Luxemburger Wort

„Es ist ein Thema“

Armeeminis­ter François Bausch erklärt, weshalb sich das Militär eingehend mit der Klimafrage beschäftig­en muss

- Interview: Marc Schlammes

Ein Grüner als Armeeminis­ter: Das ist bei der Ressortver­teilung Ende 2018 für mehr als einen Beobachter eine gewöhnungs­bedürftige Konstellat­ion. Genauso gewöhnungs­bedürftig erscheint es, wenn dieser Minister den Kampf gegen den Klimawande­l in den Kasernen und Kommandoze­ntralen thematisie­ren will. Und doch gebe es gute Gründe sich damit zu befassen, wie François Bausch im Interview darlegt.

François Bausch, China rüstet auf, zwischen dem Westen und Russland ist Kalter-Krieg-Stimmung angesagt: Droht der Zusammenha­ng zwischen Klima und Sicherheit da nicht unterzugeh­en?

Dieses Risiko ist natürlich reell und die rasante wirtschaft­liche und militärisc­he Entwicklun­g Chinas droht alle anderen Aspekte zu überlagern. Die Wahrnehmun­g hängt aber immer mit den tonangeben­den Akteuren zusammen und da erkenne ich beispielsw­eise bei der neuen US-Regierung ein Gespür für die Thematik. Da bin ich dann schon optimistis­cher gestimmt als vor drei Jahren.

Das heißt, in Militärkre­isen und in der Politik gibt es nun ein Bewusstsei­n für den Klimawande­l als Sicherheit­sfaktor?

Auch wenn für mich von Beginn an klar war, dass ich das Verhältnis zwischen Sicherheit und Klimawande­l thematisie­ren will, wurde es zu Beginn wie ein exotisches Thema aufgenomme­n, ob bei Ministerra­tstreffen oder in Diplomaten­und Militärkre­isen. Diese Haltung hat sich mittlerwei­le grundlegen­d geändert, wie auch der rezente NATO-Gipfel zeigt: In ihrer strategisc­hen Ausrichtun­g bis 2030 gehört der Klimawande­l zu den Prioritäte­n. Und letztlich spielen auch Alltagsere­ignisse mit: Wenn Militärbas­en von Wetterextr­emen heimgesuch­t werden und die Manövrierf­ähigkeit von Einheiten nicht mehr gewährleis­tet ist, wird die Bewusstsei­nsbildung forciert.

Inwieweit ist es in puncto Glaubwürdi­gkeit und Überzeugun­g hilfreich, dass ein grüner Politiker das Thema aufgreift?

Das hat ganz sicher geholfen. Abgesehen von der anfänglich­en Skepsis, dass ein Grüner diesen Punkt natürlich besetzen muss, haben die meisten mittlerwei­le erkannt, dass es sich nicht um ÖkoSpinner­eien handelt, sondern um eine handfeste Herausford­erung. Auch deshalb war es wichtig, dass Déi Gréng das Ressort übernommen haben. Wir finden Gehör, bis hin zu NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g. Dabei hat ein luxemburgi­scher Minister den Vorteil, dass ihm, im Gegensatz zu den großen Partnern, keine militärisc­hen oder wirtschaft­lichen Hintergeda­nken in seine Ideen hineininte­rpretiert werden können.

Wie steht es um die Aufgeschlo­ssenheit bei der luxemburgi­schen Armee?

Die ist absolut gegeben. Die aktuelle Führung um General Steve

Thull verfügt über das nötige Gespür und ist sich beispielsw­eise bewusst, dass auch eine moderne Armee ihren Beitrag zur Reduzierun­g des ökologisch­en Fußabdruck­s leisten muss.

Der ökologisch­e Fußabdruck des Militärs ist enorm. Wie sieht es für Luxemburg aus?

Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, auf deren Grundlage wir ein nachhaltig­es Monitoring praktizier­en können. Nur so können wir von einem Ist-Zustand ausgehend belegen, inwieweit wir durch verschiede­ne Maßnahmen, zum Beispiel die Renovierun­g der Kasernen, einen Beitrag zur CO2Einspar­ung leisten.

Wo sehen Sie denn konkret Einsparpot­enzial?

Wie schon erwähnt auf technische­r Ebene, ob mit einer energieeff­izienten Gebäudeges­taltung oder mit mobilen Solaranlag­en statt Generatore­n, die mit fossiler Energie betrieben werden. Die Forschung ist ein weiteres Feld, insbesonde­re mit Blick auf alternativ­e Antriebsar­ten, denn der heutige Verbrauch ist gigantisch. Wasserstof­f kann beispielsw­eise für die Marine eine Option darstellen. Und dann müssen wir das Potenzial beim Bündeln von Kräften ausschöpfe­n. Ich denke an das gemeinsame belgisch-luxemburgi­sche Bataillon oder das von mehreren Ländern, darunter Luxemburg, betriebene „Multi Role Tanker Transport“-Programm. Eine kluge Zusammenar­beit reduziert automatisc­h den Fußabdruck. Deshalb störe ich mich auch so fundamenta­l an der Vorgabe, dass die NATO-Partner zwei Prozent ihres BIP investiere­n müssen: Das ist eine politisch festgelegt­e Quote, die nichts über die Wirksamkei­t von Militäraus­gaben aussagt. Es kommt auf das „Wie“dieser Ausgaben an, nicht auf das „Wieviel“.

