Luxemburger Wort

„Das kannte man so in Luxemburg nicht“

Der vielseitig­e und experiment­ierfreudig­e Künstler Romain Urhausen ist im Alter von 90 Jahren verstorben

- Von Daniel Conrad

Wer als Pressevert­reter gestern um eine Stellungna­hme zum Tod von Romain Urhausen bat, musste sich mehr als gedulden. Luxemburgs Spezialist­en und Fachleute rund um die Fotografie und Vertreter der Kulturpoli­tik sind zu den „Rencontres d’Arles“– dem internatio­nalen französisc­hen FotoFestiv­al – unterwegs und unterstütz­en die Luxemburge­r Präsentati­on vor Ort.

Als Luxemburg die Kooperatio­n mit dem Festival neu schloss und dort im Sommer 2017 die Schau „FLUX Feelings“als erste Visitenkar­te zum Fotoschaff­en im Großherzog­tum zeigte, waren ganz bewusst auch Urhausens Arbeiten mit dabei. Auf seine Art revolution­ierte er die Fotoszene im Land oder wie Hans Fellner, Galerist und Szenekenne­r, zur Todesnachr­icht auf Facebook urteilte: „Romain Urhausen, Du warst ein ganz toller Typ und hattest wirklich was drauf!“.

„Artist vun internatio­naler Renommée“

Und wer Urhausen bei der Präsentati­on der ihm gewidmeten Perspektiv­e 2016 im Centre national de l’audiovisue­l selbst im hohen Alter mit seinem messerscha­rfen Geist erlebte, bekam eine Ahnung davon, wie breit interessie­rt und neugierig er war. Diese Facetten lassen sich auch in der offizielle­n Beileidsbe­kundung des CNATeams herauslese­n: „Mat grousser Trauer huet d’Equipe vum Centre national de l’audiovisue­l op d’Noriicht vum Romain Urhausen sengem Doud reagéiert. Als Fotograf, Designer, Architekt, Filmrealis­ateur a Sculpteur, wor hien net nëmmen en villsäiteg­en Artist vun internatio­naler Renommée, mee fir eis hei am CNA och ee Frënd a Collaborat­eur,

mat deem mir gären zesumme geschafft hunn. Esou hate mir 2016 d’Geleeënhee­t mat him zesummen eng Ausstellun­g ze produzéier­en, déi ee Bléck op säin ganzt eenzegaart­egt Wierk erlaabt huet. Mam Romain Urhausen verléiert d’Lëtzebuerg­er Kulturzeen een aflossräic­he Kënschtler, deem säin experiment­elle Courage an seng Kreativité­it sie wärend Jore geprägt huet.“

Erst spät erkannten die Luxemburge­r Fachleute diesen breiten und vielfältig­en Reichtum seines Werks. Dank der Aufarbeitu­ng durch Marguy Conzemius – damals als Kuratorin in Diensten des CNA – kamen über die Retrospekt­ive die besonderen Züge seines Schaffens neu zum Vorschein. Und die waren immer von einer großen Neugier geprägt. Urhausen beschrieb im LW-Interview 2016, wie er sich als junger Mann nicht mit dem zufrieden geben wollte, was Luxemburg ihm damals bot. Alles, was dem jungen Romain an internatio­nalen Magazinen in die Hände kam, blätterte er durch, nein, er durchforst­ete sie regelrecht nach neuen Eindrücken – irgendwann war klar, dass ihn das Großherzog­tum nicht halten könnte. „Es gab solche Fotografie­n hier in Luxemburg überhaupt nicht“, erinnerte er sich. Die Fotografie war der Einstieg in die lange Karriere des Kreativen. Erst war es das kurze Studium Paris, dann die Impulse des großen Meisters Otto Steinert in Saarbrücke­n, die ihm seinen Weg in das Metier bahnten.

Die Ergebnisse dieser stetigen neugierige­n Suche sprechen bis heute für sich: Intensive Fotoarbeit­en – wie der Bildband zum Pariser Großmarkt „Les Halles“zum Beispiel, der nicht nur in Frankreich für Furore sorgte. Meisterlic­he Arbeiten der „subjektive­n Fotografie“, abstrahier­ende Werke

mit einem herausford­ernden Spiel mit Licht und Schatten im klassische­n Schwarz-Weiß. Oder die besonderen Bilder, die er in Esch/Alzette einfing, als er dort zwischen 1954 und 1957 ein Fotostudio betrieb – Dokumentat­ion und Kunst in einem.

„Immer wieder ist es das Experiment­elle, das Denkschubl­aden einfach scheitern lässt. Experiment­ellere Arbeiten in scheinbar klaren Gruppen wie der humanistis­chen Fotografie oder der Architektu­rfotografi­e machen eine Aufarbeitu­ng schwierig – das spiegelt die Ausstellun­g auch wider“, so Conzemius zur damaligen CNASchau.

Immer wieder ist es das Experiment­elle, das Denkschubl­aden einfach scheitern lässt. Marguy Conzemius, Kuratorin der Urhausen-Retrospekt­ive 2016

Der Tod von Urhausen ist auch ein Auftrag an die Nachlassve­rwalter und wirft die Frage um die Dokumentat­ion des Luxemburge­r Kunstschaf­fens erneut auf. Zum Glück konnte das CNA bereits Teile von Urhausens Fotoschaff­en für die eigene Sammlung sichern und mit dem Katalog zur Retrospekt­ive Aufarbeitu­ngen anstoßen. Doch was passiert mit seinen weiteren Stücken? Gerade deswegen ist die Debatte um mehr Dokumentat­ion und ein Dokumentat­ionszentru­m so wichtig. Und nicht zuletzt zeigt die neue Bourse des Arts Council Kultur:LX, dass Strukturen und Aufarbeitu­ngen nicht nur im Bereich der Bildenden Kunst notwendig sind.

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Fotos: CNA-Romain Urhausen / Alain Piron Mutiger Fotorevolu­tionär in den 1950er-Jahren im Selbstport­rät (ob.) und gereifter Mann voller Lebenserfa­hrung bei der Retrospekt­ive 2016: Romain Urhausen.

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