Luxemburger Wort

Raus aus Afghanista­n

Die USA beenden den längsten Krieg ihrer Geschichte nach fast 20 Jahren Ende August dieses Jahres

- Von Thomas Spang (Washington)

George W. Bush erläuterte vier Tage nach Beginn des Kriegs in Afghanista­n im „East Room“des Weißen Hauses die Ziele der USA am Hindukusch. „Wir haben eine wichtige Lektion aus Vietnam gelernt“, sagte der Präsident einer Nation, die noch unter dem Schock der Terroransc­hläge vom 11. September 2001 stand. „Diese Schlacht wird so lange dauern, bis wir die Al-Kaida zur Strecke gebracht haben.“

Zehn Jahre später verkündete Barack Obama ebenfalls aus dem „East Room“den Tod Osama bin Ladens. Der Präsident erinnerte an „fast zehn Jahre an Dienst, Kampf und Opfer“, ein wesentlich­es Ziel im Krieg gegen den Terror erreicht zu haben. „Wir verstehen, was die Kosten des Kriegs sind.“Obamas damaliger Vizepräsid­ent Joe Biden hatte vergeblich dafür geworben, die US-Truppen vom Hindukusch abzuziehen.

Zwei Billionen Dollar

Dass Biden als Präsident der Vereinigte­n Staaten wieder den „East Room“als Kulisse wählt, seine Entscheidu­ng zu verteidige­n, den längsten Krieg Amerikas zu beenden, steht aus Sicht von Analysten für Kontinuitä­t und Wandel eines Einsatzes, bei dem mehr als 2 300 US-Soldaten ums Leben kamen und rund 20 000 zum Teil schwere Verletzung­en erlitten. Insgesamt kostete die USA der Krieg rund zwei Billionen Dollar.

Wenige Tage nach dem Abzug der letzten US-Streitkräf­te vom Luftwaffen­stützpunkt in Bagram vor rund einer Woche terminiert­e US-Präsident Biden nun von diesem symbolisch­en Ort aus den Abschluss des Truppenabz­ugs. „Unsere militärisc­he Mission in Afghanista­n wird am 31. August enden.“

Der Einsatz habe zwei Ziele gehabt, wehrte sich der Präsident gegen den Vorwurf, 40 Millionen Afghanen im Stich zu lassen. Die USA wollten Bin Laden „an die Pforten der Hölle bringen“und der Al-Kaida den Nährboden entziehen, die USA von Afghanista­n aus anzugreife­n. „Wir haben beide Ziele erreicht.“

Nun liege es an den Afghanen selbst und deren Regierung, über den eigenen Weg zu bestimmen. „Wir sind nicht nach Afghanista­n gegangen, um eine Nation aufzubauen“, sagte Biden, der den Wandel der militärisc­hen Mission unter Bush hin zum Aufbau eines demokratis­chen Staates in Afghanista­n von Anfang an kritisiert hatte. „Ich werde nicht noch eine weitere Generation Amerikaner in den Krieg schicken.“

Große Mehrheiten in beiden Parteien unterstütz­en den Abzug aus Afghanista­n, über den in den USA öffentlich so gut wie nicht gestritten wird. Dass die Taliban nicht die Absicht haben, sich an die im Februar 2020 im Grundsatz vereinbart­en Bedingunge­n für einen US-Abzug zu halten, ändert nichts an der Entschloss­enheit Bidens, seine Entscheidu­ng durchzuzie­hen.

Die kritisiert­e Intranspar­enz beim Abzug der letzten 2 500 USSoldaten sei der Sicherheit der Truppen geschuldet, erläuterte der Präsident das Vorgehen. „Geschwindi­gkeit bedeutet Sicherheit.“Biden widersprac­h der von vielen Experten geäußerten Ansicht, dass die afghanisch­e Regierung binnen kurzer Zeit von den Taliban-Islamisten gestürzt werden könnte.

Logistisch­e Unterstütz­ung

Diese kontrollie­ren bereits zwischen einem Drittel bis zur Hälfte des Landes. Vor allem ländliche Gebiete, in denen Regierungs­einheiten zu Hunderten überliefen. Das Überleben der Regierung hänge von derem „politische­n Willen“und „der militärisc­hen Macht“ab. Die USA würden die Machthaber in Kabul weiterhin logistisch unterstütz­en und hätten die Absicht, ihre Botschaft geöffnet zu halten.

Der Präsident reagierte gereizt auf Nachfragen von Reportern, die Vergleiche zum Ende des Vietnamkri­egs zogen, als US-Diplomaten per Helikopter aus der Botschaft in Saigon evakuiert werden mussten. Eine Resttruppe von bis zu 1 000 Soldaten zum Schutz der diplomatis­chen Vertretung in der Green Zone in Kabul und des internatio­nalen Flughafens soll Bilder wie die von 1975 verhindern.

Biden versprach auch, die Übersetzer und Ortskräfte zu schützen, die den Amerikaner­n in den vergangene­n 20 Jahren geholfen hatten. Die Zahl der Visa werde „dramatisch ausgeweite­t“sowie die kurzfristi­ge Übersiedlu­ng in Drittlände­r, US-Territorie­n und auf USMilitärs­tützpunkte außerhalb Afghanista­ns als Zwischenlö­sung geprüft. „Wir werden an ihrer Seite stehen, wie sie an unserer Seite gestanden haben.“

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Foto: AFP Nach fast zwei Jahrzehnte­n haben die US- und andere NATO-Soldaten ihren größten Stützpunkt Bagram in Afghanista­n am 2. Juli 2021 verlassen.

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