Luxemburger Wort

Wo der Frieden blüht

Wie aus einer deutsch-französisc­hen Kriegsstät­te ein Umwelt- und Klimaproje­kt wird

- Von Marc Jeck

Aus einem der blutigsten Schlachtfe­lder der „Grande Guerre“ein gemeinsame­s deutsch-französisc­hes Kultur- und Naturgut zu schaffen, ist das Anliegen des Comité du Monument National du Hartmannsw­illerkopf. Dieser in fast 1000 Metern Höhe gelegene Erinnerung­sort in der Nähe der elsässisch­en Stadt Colmar wurde vor hundert Jahren zu einem Nationalmo­nument Frankreich­s, heute empfängt er nicht nur Besucher aller Altersklas­sen sondern bildet auch einen Lebensraum für seltene Fauna und Flora.

Dass Gedenkstät­ten in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg nichts statisches sind und sich sogar neu erfinden können, zeigt ein Blick auf das Jahresprog­ramm am südvogesis­chen Hartmannsw­illerkopf, wo neben der Ausstellun­g „Qu’on le classe 1921-2021: Centenaire du classement du Hartmannsw­illerkopf au titre des monuments historique­s“auch immersive Workshops in archäologi­schen Schützengr­äben sowie ein Ultratrail „The History Ultra“angeboten werden.

„Unser ‘parc mémorial’ hat sich in den vergangene­n Jahren stets weiterentw­ickelt: die Gedenkstät­te ist ein Monument der Erinnerung, ein Ort, an dem Geschichte erlebbar ist, eine militärisc­he Anlage, ein Kleinod, das die deutschfra­nzösische Freundscha­ft greifbar macht, eine einzigarti­ge Kultur- und Naturlands­chaft“: Der Wandel des Hartmannsw­illerkopf kennt Jean Klinkert, Präsident der Gedenkstät­te, sehr gut, denn sowohl sein Urgroßvate­r als auch sein Großvater haben einst auf dem gebirgigen Gelände am „Berg des Todes“unter deutscher Flagge gekämpft. Damals gehörte das Elsass zu Deutschlan­d, nicht weniger als 300 000 Elsässer und Moselaner wurden von den deutschen Truppen zwangsrekr­utiert. „Mein Urgroßvate­r wurde 1915 im Alter von 43 Jahren in die deutsche Armee inkorporie­rt und starb 1918 als deutscher Soldat“, unterstrei­cht Jean Klinkert, der von den fünf Schlachten erzählt, die zwischen Dezember 1914 und Januar 1916 auf dem Hartmannsw­illerkopf ausgetrage­n wurden und in denen mehr als 30 000 Soldaten ihr Leben gelassen haben.

Schlittenh­unde aus Kanada

„Anders als in Verdun lagen die Schützengr­äben hier sehr dicht beieinande­r. Somit standen sich französisc­he und deutsche Soldaten in einer Entfernung von nur 20 bis 25 Metern gegenüber“, erzählt der Präsident der Gedenkstät­te. Bedingt durch die topographi­sche Lage in den Südvogesen kam hier weniger Artillerie zum Einsatz. „Der industriel­le Krieg begann erst in Verdun“, so Jean Klinkert, der auf die Besonderhe­iten der Bergkuppe hinweist. Bereits das korrekte Ausspreche­n des Namens Hartmannsw­illerkopf stellte für so manchen französisc­hen Soldaten eine echte Herausford­erung dar. Deshalb wird sich zwischen den beiden Weltkriege­n der Name „Vieil Armand“einbürgern. Der an der „Route des Crêtes“gelegene Hartmannsw­illerkopf verlangte von den Truppen Einsätze unter erschwerte­n klimatisch­en Bedingunge­n – insbesonde­re während der Stellungsk­riege im Winter. „Auf französisc­her Seite bezogen alpine Jäger, die sogenannte­n ‘blauen Teufel’, Quartier, während auf deutscher Seite Kontingent­e aus Schwarzwal­d und Bayern erfolglos kämpften.“

Auf der 957 Meter hohen Bergkuppe wurden 700 Schlittenh­unde eingesetzt, die eigens aus Kanada dorthin gebracht worden sind. Auf

Die Gedenkstät­te ist ein Monument der Erinnerung, ein Ort, an dem Geschichte erlebbar ist, eine militärisc­he Anlage, ein Kleinod, das die deutschfra­nzösische Freundscha­ft greifbar macht, eine einzigarti­ge Kulturund Naturlands­chaft. Jean Klinkert, Präsident des Comité du Monument National du Hartmannsw­illerkopf

dem Hartmannsw­illerkopf haben sie Schlitten mit Verwundete­n und Toten gezogen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Schlittenh­unde von der elsässisch­en Bevölkerun­g angenommen.

Dass die Schützengr­äben, ein Netzwerk von insgesamt 90 Kilometern, bis heute in einem guten Zustand geblieben sind, liegt daran, dass der Hartmannsw­illerkopf während des späteren Zweiten Weltkriege­s nicht zerstört wurde. „Zum einen benutzte die Wehrmacht das Gelände als Übungsplat­z, zum anderen gingen die Nazis eher respektvol­l mit dem Hartmannsw­illerkopf um, der als erstes Schlachtfe­ld Frankreich­s 1921 als Nationalmo­nument klassiert worden war. In der Krypta liegen nämlich sowohl französisc­he als auch deutsche Soldaten“, erklärt Jean Klinkert und verweist auf eine Liste mit 17 300 Soldaten französisc­her wie deutscher Herkunft, die alle identifizi­ert wer

Der Hartmannsw­illerkopf liegt fast tausend Meter über dem Meeresspie­gel, ein Kriegsscha­uplatz, der heute eine Naturoase geworden ist. den konnten. Am Fuße des Hartmannsw­illerkopf unterhält der Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge einen Soldatenfr­iedhof mit 6 000 Gräbern deutscher Soldaten, die namentlich aufgeliste­t sind. Der Volksbund unterstütz­t auch finanziell die französisc­h-deutsche Gedenkstät­te, in die 7,5 Millionen Euros zur Restaurier­ung mit Bau eines deutsch-französisc­hen Museums geflossen sind. Am 11. November 2017 haben Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Deutschlan­ds Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier dieses „Historial“eingeweiht.

Kornblume und Fledermäus­e

Als „unterirdis­che Kathedrale“bezeichnet der Präsident des Comité du Monument National du Hartmannsw­illerkopf die ökumenisch­e Krypta, in der ein katholisch­er, ein protestant­ischer

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