Der Schwall ist rund
Die deutschen Parteien stellen ihre Wahlkampagnen vor – und die CDU bekommt es deshalb mit der Polizei zu tun
Vielleicht hätte Paul Ziemiak einfach vorher mit Jörg Radek reden sollen. Kleiner Anruf: Lieber Herr Polizeigewerkschafts-Vize-Chef – was halten Sie davon, wenn wir mit einer Polizistin Wahlkampf machen, die in Wahrheit gar keine ist? Sondern eine Mitarbeiterin unserer Partei, exakt: die Co-Leiterin unseres digitalen Kampagnenportals cduconnect.
Vielleicht hätte Radek dann dem Generalsekretär der aktuell größten deutschen Regierungspartei geantwortet: „So wie Polizisten nicht in Uniform auf Parteiversammlungen gehen dürfen, sollten Parteien auch nicht mit Fake-Polizisten in unserem Outfit für sich werben.“Und: „Ohne Begleittext ,Achtung! Wahlwerbung!’ kann das auch strafbar sein.“
Weil Ziemiak ihn aber nicht angerufen hat, sagt Radek das alles nun der „Bild“-Zeitung – und zusätzlich: „Wir sind nicht die Garnitur für Wahlprogramme.“Und „Bild“freut sich, weil sie darüber „Peinliche Plakate“drucken kann
– und so tun, als habe Deutschland nun seinen nächsten Bundestagswahlkampfskandal.
Es geht um die Botschaft
Hat es nicht. Es hat ja noch nicht einmal einen ersten, nur die Frage, ob die grüne Bewerberin Annalena Baerbock die Härte des Kampfs ums Kanzleramt vielleicht schwer unterschätzt hat. Seit Tagen haut ihr ein Salzburger Plagiatorenjäger nicht ganz autonom formulierte Stellen aus ihrem nicht wissenschaftlichen Buch um die Ohren, selbst die Konkurrenz findet das inzwischen zu arg. „Muss auch mal wieder gut sein“, mahnt CSU-Senior Horst Seehofer. SPDKanzlerkandidat Olaf Scholz hat eine ebenso vergiftete Freundlichkeit: „Manches“sei da „nicht fair und gerecht“.
Sicher empfindet das nun auch Ziemiak in Sachen CDU-Wahlplakate. Zumal er die Wahrheit ja selbst enthüllt hat – wenn auch mit einer etwas seltsamen Begründung: Die CDU habe für ihre Plakate während der Pandemie keine Polizistin und keine Krankenschwester
von der Arbeit abhalten wollen – und sicherer gewesen seien die Shootings so auch.
Am Ende geht es bei solchen Plakaten ja ohnehin nur um die Botschaft. Die ist bei der CDU denkbar schlicht. Sie steht für das, wofür sie immer stand: Bildung. Arbeit. Wohlstand. Wachstum. Sicherheit.
Eine runde Sache: Wahlplakate der CDU.
Auf aktuell getrimmt mit Klima, mit Pflege, mit bezahlbarem Wohnen. Erstmals überhaupt seit 1949 zeigt die Partei statt nur Botschaften auch Menschen. Allerdings sind die ausschließlich weiß. Und um die Alten kümmert sich eine Frau, während Papa und Sohn fürs Wändestreichen zuständig sind. Weshalb eigentlich fühlen die Konservativen sich von der CDU so vernachlässigt?
Ein Motiv mit Armin Laschet gibt es natürlich auch. Sein Kopf steckt in dem schwarz-rot-goldenen Kreis, in den die CDU alle Köpfe und alle maximal aussagebefreiten Wortaneinanderreihungen packt. Der Schwall ist rund.
Ein paar Parteizentralen weiter, bei der FDP, werden sie feixen. Selbstverständlich nur ganz im Geheimen. Schließlich sind Christian Lindner & Company ja Laschets erklärte Lieblingskoalitionäre. Aber trotzdem: Rundgelutscht käme ihnen im Leben nicht ins Haus. Die FDP steht schon seit Guido Westerwelle auf knallig und auf intellektuell. Und auf zeitgeistigen Schick.
Für 2021 haben sie das NRW-Erfolgsmodell von 2017 neu interpretiert. Damals posierte Lindner im Unterhemd in scharf konturiertem Schwarz-Weiß und zitierte in einem Spot aus der Kritik, die er einstecken musste, etwa: „Jetzt drehen sie durch.“
Das taten, zu Beginn der Kampagne, die deutschen Medien. Und danach hatten Laschet und Lindner der SPD ihr Stammland geraubt. Und regierten NRW schwarz-gelb. 2021 und für den Bund macht es Lindner den nötigen Tick seriöser. Jetzt lehnt er mit offenem Hemd am Schreibtisch, schaut nicht mehr aufs Smartphone, sondern auf ein Papier. Links steht, Pink in Gelb und in Großbuchstaben „Nie gab es mehr zu tun“. Und daneben, winzig und viel, was.
Ist aber nicht schlimm. Sondern am Ende sogar egal. Die Uni Hohenheim erforscht seit Jahr und Tag die Wirkung von Plakaten. Und ist inzwischen sicher, dass beim Publikum als Einziges hängenbleibt: Bald wird gewählt. Ein Nichts ist das. Weniger als die Polizei erlaubt.