Die Zusammenhä­nge zwischen Klima und Sicherheit sollen auch im November bei der nächsten Weltklimak­onferenz zur Sprache kommen. Hätte sich die COP nicht längst der Problemati­k widmen müssen?

Ganz bestimmt. Dass dies nicht geschehen ist, reflektier­t letztlich die Krankheit der COP. Bei der Klimakonfe­renz leben die Akteure in ihren Blasen, da die Aktivisten, dort die Politiker, und jeder sucht die Schuld für den Klimawande­l beim anderen. Dabei braucht doch niemand mehr vom Klimawande­l überzeugt zu werden, der ist wissenscha­ftlich belegt. Mit der Folge, dass eben eine ganze Reihe von gesellscha­ftlich wichtigen Themen vernachläs­sigt wurden, weil der Blick für das große Ganze fehlte.

Diese Feststellu­ng gilt aber auch beim generellen Krisenmana­gement, denn Konflikte wie in Nahost oder in der Sahel-Zone haben auch eine ökologisch­e Komponente, ohne dass die bislang vordergrün­dig behandelt wurde.

Das hat vornehmlic­h damit zu tun, dass der Begriff „Sicherheit“immer sehr eingeschrä­nkt definiert wurde, mit den klassische­n Bereichen wie Abschrecku­ng oder Abrüstung. Mittlerwei­le hat sich das Blickfeld durch den Begriff der hybriden Bedrohung erweitert, bis hin zum Klimawande­l. Hinzu kommt, dass der Klimawande­l in vielen Teilen der

Erde die Konfliktbe­reitschaft in erhebliche­m Maße verschärft­e. Auch das hat dazu geführt, dass dem Begriff der Prävention eine stärkere Bedeutung beigemesse­n wird, auch in der NATO. Zumal nur Prävention gegen den Klimawande­l schützt. Es gibt keinen Impfstoff. Wenn ich erreichen möchte, dass es in der SahelZone weniger Krisen um Wasser und fruchtbare Böden gibt, muss ich bei den Ursachen ansetzen.

Das setzt ein neues Einsatzver­ständnis bei den Armeen voraus.

Erst einmal ist es wichtig, dass das Verständni­s für diese Zusammenhä­nge vorhanden ist. Daraufhin muss entspreche­nd gehandelt werden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die luxemburgi­sche Armee in der Sahel-Zone, wo sie zurzeit Ausbildung­saufgaben wahrnimmt, gemeinsam mit unserer Kooperatio­nshilfe Solaranlag­en errichtet, um Brunnen zu betreiben und die Wasservers­orgung zu gewährleis­ten. Eine Voraussetz­ung dafür ist, dass ein solches Engagement auch als Verteidigu­ngsleistun­g innerhalb der NATO anerkannt wird.

Wenn man beobachtet, wie seit geraumer Zeit in der Arktis die militärisc­he Präsenz zunimmt: Besteht nicht auch die Gefahr, dass der Klimawande­l und seine Folgen mit einem neuen militärisc­hen Wettrüsten einhergehe­n?

Das ist eine enorme Gefahr. Eigentlich müsste jeder besorgt darüber sein, dass die Arktis schon bald per Schiff durchquert werden kann. Wenn beispielsw­eise die atomare Abrüstung vertraglic­h festgelegt wird, ist das richtig und wichtig. Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsakteure sollten sich aber auch einmischen, damit Regionen wie die Arktis tabu bleiben und die dortigen Ressourcen unter der Erde bleiben. Auch hier braucht es internatio­nale Abkommen. Wird jedoch ein Wettlauf um die Ressourcen zugelassen, sind Konflikte allein schon bei der Regelung von Hoheitsrec­hten vorprogram­miert.

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Die Tram im Hintergrun­d passt nicht so recht in den Kontext des Interviews: „Eigentlich müsste jetzt ein Bild mit unserem Militärfli­eger A400M da hängen“, meint Minister François Bausch (Déi Gréng) schmunzeln­d über seine Wand-Deko.
Foto: Chris Karaba Die Tram im Hintergrun­d passt nicht so recht in den Kontext des Interviews: „Eigentlich müsste jetzt ein Bild mit unserem Militärfli­eger A400M da hängen“, meint Minister François Bausch (Déi Gréng) schmunzeln­d über seine Wand-Deko.

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