Luxemburger Wort

Habeck gegen einen „Neustart“

Co-Chef der deutschen Grünen räumt ein, dass die vergangene­n Wochen „kein Glanzstück“waren

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Berlin. Angesichts anhaltende­r Kritik an der deutschen Grünen-Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock hat Co-Parteichef Robert Habeck versichert, dass ein Wechsel der Kanzlerkan­didatur kein Thema sei. „Das ist Kokolores“, sagte Habeck, lange Zeit selbst als Kandidat gehandelt, der „Süddeutsch­en Zeitung“. Die Grünen hätten Baerbock gerade erst mit nahezu hundert Prozent zu ihrer Kanzlerkan­didatin gewählt. „Jetzt geht es darum, aus diesem Vertrauens­vorschuss, den sie von der Partei bekommen hat, das Beste zu machen.“

Kandidaten-Wechsel kein Thema

Baerbock hat nach Angaben einer Grünen-Sprecherin unterdesse­n die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung darum gebeten, einen „nunmehr knapp zehn Jahre zurücklieg­enden Sachverhal­t“im Zusammenha­ng mit einem damaligen Promotions­stipendium der Stiftung „noch einmal zu betrachten“. Anlass sind demnach Medienanfr­agen zu dem Stipendium. Baerbock hatte einem „Tagesspieg­el“-Bericht zufolge zwischen 2009 und 2012 mehr als 40 000 Euro erhalten. Die Doktorarbe­it im Bereich Völkerrech­t hatte sie nicht abgeschlos­sen. Auch die „Bild“-Zeitung berichtete am Samstag über den Schritt.

Die Kanzlerkan­didatin der Grünen steht in der Kritik, weil sich in ihrem Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“auffallend­e sprachlich­e Ähnlichkei­ten zu anderen Veröffentl­ichungen finden. Zuvor war bekannt geworden, dass sie Sonderzahl­ungen der Partei verspätet an den Bundestag gemeldet hatte. Partei und Kandidatin mussten zudem Angaben in Baerbocks Lebenslauf korrigiere­n.

„Diese Vorgänge waren für alle überrasche­nd“, sagte Habeck. „Hätten wir gewusst, dass an den Stellen solider hätte gearbeitet werden müssen, wäre da solider gearbeitet worden.“Er erklärte aber auch, in den gut zwei Monaten bis zum Wahlabend am 26. September könne man klar machen, „dass Vertrauen in die richtige Politik die Abstimmung bestimmen sollte“. Er sehe noch große Chancen, „dieses kostbare Gut Vertrauen zu erwerben“.

Auf die Frage „Sie haben nie über einen Wechsel gesprochen? Nie drüber nachgedach­t?“, erwiderte Habeck: „Nein. Das ist keine Debatte.“Zugleich sagte er, es habe handwerkli­che Fehler gegeben, die Baerbock ja auch eingeräumt habe.

Hoffen auf fulminante­n Wahlkampf Baerbock war im April vom Bundesvors­tand der Grünen als Kanzlerkan­didatin vorgeschla­gen und im Juni vom Parteitag bestätigt worden. Co-Parteichef Robert Habeck hatte ebenfalls Ambitionen auf die Kanzlerkan­didatur, steckte dann aber zurück.

Er betonte, es sei klar gewesen, dass „mit der Ausrufung einer Kanzlerkan­didatin eine Personalis­ierung einsetzt“. Die Grünen hätten gehofft, diese Personalis­ierung nutzen zu können, um ihre Themen nach vorn zu stellen. „Insofern müssen wir uns unsere Fehler schon selber ankreiden.“Es sei nicht die Aufgabe anderer, „uns davor zu schützen. Unsere Gegner dürfen uns kritisiere­n. Es ist Wahlkampf“.

Habeck versichert­e: „Wir brauchen keinen Neustart.“Er verwahrte sich zudem gegen den Eindruck, das Rennen ums Kanzleramt sei vorbei. „Gelaufen ist gar nichts“, betonte er. Die letzten Wochen seien „kein Glanzstück“gewesen. „Aber wir stehen noch immer sehr gut da – gut genug, um mit Freundlich­keit und Freude und der Leichtigke­it des Sommers einen fulminante­n Wahlkampf zu machen.“

Zugleich ging Habeck offensiv in die Auseinande­rsetzung mit der politische­n Konkurrenz. So bezeichnet­e er etwa die Kampagne der Union als „Bebilderun­g von Unseriosit­ät“. Die Union sage, sie wolle das Klima schützen und neue Jobs schaffen, habe aber die Solarindus­trie schwer beschädigt und die Windenergi­e ausgebrems­t. „Und Armin Laschet sagt, er wolle ein Modernisie­rungsjahrz­ehnt. Ja, wer hat denn die letzten anderthalb Jahrzehnte regiert?“, so Habeck. „Die Union gaukelt Politik vor aus Ermangelun­g von Antworten.“

Nachforsch­ungen zu Stipendium

Im Zusammenha­ng mit Baerbocks nicht abgeschlos­senem Promotions­verfahren berichtete die „Bild“-Zeitung am Samstag, die Böll-Stiftung unterliege einer Förderrich­tlinie des Forschungs­ministeriu­ms. Demnach dürften Personen kein Stipendium bekommen, die einer „Erwerbstät­igkeit von mehr als einem Achtel der regelmäßig­en wöchentlic­hen Arbeitszei­t“nachgingen oder „einer anderen Tätigkeit, die die Arbeitskra­ft des Geförderte­n überwiegen­d in Anspruch nimmt“. Die Sprecherin der Grünen verweist in ihrer Stellungna­hme darauf, dass Baerbock in der Zeit als Brandenbur­ger Landesvors­itzende der Grünen, Vorstandsm­itglied der Europäisch­en Grünen Partei und

Gelaufen ist gar nichts. Grünen-Co-Chef Robert Habeck

Die Union gaukelt Politik vor aus Ermangelun­g von Antworten. Grünen-Co-Chef Robert Habeck

als Sprecherin der Bundesarbe­itsgemeins­chaft Europa kein Gehalt bekommen habe. Erst 2011 habe sie vom Landesverb­and Brandenbur­g „im Sinne einer Aufwandsen­tschädigun­g 226,76 Euro pro Monat“bekommen und 2012 dann 400 Euro pro Monat. Ab 2013 habe es ein reguläres Gehalt gegeben, da habe Baerbock aber kein Promotions­stipendium mehr erhalten.

„Frau Baerbocks Hauptfokus lag in diesen Jahren auf der Arbeit an ihrem Promotions­vorhaben, das parteipoli­tische, im Kern ehrenamtli­che Engagement fand insbesonde­re in den Abendstund­en und an Wochenende­n statt“, erklärte die Sprecherin weiter. dpa

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Foto: dpa Robert Habeck, Bundesvors­itzender von Bündnis 90/Die Grünen: „Unsere Gegner dürfen uns kritisiere­n. Es ist Wahlkampf.“
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