„Das kannte man so in Luxemburg nicht“
Der vielseitige und experimentierfreudige Künstler Romain Urhausen ist im Alter von 90 Jahren verstorben
Wer als Pressevertreter gestern um eine Stellungnahme zum Tod von Romain Urhausen bat, musste sich mehr als gedulden. Luxemburgs Spezialisten und Fachleute rund um die Fotografie und Vertreter der Kulturpolitik sind zu den „Rencontres d’Arles“– dem internationalen französischen FotoFestival – unterwegs und unterstützen die Luxemburger Präsentation vor Ort.
Als Luxemburg die Kooperation mit dem Festival neu schloss und dort im Sommer 2017 die Schau „FLUX Feelings“als erste Visitenkarte zum Fotoschaffen im Großherzogtum zeigte, waren ganz bewusst auch Urhausens Arbeiten mit dabei. Auf seine Art revolutionierte er die Fotoszene im Land oder wie Hans Fellner, Galerist und Szenekenner, zur Todesnachricht auf Facebook urteilte: „Romain Urhausen, Du warst ein ganz toller Typ und hattest wirklich was drauf!“.
„Artist vun internationaler Renommée“
Und wer Urhausen bei der Präsentation der ihm gewidmeten Perspektive 2016 im Centre national de l’audiovisuel selbst im hohen Alter mit seinem messerscharfen Geist erlebte, bekam eine Ahnung davon, wie breit interessiert und neugierig er war. Diese Facetten lassen sich auch in der offiziellen Beileidsbekundung des CNATeams herauslesen: „Mat grousser Trauer huet d’Equipe vum Centre national de l’audiovisuel op d’Noriicht vum Romain Urhausen sengem Doud reagéiert. Als Fotograf, Designer, Architekt, Filmrealisateur a Sculpteur, wor hien net nëmmen en villsäitegen Artist vun internationaler Renommée, mee fir eis hei am CNA och ee Frënd a Collaborateur,
mat deem mir gären zesumme geschafft hunn. Esou hate mir 2016 d’Geleeënheet mat him zesummen eng Ausstellung ze produzéieren, déi ee Bléck op säin ganzt eenzegaartegt Wierk erlaabt huet. Mam Romain Urhausen verléiert d’Lëtzebuerger Kulturzeen een aflossräiche Kënschtler, deem säin experimentelle Courage an seng Kreativitéit sie wärend Jore geprägt huet.“
Erst spät erkannten die Luxemburger Fachleute diesen breiten und vielfältigen Reichtum seines Werks. Dank der Aufarbeitung durch Marguy Conzemius – damals als Kuratorin in Diensten des CNA – kamen über die Retrospektive die besonderen Züge seines Schaffens neu zum Vorschein. Und die waren immer von einer großen Neugier geprägt. Urhausen beschrieb im LW-Interview 2016, wie er sich als junger Mann nicht mit dem zufrieden geben wollte, was Luxemburg ihm damals bot. Alles, was dem jungen Romain an internationalen Magazinen in die Hände kam, blätterte er durch, nein, er durchforstete sie regelrecht nach neuen Eindrücken – irgendwann war klar, dass ihn das Großherzogtum nicht halten könnte. „Es gab solche Fotografien hier in Luxemburg überhaupt nicht“, erinnerte er sich. Die Fotografie war der Einstieg in die lange Karriere des Kreativen. Erst war es das kurze Studium Paris, dann die Impulse des großen Meisters Otto Steinert in Saarbrücken, die ihm seinen Weg in das Metier bahnten.
Die Ergebnisse dieser stetigen neugierigen Suche sprechen bis heute für sich: Intensive Fotoarbeiten – wie der Bildband zum Pariser Großmarkt „Les Halles“zum Beispiel, der nicht nur in Frankreich für Furore sorgte. Meisterliche Arbeiten der „subjektiven Fotografie“, abstrahierende Werke
mit einem herausfordernden Spiel mit Licht und Schatten im klassischen Schwarz-Weiß. Oder die besonderen Bilder, die er in Esch/Alzette einfing, als er dort zwischen 1954 und 1957 ein Fotostudio betrieb – Dokumentation und Kunst in einem.
„Immer wieder ist es das Experimentelle, das Denkschubladen einfach scheitern lässt. Experimentellere Arbeiten in scheinbar klaren Gruppen wie der humanistischen Fotografie oder der Architekturfotografie machen eine Aufarbeitung schwierig – das spiegelt die Ausstellung auch wider“, so Conzemius zur damaligen CNASchau.
Immer wieder ist es das Experimentelle, das Denkschubladen einfach scheitern lässt. Marguy Conzemius, Kuratorin der Urhausen-Retrospektive 2016
Der Tod von Urhausen ist auch ein Auftrag an die Nachlassverwalter und wirft die Frage um die Dokumentation des Luxemburger Kunstschaffens erneut auf. Zum Glück konnte das CNA bereits Teile von Urhausens Fotoschaffen für die eigene Sammlung sichern und mit dem Katalog zur Retrospektive Aufarbeitungen anstoßen. Doch was passiert mit seinen weiteren Stücken? Gerade deswegen ist die Debatte um mehr Dokumentation und ein Dokumentationszentrum so wichtig. Und nicht zuletzt zeigt die neue Bourse des Arts Council Kultur:LX, dass Strukturen und Aufarbeitungen nicht nur im Bereich der Bildenden Kunst notwendig sind.