Denunziert und ausgeschlossen
Lehrer in Luxemburg mussten 1940 eine Liste ihrer jüdischen Schüler anfertigen
Über Jahrzehnte schlummerte sie weitgehend unbeachtet im Nationalarchiv, die Liste der 280 jüdischen Kinder von vier bis 14 Jahren an Luxemburger Schulen. Am Ende des Schuljahres 1939/40 hatten die Klassenlehrer an allen Grundschulen und Lyzeen zu melden, welche ihrer Schüler jüdischen Glaubens waren.
Auch Marion Deichmanns Name taucht auf dem handschriftlichen Verzeichnis ihrer Lehrerin und auf der nationalen Liste auf. Laut der antisemitischen Gesetze, die ab September 1940 in Luxemburg galten, wurden die Kinder auf der Liste zu Beginn des neuen Schuljahres vom Unterricht ausgeschlossen.
Die Historiker Paul Dostert und Paul Cerf hatten die Liste zwar schon in den 1980er-Jahren erwähnt, politische Brisanz bekam sie aber erst 2013, als ein Forschungsteam um Vincent Artuso von Premierminister Jean-Claude Juncker den Auftrag erhielt, die Rolle der Verwaltungskommission 1940 aufzuarbeiten.
Die Verwaltungskommission diente als luxemburgische Ersatzregierung, nachdem die offizielle Regierung ins Exil gegangen war. Im Laufe des Jahres 1940 nahmen ihre Befugnisse nach und nach ab, während der Chef der Zivilverwaltung, Gauleiter Gustav Simon, mit seiner Militärbehörde die Macht in immer mehr Lebensbereichen übernahm.
Die Historiker Vincent Artuso und Denis Scuto sind überzeugt, dass die Verwaltungskommission mit den NS-Besatzern kollaboriert hat und führen unter anderem die Liste der jüdischen Schüler als Beleg an. Sie wurde vom Chef der Verwaltungskommission Albert Wehrer und dem Regierungsrat für Schulwesen in Auftrag gegeben.
Andere Historiker wie Charles Barthel bestreiten eine aktive Rolle der Verwaltungskommission bei der Judenverfolgung. Sie habe kaum Handlungsspielraum besessen und sei um Kompromisse mit den Besatzern bemüht gewesen.
Bis heute ist die Diskussion um eine mögliche Beteiligung der Verwaltungskommission an der Judenverfolgung in Luxemburg nicht beendet.
Die Ausstellung „Gleef dat net...!“im Lëtzebuerg City Museum über Verschwörungstheorien greift das kontroverse Thema auf (zu sehen bis 16. Januar). vb