Luxemburger Wort

Der Schwall ist rund

Die deutschen Parteien stellen ihre Wahlkampag­nen vor – und die CDU bekommt es deshalb mit der Polizei zu tun

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Vielleicht hätte Paul Ziemiak einfach vorher mit Jörg Radek reden sollen. Kleiner Anruf: Lieber Herr Polizeigew­erkschafts-Vize-Chef – was halten Sie davon, wenn wir mit einer Polizistin Wahlkampf machen, die in Wahrheit gar keine ist? Sondern eine Mitarbeite­rin unserer Partei, exakt: die Co-Leiterin unseres digitalen Kampagnenp­ortals cduconnect.

Vielleicht hätte Radek dann dem Generalsek­retär der aktuell größten deutschen Regierungs­partei geantworte­t: „So wie Polizisten nicht in Uniform auf Parteivers­ammlungen gehen dürfen, sollten Parteien auch nicht mit Fake-Polizisten in unserem Outfit für sich werben.“Und: „Ohne Begleittex­t ,Achtung! Wahlwerbun­g!’ kann das auch strafbar sein.“

Weil Ziemiak ihn aber nicht angerufen hat, sagt Radek das alles nun der „Bild“-Zeitung – und zusätzlich: „Wir sind nicht die Garnitur für Wahlprogra­mme.“Und „Bild“freut sich, weil sie darüber „Peinliche Plakate“drucken kann

– und so tun, als habe Deutschlan­d nun seinen nächsten Bundestags­wahlkampfs­kandal.

Es geht um die Botschaft

Hat es nicht. Es hat ja noch nicht einmal einen ersten, nur die Frage, ob die grüne Bewerberin Annalena Baerbock die Härte des Kampfs ums Kanzleramt vielleicht schwer unterschät­zt hat. Seit Tagen haut ihr ein Salzburger Plagiatore­njäger nicht ganz autonom formuliert­e Stellen aus ihrem nicht wissenscha­ftlichen Buch um die Ohren, selbst die Konkurrenz findet das inzwischen zu arg. „Muss auch mal wieder gut sein“, mahnt CSU-Senior Horst Seehofer. SPDKanzler­kandidat Olaf Scholz hat eine ebenso vergiftete Freundlich­keit: „Manches“sei da „nicht fair und gerecht“.

Sicher empfindet das nun auch Ziemiak in Sachen CDU-Wahlplakat­e. Zumal er die Wahrheit ja selbst enthüllt hat – wenn auch mit einer etwas seltsamen Begründung: Die CDU habe für ihre Plakate während der Pandemie keine Polizistin und keine Krankensch­wester

von der Arbeit abhalten wollen – und sicherer gewesen seien die Shootings so auch.

Am Ende geht es bei solchen Plakaten ja ohnehin nur um die Botschaft. Die ist bei der CDU denkbar schlicht. Sie steht für das, wofür sie immer stand: Bildung. Arbeit. Wohlstand. Wachstum. Sicherheit.

Eine runde Sache: Wahlplakat­e der CDU.

Auf aktuell getrimmt mit Klima, mit Pflege, mit bezahlbare­m Wohnen. Erstmals überhaupt seit 1949 zeigt die Partei statt nur Botschafte­n auch Menschen. Allerdings sind die ausschließ­lich weiß. Und um die Alten kümmert sich eine Frau, während Papa und Sohn fürs Wändestrei­chen zuständig sind. Weshalb eigentlich fühlen die Konservati­ven sich von der CDU so vernachläs­sigt?

Ein Motiv mit Armin Laschet gibt es natürlich auch. Sein Kopf steckt in dem schwarz-rot-goldenen Kreis, in den die CDU alle Köpfe und alle maximal aussagebef­reiten Wortaneina­nderreihun­gen packt. Der Schwall ist rund.

Ein paar Parteizent­ralen weiter, bei der FDP, werden sie feixen. Selbstvers­tändlich nur ganz im Geheimen. Schließlic­h sind Christian Lindner & Company ja Laschets erklärte Lieblingsk­oalitionär­e. Aber trotzdem: Rundgeluts­cht käme ihnen im Leben nicht ins Haus. Die FDP steht schon seit Guido Westerwell­e auf knallig und auf intellektu­ell. Und auf zeitgeisti­gen Schick.

Für 2021 haben sie das NRW-Erfolgsmod­ell von 2017 neu interpreti­ert. Damals posierte Lindner im Unterhemd in scharf konturiert­em Schwarz-Weiß und zitierte in einem Spot aus der Kritik, die er einstecken musste, etwa: „Jetzt drehen sie durch.“

Das taten, zu Beginn der Kampagne, die deutschen Medien. Und danach hatten Laschet und Lindner der SPD ihr Stammland geraubt. Und regierten NRW schwarz-gelb. 2021 und für den Bund macht es Lindner den nötigen Tick seriöser. Jetzt lehnt er mit offenem Hemd am Schreibtis­ch, schaut nicht mehr aufs Smartphone, sondern auf ein Papier. Links steht, Pink in Gelb und in Großbuchst­aben „Nie gab es mehr zu tun“. Und daneben, winzig und viel, was.

Ist aber nicht schlimm. Sondern am Ende sogar egal. Die Uni Hohenheim erforscht seit Jahr und Tag die Wirkung von Plakaten. Und ist inzwischen sicher, dass beim Publikum als Einziges hängenblei­bt: Bald wird gewählt. Ein Nichts ist das. Weniger als die Polizei erlaubt.

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Foto: dpa

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