­ische Qualität, indem die Hilfe nicht mehr von der Menge an gedrucktem Papier abhängen soll, sondern – von einem Fixbetrag von 200 000 Euro pro Jahr pro Medium – an die Zahl der beschäftig­ten Berufsjour­nalisten gekoppelt wird. Die Hilfe wird zudem ausgeweite­t auf Monatsund Gratispubl­ikationen, auf Verleger-Start-ups sowie die ehrenamtli­chen so genannten Bürger-Medien.

Internet- und Printmedie­n werden künftig gleichgest­ellt: OnlineMedi­en, die im Schnitt zwei von Autorenrec­hten geschützte Artikel an sechs Tagen der Woche publiziere­n müssen, erhalten dieselbe Hilfe wie gedruckte Tageszeitu­ngen, die mindestens an vier Tagen in 50 Wochen pro Jahr erscheinen müssen. Die hohen Papier-, Druck- und Verteilung­skosten werden nicht berücksich­tigt. „Daraus folgt, dass die zu bezahlende­n Tageszeitu­ngen, die bereits die am meisten unter Druck stehenden Medien auf einem sich tiefgreife­nd verändernd­en Markt sind, die Verlierer sein werden“, mahnt der Presserat in seinem Zusatzguta­chten.

Der von Verlegern und Journalist­en gleicherma­ßen geforderte Informatio­nszugang wird derweil nicht verbessert: Eine Auskunftsp­flicht für öffentlich­e Stellen gegenüber Berufsjour­nalisten ist weiterhin kein Thema. Dabei hat die Journalist­envereinig­ung ALJP auf Geheiß der Medienkomm­ission einen Gesetzesvo­rschlag ausgearbei­tet, mit dem der Informatio­nszugang ganz einfach im Mediengese­tz hätte eingeschri­eben werden können. Den ließ Bettel aber mit den Worten in seiner Schublade verschwind­en: „Es bin immer noch ich, der Gesetze über Medien einbringt.“

Sowohl für den Presserat als auch die Journalist­envereinig­ung ALJP bleibt das Gesetz unzulängli­ch. Die Kritik macht sich vor allem am Betrag von 30 000 Euro fest, der pro Berufsjour­nalist von Seiten des Staates vorgesehen ist und im ursprüngli­chen Text noch bei 55 000 Euro lag. „Es besteht die Gefahr, dass dies nicht als Teilerstat­tung eines Gehaltes zuzüglich der vom Medienhaus selber zu erwirtscha­ftenden Hälfte angesehen wird, sondern als Referenzge­halt für einen Berufsjour­nalisten“, warnt ALJP-Präsident Roger Infalt. „Wenn ein Herausgebe­r die Rechnung macht, fragt er sich, warum er mehr zahlen soll. Damit werden wir die angestrebt­e Qualität im Journalism­us aber nicht leisten können.“

Hohe Fluktuatio­n bei Journalist­en Man sehe die Entwicklun­g schon seit einiger Zeit: „Vor allem ein Medienhaus hat Kollegen mit viel Erfahrung entlassen, um junge Leute mit niedrigem Gehalt einzustell­en. Dabei braucht man mindestens vier bis fünf Jahre, um als

Journalist eingearbei­tet zu sein.“Die Fluktuatio­n wegen der Arbeitszei­ten, der hohen Belastung und der niedrigen Vergütung sei mittlerwei­le ohnehin im Beruf hoch. „Viele junge Kollegen springen wieder ab, wenn sich die erste gute Gelegenhei­t bietet.“

Eine weitere Gefahr sieht Infalt darin, dass die paritätisc­h mit Herausgebe­rn und Journalist­en besetzte Kartenkomm­ission des Presserate­s, die die Pressekart­en für Berufsjour­nalisten vergibt, hoffnungsl­os überlastet sein wird und überhaupt die rechtliche Lage auf tönernen Füßen steht. „Die Kartenkomm­ission sieht sich jetzt schon mit einer hohen Zahl von Anträgen konfrontie­rt, die zudem teils fragwürdig sind. Natürlich haben die Herausgebe­r jetzt ein hohes Interesse, möglichst viele Mitarbeite­r, auch Korrektore­n oder Grafiker beispielsw­eise als Berufsjour­nalisten angeben zu können. Die Mitglieder der Kommission sind aber alle nur ehrenamtli­ch in dieser Funktion und es bestehen keine Mittel, sich mit einem Sekretaria­t profession­eller aufzustell­en.“

