Mit dem dritten Piks gegen die fünfte Welle
In Frankreich steigen die Corona-Zahlen blitzartig an – Nun peilt die Regierung eine Booster-Impfung für alle Erwachsenen an
Eigentlich sollte Jean Castex morgen den Straßburger Weihnachtsmarkt eröffnen. Doch der französische Premierminister muss statt dessen hustend in seinem Amtssitz Hôtel Matignon in Paris sitzen. Der 56-Jährige ist nämlich an Covid-19 erkrankt – wenn auch nur mit leichten Symptomen. Dass es den doppelt geimpften Castex trifft, zeigt, wie aggressiv sich die fünfte Welle derzeit in Frankreich ausbreitet.
In einer Woche stiegen die Zahlen um 80 Prozent an. Die Inzidenz liegt derzeit bei knapp 200 Infektionen pro 100 000 Einwohnern. Präsident Emmanuel Macron, der mit drastischen Einschränkungen für Ungeimpfte die Ansteckungszahlen bisher niedrig hielt, muss deshalb neue Maßnahmen in die Wege leiten. Heute dürfte Gesundheitsminister Olivier Véran eine dritte Impfdosis für alle Französinnen und Franzosen über 18 ankündigen. Bereits geschlossene Impfzentren könnten dafür wieder geöffnet werden.
Voraussetzung für „pass sanitaire“Bisher ist die Booster-Impfung ab dem 15. Dezember für alle über 65-Jährigen verpflichtend, die ihren Gesundheitspass behalten wollen. Dieser „pass sanitaire“, der eine Impfung, eine überstandene Krankheit oder einen Test ausweist, ermöglicht den Zugang zu Restaurants, Museen und Schwimmbädern und ist auch für Zugreisen nötig. Ob die Verantwortlichen die Vorgaben auch umsetzen, wurde allerdings in den vergangenen Wochen deutlich weniger kontrolliert als noch bei der Einführung im Sommer. Während die Polizei im September 8 000 Restaurants auf die Einhaltung der Regeln hin überprüfte, waren es Anfang November nur noch 4 000. Nun sollen die Kontrollen wieder anziehen.
Auch die Maskenpflicht soll laut Regierungssprecher Gabriel Attal verschärft werden – und zwar sowohl drinnen als auch draußen. Davon könnten auch die Weihnachtsmärkte betroffen sein, die am Freitag öffnen.
Die so genannten „gestes barrière“, zu denen neben der Maske auch das Abstandhalten gehört, wurden zuletzt auch von der Regierung missachtet. So wurde Castex bei einem Treffen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern gefilmt, wie er ohne Maske lange die Hände schüttelte. Beim Jahrestreffen der Stadtoberen vergangene Woche in Paris ging es vor allem abends locker zu. Mindestens zwölf Lokalpolitiker, darunter die Bürgermeisterin von Besançon, kehrten von dem Treffen mit einer Covid-Erkrankung zurück. Neben Castex ist auch die beigeordnete Ministerin Brigitte Klinkert positiv auf Covid-19 getestet worden – wenn auch ohne Symptome.
Schulen besonders stark betroffen Mit einer Impfquote von knapp 88 Prozent bei den über Zwölfjährigen war Frankreich in den vergangenen Wochen deutlich besser als Deutschland und andere Länder durch die Pandemie gekommen. „Wir sind nicht in derselben Situation wie unsere Nachbarn, aber wir können uns nicht auf unserem Vorteil ausruhen“, warnte Attal. Schon am Wochenende hatte er von einer „blitzartigen“fünften Welle gesprochen.
Die Maskenpflicht soll verschärft werden – und zwar sowohl drinnen als auch draußen.
Wir haben den Eindruck, dass diese fünfte Welle die Schulen schneller erfasst. Guislaine David von der Lehrergewerkschaft Snuipp
Besonders stark breitet sich das Virus in den Schulen aus. 6 000 Schulklassen sind derzeit wegen Covid-Fällen geschlossen. „Wir haben den Eindruck, dass diese fünfte Welle die Schulen schneller erfasst“, sagte Guislaine David von der Lehrergewerkschaft Snuipp der Zeitung „Le Figaro“. Schon seit dem 14. November herrscht in den Schulen deshalb wieder eine Maskenpflicht. Die Unter-Zwölfjährigen sind mit rund zehn Millionen die größte Gruppe der Ungeimpften, gefolgt von den 6,4 Millionen Erwachsenen, die sich nicht impfen lassen wollen.