Zwischen Anspruch und Realität
Trainer Antonio Conte soll Tottenham Hotspur nach schwierigen Jahren wieder in die Erfolgspur führen
Der Einstand verlief etwas holprig, letztendlich jedoch erfolgreich. Als Antonio Conte vor drei Wochen den frei gewordenen Trainerposten bei Tottenham Hotspur übernahm, wusste der 52-jährige Trainer wohl, worauf er sich einlassen würde. In den vergangenen beiden Jahren zeigte die Formkurve der Spurs stetig nach unten. Auf den furiosen Saisonstart im vergangenen August mit drei Siegen folgten enttäuschende Auftritte. Fünf überwiegend deutliche Niederlagen aus den nächsten sieben Partien bewogen die Verantwortlichen schließlich dazu, den zum Saisonbeginn mit viel Vorschusslorbeeren verpflichteten Coach Nuno Espirito Santo zu entlassen, um eine neue Ära einzuleiten. Dieses Ziel verfolgt Tottenham aber nicht zum ersten Mal.
Im Mai 2019 stand der Club erstmals in der Vereinsgeschichte im Finale der Champions League. Im fünften Jahr seiner Amtszeit hatte der damalige Trainer Mauricio Pochettino den Londoner Traditionsverein aus dem Mittelmaß der Premier League in die europäische Spitze geführt. Obwohl in Tottenham, im Vergleich zu anderen englischen Spitzenclubs, stets zurückhaltend auf dem Transfermarkt agiert wurde, schaffte man unter
Pochettino auf Anhieb den Sprung in die Europa League und qualifizierte sich anschließend vier Mal in Folge für die europäische Königsklasse.
Das Endspiel vor zwei Jahren gegen den FC Liverpool ging zwar mit 0:2 verloren, nichtsdestotrotz wähnte man sich in Tottenham nun in der Spitze des internationalen Fußballs. In der Folgesaison kamen die Spurs unerwartet schlecht aus den Startlöchern. Rang 14 nach zwölf Punktspielen führten zu Pochettinos Entlassung. Die hohen Erwartungen lasteten fortan auf José Mourinho, dem immerhin noch der Einzug in die Europa League gelang. Doch auch der portugiesische Trainerfuchs musste nach anderthalb Jahren seinen Hut nehmen, Interimscoach Ryan Mason brachte die Saison zu Ende.
Kanes Krise
Für viel Unruhe sorgte im vergangenen Sommer Torjäger Harry Kane, die personifizierte Lebensversicherung der Spurs. In den vergangenen zehn Jahren erzielte der englische Nationalspieler in 255 Spielen 167 Tore für Tottenham, nun lockte angeblich Manchester City den 28-Jährigen mit einem exorbitanten Millionenangebot und der Aussicht, ständig um Titel mitzuspielen. Letztendlich entschied sich Kane zwar für den Verbleib, in den bisherigen Partien konnte der Angreifer aber noch nicht überzeugen. Nach zwölf Spieltagen hat er erst ein Ligator erzielt. In der Europa League traf Kane drei Mal.
Seinem zum Saisonbeginn aus Wolverhampton verpflichteten, und nach nur vier Monaten wieder gefeuerten Ex-Coach Espirito Santo war der Weltklassestürmer keine große Hilfe. Nachfolger Conte wurde nicht nur mit einem kolportierten Gehalt von rund 18 Millionen Euro pro Saison, sondern auch mit der Aussicht, auf dem Transfermarkt zuschlagen zu dürfen, nach Tottenham gelockt. Knapp 175 Millionen Euro sollen Conte für Neuverpflichtungen zur Verfügung stehen – eine beachtliche Summe, wenn man bedenkt, dass die Spurs angeblich Verbindlichkeiten in Höhe von 567 Millionen Euro haben. Die finanzielle Schieflage ist größtenteils dadurch bedingt, dass der mit fast zweijähriger Verspätung fertiggestellte Stadionneubau letztendlich 1,1 Milliarden anstatt der anfangs geplanten 870 Millionen Euro kostete.
Erfolgreicher Start
Kurzfristig muss Conte mit dem vorhandenen Spielermaterial auskommen. Der Start kann zumindest schon einmal als gelungen bezeichnet werden. Seinen Einstand feierte der italienische Coach, der mit dem FC Chelsea sowohl die Premier League (2017) als auch den FA-Cup (2018) gewann, in der Europa League. Dem knappen 3:2Sieg gegen Arnheim folgte ein torloses Unentschieden beim FC Everton. Am vergangenen Wochenende feierte Tottenham einen umjubelten Arbeitssieg gegen Leeds (2:1), der die Spurs wieder in Schlagdistanz zu den europäischen Plätzen bringt.
