Ansprechpartner in allen Lebenslagen
Mentoren sind dazu da, Studierende zu unterstützen – nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf persönlicher Ebene
Vor allem für junge Forschende ist es gut, wenn sie einen Ansprechpartner haben – Wissenschaftler, die bereits länger in der Forschung tätig sind und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Zwei Wissenschaftler – Pablo Elias Morande (37) und Andreas Fickers (50) – wurden dafür vom Fonds National de la Recherche als „Outstanding Mentor“ausgezeichnet.
Pablo Elias Morande, Andreas Fickers, was bedeutet der Award für Sie?
Pablo Elias Morande (PM): Er bedeutet mir viel. Ich habe die Auszeichnung nicht erwartet, geschweige denn, dass meine Kollegen mich vorgeschlagen haben. Auf emotionaler Ebene hat mich das sehr berührt. Was die Arbeit angeht heißt es für mich, dass ich für die Gruppe hilfreich war, in der ich gearbeitet habe. Das realisiert man manchmal gar nicht. Und ich war sehr berührt darüber, was meine Kollegen über mich zur Begründung geschrieben haben – das werde ich nie vergessen. und an festgeglaubten Wahrheiten rütteln. Danach muss eine Selbstfindung stattfinden, man muss Thema, Methode und Fragestellung zuspitzen. Für mich ist das Schreiben der Doktorarbeit ein wesentlicher Bestandteil einer intellektuellen Biografie, die man sich erarbeitet. Es geht um den eigenen Beitrag in der Wissenschaft, nicht um das, was ein Professor gerne hätte. Die letzte Phase besteht daraus die Hürde aufzunehmen, das gesammelte Wissen und die Erkenntnisse in eine Form zu pressen, die den akademischen Gepflogenheiten entspricht. Da geht es nicht nur darum, Wissen zusammenzufassen, sondern auch um Stilfragen. Wie erzähle ich meine Geschichte. Ich versuche meine Doktoranden zu pushen, über alternative Erzählformen nachzudenken. Es muss nicht immer das 600-Seiten-Manuskript sein.
Was haben Sie von Ihren Studierenden gelernt?
PM: Ich habe beim Austausch von Ideen und in den Diskussionen und Gesprächen, die wir jeden Tag hatten, viel gelernt.
Trotz der kulturellen Unterschiede und der Materialunterschiede zwischen Luxemburg und meiner Heimat Südamerika sind doch viele menschliche und wissenschaftliche
Pablo Elias Morande Probleme ähnlich. Wir haben frei darüber diskutiert, auf horizontaler Ebene, aus jeder Perspektive. Das ist sehr bereichernd. Technisch gesehen gibt es natürlich Methoden, die ich noch nie angewendet habe. Ich musste auch viel nachfragen und die Studierenden waren super darin, mir da Dinge beizubringen.
AF: Die Arbeit mit den Doktoranden ist für mich bereichernd im intellektuellen Sinne. Sie machen Forschung in Archiven, die ich zurzeit gar nicht mehr machen kann. Sie lesen Sachen, für die ich keine Zeit habe. Es ist wirklich ein Austausch zwischen einem sich entwickelnden Forscher und mir, der da ständig dazulernt. Eine Betreuung sollte ein Austausch auf gleicher Ebene sein, ein Infragestellen, ein Diskutieren, eine gemeinsame Suche nach neuen Perspektiven. Da bin ich oft genauso in der Schülerposition wie meine Doktoranden.
Warum ist es wichtig, als Student oder Studentin einen Mentor zu haben?
PM: Ich habe viele junge Leute gesehen, die nach der Universität sehr motiviert ins Labor kamen. Aber wegen verschiedener Gründe haben sie entschieden, die Wissenschaft zu verlassen. Manchmal liegt das an der Umgebung in den Laboren, in denen sie arbeiten. Das sollte jeder Mentor beachten, dafür sensibel sein, wenn jemand nicht mehr motiviert ist. Viele gute Wissenschaftler geben aufgrund von Unstimmigkeiten in der Umgebung auf – ein gutes menschliches Umfeld und ein Ansprechpartner können helfen.
Die Arbeit mit den Doktoranden ist für mich bereichernd im intellektuellen Sinne. Andreas Fickers, Forscher
Für mich liegt der Schlüssel darin, sich in den anderen hineinzuversetzen. Pablo Elias Morande, Forscher
AF: Zum einen brauchen junge Forschende fachliche Orientierung. Dazu haben wir an der Uni aber auch das „Comité d’encadrement de thèse“, was sich aus Experten zusammensetzt. Da ist man nicht allein. Neben dem Fachlichen ist es aber dann vor allem das Zwischenmenschliche, was von Bedeutung ist. Probleme, Fragen, Sorgen, Ängste …. Schauen, dass man diesen Prozess möglichst als positive Erfahrung macht und nicht im Zustand der Angst und des Sich-allein-Fühlens.
Welchen Rat haben Sie für andere Mentoren – wie gelingt ein gutes Mentorat?
PM: Für mich liegt der Schlüssel darin, sich in den anderen hineinzuversetzen. Wissenschaft ist ein kollektives Konstrukt, weltweit und durch die ganze Geschichte gesehen, aber auch im kleinen Maßstab, in unserer täglichen Arbeit in der Gruppe im Labor oder im Büro. Um voranzukommen, müssen alle Mitglieder des Teams motiviert sein. Damit man das erreicht, muss man Empathie für seine Mitmenschen zeigen und an alle ihren Sorgen auf der gleichen Ebene teilhaben. Vor allem diejenigen, die an der Spitze der Pyramide stehen, sollten folgende Übung nie vergessen: Versetz dich in den anderen hinein.
AF: Zum einen sollte man Interesse für das Thema haben. Ohne das Interesse sollte ich jemanden nicht betreuen. Dann eine deutliche Bereitschaft, Zeit zu investieren. Das reguläre Treffen ist unheimlich wichtig. Das dritte wäre eine Sensibilität für Probleme jenseits des Fachlichen. Der Alltag von Doktoranden ist wie meiner auch geprägt durch Unsicherheiten und Probleme, die rein gar nichts mit dem Fachlichen zu tun haben, die aber das Arbeiten, Denken, Fühlen beeinflussen. Da eine Grundsensitivität zu haben, halte ich für wichtig.