Raus aus Afghanistan
Die USA beenden den längsten Krieg ihrer Geschichte nach fast 20 Jahren Ende August dieses Jahres
George W. Bush erläuterte vier Tage nach Beginn des Kriegs in Afghanistan im „East Room“des Weißen Hauses die Ziele der USA am Hindukusch. „Wir haben eine wichtige Lektion aus Vietnam gelernt“, sagte der Präsident einer Nation, die noch unter dem Schock der Terroranschläge vom 11. September 2001 stand. „Diese Schlacht wird so lange dauern, bis wir die Al-Kaida zur Strecke gebracht haben.“
Zehn Jahre später verkündete Barack Obama ebenfalls aus dem „East Room“den Tod Osama bin Ladens. Der Präsident erinnerte an „fast zehn Jahre an Dienst, Kampf und Opfer“, ein wesentliches Ziel im Krieg gegen den Terror erreicht zu haben. „Wir verstehen, was die Kosten des Kriegs sind.“Obamas damaliger Vizepräsident Joe Biden hatte vergeblich dafür geworben, die US-Truppen vom Hindukusch abzuziehen.
Zwei Billionen Dollar
Dass Biden als Präsident der Vereinigten Staaten wieder den „East Room“als Kulisse wählt, seine Entscheidung zu verteidigen, den längsten Krieg Amerikas zu beenden, steht aus Sicht von Analysten für Kontinuität und Wandel eines Einsatzes, bei dem mehr als 2 300 US-Soldaten ums Leben kamen und rund 20 000 zum Teil schwere Verletzungen erlitten. Insgesamt kostete die USA der Krieg rund zwei Billionen Dollar.
Wenige Tage nach dem Abzug der letzten US-Streitkräfte vom Luftwaffenstützpunkt in Bagram vor rund einer Woche terminierte US-Präsident Biden nun von diesem symbolischen Ort aus den Abschluss des Truppenabzugs. „Unsere militärische Mission in Afghanistan wird am 31. August enden.“
Der Einsatz habe zwei Ziele gehabt, wehrte sich der Präsident gegen den Vorwurf, 40 Millionen Afghanen im Stich zu lassen. Die USA wollten Bin Laden „an die Pforten der Hölle bringen“und der Al-Kaida den Nährboden entziehen, die USA von Afghanistan aus anzugreifen. „Wir haben beide Ziele erreicht.“
Nun liege es an den Afghanen selbst und deren Regierung, über den eigenen Weg zu bestimmen. „Wir sind nicht nach Afghanistan gegangen, um eine Nation aufzubauen“, sagte Biden, der den Wandel der militärischen Mission unter Bush hin zum Aufbau eines demokratischen Staates in Afghanistan von Anfang an kritisiert hatte. „Ich werde nicht noch eine weitere Generation Amerikaner in den Krieg schicken.“
Große Mehrheiten in beiden Parteien unterstützen den Abzug aus Afghanistan, über den in den USA öffentlich so gut wie nicht gestritten wird. Dass die Taliban nicht die Absicht haben, sich an die im Februar 2020 im Grundsatz vereinbarten Bedingungen für einen US-Abzug zu halten, ändert nichts an der Entschlossenheit Bidens, seine Entscheidung durchzuziehen.
Die kritisierte Intransparenz beim Abzug der letzten 2 500 USSoldaten sei der Sicherheit der Truppen geschuldet, erläuterte der Präsident das Vorgehen. „Geschwindigkeit bedeutet Sicherheit.“Biden widersprach der von vielen Experten geäußerten Ansicht, dass die afghanische Regierung binnen kurzer Zeit von den Taliban-Islamisten gestürzt werden könnte.
Logistische Unterstützung
Diese kontrollieren bereits zwischen einem Drittel bis zur Hälfte des Landes. Vor allem ländliche Gebiete, in denen Regierungseinheiten zu Hunderten überliefen. Das Überleben der Regierung hänge von derem „politischen Willen“und „der militärischen Macht“ab. Die USA würden die Machthaber in Kabul weiterhin logistisch unterstützen und hätten die Absicht, ihre Botschaft geöffnet zu halten.
Der Präsident reagierte gereizt auf Nachfragen von Reportern, die Vergleiche zum Ende des Vietnamkriegs zogen, als US-Diplomaten per Helikopter aus der Botschaft in Saigon evakuiert werden mussten. Eine Resttruppe von bis zu 1 000 Soldaten zum Schutz der diplomatischen Vertretung in der Green Zone in Kabul und des internationalen Flughafens soll Bilder wie die von 1975 verhindern.
Biden versprach auch, die Übersetzer und Ortskräfte zu schützen, die den Amerikanern in den vergangenen 20 Jahren geholfen hatten. Die Zahl der Visa werde „dramatisch ausgeweitet“sowie die kurzfristige Übersiedlung in Drittländer, US-Territorien und auf USMilitärstützpunkte außerhalb Afghanistans als Zwischenlösung geprüft. „Wir werden an ihrer Seite stehen, wie sie an unserer Seite gestanden haben.“