Ob es allerdings für die oberen Ränge reicht, scheint mehr als fraglich. Nur elf Tore aus zwölf Punktspielen sind eine mehr als magere Ausbeute und zeigen, wo der Schuh drückt. Nur Aufsteiger Norwich (sieben Treffer) war bislang noch ungefährlicher als die Spurs. Nach der Ära Pochettino, die Tottenham kurzzeitig in die europäische Spitze katapultiert hatte, müssen im Norden Londoner wohl vorerst kleinere Brötchen gebacken werden.
Die Woche vor seinem ersten Todestag ist typisch für Diego Maradona. Eine Ex-Geliebte lässt medial bittere Tränen rollen. Das Gerücht, Argentiniens Fußball-Ikone sei ohne sein Herz beerdigt worden, erschüttert die Nation. „Ich fühle, dass dieser Tag nichts für Ehrungen, nicht zum Feiern ist“, bekennt seine älteste Tochter Dalma im Sturm der Emotionen, die Maradona auch ein Jahr nach seinem fatalen Herzinfarkt noch entfacht.
Das Volk am Rio de la Plata wird heute aus voller Kehle um den Weltmeisterkapitän von 1986 trauern, die Maradonianer ihre Gesänge vor dem ärmlichen Geburtshaus in der Villa Fiorito, jüngst zu einem nationalgeschichtlichen Ort deklariert, oder unter San Diego del Barrio de la Boca, einem riesigen Heiligenbild auf einer Mauer im Stadtteil seines Herzensclubs Boca Juniors, anstimmen.
Denn Dichtung und Wahrheit passen seit immer zu El Diez, dem ewigen Zehner. Wie auch der Streit um sein Erbe. Oder die juristische Suche nach Schuldigen für seinen gesundheitlichen Verfall bis zu seinem Tod am 25. November 2020.
Über der Erde findet er also keine Ruhe, in seinem unscheinbaren Grab auf dem Friedhof Jardin Bella Vista, bewacht von Sicherheitsbeamten und Kameras, ist er aber unter einer schlichten Steinplatte einer von allen im Tode gleich.
Über das Grab haben Dalma und Gianinna das Sagen, den Nachlass müssen Maradonas Töchter aus erster Ehe aber mit drei bereits anerkannten Kindern teilen. Allein dieses Jahr wollten zwei weitere
Kandidaten Maradonas Vaterschaft (vergeblich) per DNA erstreiten. Spekuliert werden über rund 100 Millionen US-Dollar.
Versteigerung per Streaming
Die ersten Erbstücke werden am 19. Dezember per Streaming versteigert. Nichts mit sentimentalem Wert, nur Wohnungen, Autos, Trikots, eine Bibel, Wasserkocher, Zigarren-Humidor. Aus den Einnahmen sollen die Schulden beglichen und Rücklagen für Kosten der Restsammlung gebildet werden.
Auf die lukrativ laufenden Geschäfte haben die fünf Kinder keinen Zugriff. Nur sein Anwalt Matias Morla, der im Namen von Maradonas Schwestern seit 2015 Labels wie „El 10“und „La Mano de Dios, die Hand Gottes, unter dem Firmennamen Sattvica vermarktet. Die eine wirft der anderen Seite vor, Maradonas „Untergang“tatenlos zugesehen zu haben.
Für die Justiz gibt es aber sieben Schuldige für die fatale Kette der letzten Tage nach einer operativen Entfernung eines Blutgerinnsels im Gehirn. „Einfacher
Mord mit eventueller Absicht“lautet die Anklage gegen seinen Leibarzt Leopoldo Luque und dessen Helferteam, weil sie Maradona zu früh nach Hause geholt haben sollen. Strafen zwischen acht und 25 Jahren drohen den Beschuldigten.
Aber auch gegen die Ikone gibt es Anschuldigungen. Wenige Tage vor seinem Todestag hat eine 37-jährige Kubanerin Vergewaltigungsvorwürfe gegen Maradona erhoben. Der Weltstar habe sie vor 20 Jahren in Kuba, wo sich Dieguito für einen Drogenentzug aufhielt, sexuell missbraucht.
Zudem sei sie später von Maradonas Umfeld mehrere Wochen in einem Hotel gegen ihren Willen festgehalten worden. Mavys Alvarez Rego, die inzwischen in Miami lebt, berichtete Journalisten in Buenos Aires davon, wie sie Maradona als 16-Jährige kennengelernt hatte.
Geld mit der Marke
Ungeachtet der Skandale, Streitigkeiten und Gerüchte läuft das Memorien-Geschäft. Amazon Prime zeigt gerade eine Serie seiner Karriere, beim Audio-StreamingDienst Spotify sind seit Dienstag Ton-Dokumente seiner letzten Tage zu hören. Am 14. Dezember findet in Saudi-Arabien ein Duell zwischen Barcelona und Boca Juniors unter dem Titel Copa Maradona statt.
Organisiert von Morla wollen Maradonas Schwestern dabei sein, die Kinder nicht. Solange die Marke Maradona wirtschaftlich ausgeschlachtet wird, gibt es auf Erden keine Ruhe für ihn. sid