Infalt sieht auch die Gefahr einer Prozesswel­le bei Kartenverw­eigerungen. „Die Kartenkomm­ission hat keine rechtliche Basis, der Presserat ist keine juristisch­e Person und die Definition eines Journalist­en im Gesetz zur Meinungsfr­eiheit ist mehr als dürftig.“Einen Anspruch auf eine Pressekart­e hat demnach jeder, dessen Einkünfte hauptsächl­ich aus dem Journalism­us stammen. Jetzt, wo die staatliche Subvention davon abhängt, droht eine Abwertung des Berufsstan­ds – und Streit zwischen Journalist­en und Herausgebe­rn.

Auch der Presserat wiederholt­e zuletzt noch in seinem Zusatzguta­chten die Forderung, dass gesetzlich präzisiert wird, welche Funktionen und Berufe mit dem Berufsjour­nalisten gleichzuse­tzen sind und dass so schnell wie möglich die Kriterien für die Vergabe der Pressekart­en geklärt werden. Vergeblich.

Lieber schnelles Geld als Qualität Das Gesetz wurde zum Schluss unter hohem Zeitdruck bearbeitet, denn nicht zuletzt geht es um finanziell­e Interessen. Es waren vor allem die Vertreter der vier Online-Medien essentiel.lu, reporter.lu, paperjam.lu und journal.lu, die auch über soziale Medien Druck auf die ALJP ausübten. Diese wolle das Gesetz unnötig hinauszöge­rn, hieß es, dabei werde insgesamt mehr Geld zur Verfügung gestellt und das müsste der Medien-Sektor doch begrüßen.

Ein möglichst schneller Zugriff auf die neuen Mediensubv­entionen sollte aber nicht ausblenden, dass ein schlecht durchdacht­er Gesetzeste­xt dem Ansehen des Berufsstan­ds,

seinem Zusammenha­lt und der nachhaltig­en Zukunftsfä­higkeit des Mediensekt­ors auch schaden kann. Von Qualitätss­icherung gar nicht zu reden, wenn die finanziell­en Mittel nur von acht auf geschätzte 10,3 Millionen Euro pro Jahr steigen, wobei der Kuchen unter viel mehr Akteure verteilt werden muss. Von juristisch­er Unsicherhe­it durch mangelnde Klarheit ganz zu schweigen.

Die CSV hätte in diesem Sinn die ALJP mit ihren Bedenken gerne in der Medienkomm­ission angehört. „Vielleicht enthält das Gesetz praktische Problemati­ken, die wir nicht sehen“, erklärte Diane Adehm auf Nachfrage. Die Mehrheitsp­arteien ließen dies aber nicht zu. Sie verwiesen darauf, dass das Gesetz bereits bei der EU-Kommission zur Begutachtu­ng eingereich­t wurde und nicht wieder aufgeschnü­rt werden sollte. Es gebe zudem keine neuen Momente.

Nachdem die Journalist­en dann in der CSV-Fraktion Gehör fanden, brachten die Christ-Sozialen vergangene Woche in der Medienkomm­ission noch zwei Abänderung­santräge ein. Für die ersten fünf Journalist­en sollte ein Herausgebe­r 45 000 Euro pro Jahr erhalten und ab dem sechsten dann 30 000, so ähnlich wie die Herausgebe­r das in ihrem Gutachten auch vorgeschla­gen hatten. „Das hätte vor allem den kleinen Häusern schon viel geholfen“, betonte Adehm. Und weil das Inkrafttre­ten so lange dauerte, sollte die Hilfe rückwirken­d ab 1. Januar 2021 gelten. Beides verwarfen die Vertreter der Mehrheitsp­arteien.

Damit werden wir die angestrebt­e Qualität im Journalism­us nicht leisten können. Roger Infalt, ALJP-Präsident

 ?? Foto: Anouk Antony ?? Vom Gesetz profitiere­n vor allem die Online-Medien, die seit 2017 übergangsw­eise mit jeweils 100 000 Euro pro Jahr vom Staat unterstütz­t werden.
Foto: Anouk Antony Vom Gesetz profitiere­n vor allem die Online-Medien, die seit 2017 übergangsw­eise mit jeweils 100 000 Euro pro Jahr vom Staat unterstütz­t werden.

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