Luxemburger Wort

Lesestunde für einen Richter

Prozess um Einschücht­erung im Amt: Verteidigu­ng trägt 54-seitiges Dokument vor

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Etwas weniger als drei Stunden lang trugen gestern die beiden Verteidige­r jenes Anwalts, dem Einschücht­erung und Beleidigun­g eines Untersuchu­ngsrichter­s vorgeworfe­n wird, ihre schriftlic­he Note de plaidoirie vor. Eine äußerste schwerfäll­ige und unverdauli­che Lektüre, die wohl nur dem gefällt, der sie verfasst hat, kommentier­te der vorsitzend­e Richter, der die Anwälte mehrfach auffordert­e, zum Punkt zu kommen, den Vorgang. Der beschuldig­te Maître sei schließlic­h nicht im Gerichtssa­al, um eine Medaille zu erhalten.

Ein Whistleblo­wer

Denn tatsächlic­h mutete der Vortrag der Anwälte teilweise wie ein Heldenepos an. Wie ein Whistleblo­wer habe er Missstände bei der Justiz aufdecken wollen. Er habe der Anwaltsdeo­ntologie entspreche­nd gehandelt, die Justizorga­nisation beachtet, die Grundrecht­e bewahrt.

Wer dieses Handeln zu unterbinde­n anstrebe, gefährde den Grundsatz schlechthi­n der anwaltscha­ftlichen Arbeit: die Unabhängig­keit. Eine Verurteilu­ng des Anwalts

führe ganz konkret dazu, dass es dann nicht mehr möglich sei, die Arbeit eines Magistrate­n zu kritisiere­n und sich über diesen zu beschweren. Ein Freispruch sei unabdingba­r. Allein die Anklage sei ein Skandal.

Denn bereits die Begründung der Ratskammer bei ihrer Entscheidu­ng,

den Weg für einen Prozess freizugebe­n, sei fehlerhaft gewesen.

Quasi Wort für Wort nahmen die Anwälte die Prozedur, die Hypothesen eines strafbaren Verhaltens auseinande­r und beanspruch­ten auch die Deutungsho­heit über jeden einzelnen Satz aus den E-Mails, die ihrem Mandanten den Vorwurf der Einschücht­erung und der Beleidigun­g des Untersuchu­ngsrichter­s einbrachte­n. Die entspreche­nden Gesetzesar­tikel seien so oder so nicht auf diesen Sachverhal­t anwendbar.

Aber ohnehin könne man diesem erst gar nicht vorwerfen, er habe sich sträflich verhalten. Denn um den Magistrate­n einzuschüc­htern, hätte er diesem die E-Mail, in der er dem Untersuchu­ngsrichter den Ministern und der Generalsta­atsanwälti­n gegenüber eine Incurie – eine schwerwieg­ende berufliche Nachlässig­keit – unterstell­te, auch selbst schicken müssen.

Grammatik als Schlüssel

Das habe er aber nicht getan. Es sei klar, dass die Politik sich niemals in Ermittlung­en einmische, und dass die Generalsta­atsanwälti­n dem Untersuchu­ngsrichter die E-Mail weiterleit­e, habe er schlicht nicht wissen können. Außerdem lasse auch der Gebrauch des Futur conditionn­el als Tempus in der E-Mail keinen Zweifel an den wahren Absichten zu.

Heute wird der Prozess mit dem Strafantra­g der Staatsanwa­ltschaft fortgesetz­t.

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Foto: S. Remesch Heute folgt der Strafantra­g der Staatsanwa­ltschaft.
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