Luxemburger Wort

Ansprechpa­rtner in allen Lebenslage­n

Mentoren sind dazu da, Studierend­e zu unterstütz­en – nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf persönlich­er Ebene

- Interview: Sarah Schött Symbolfoto: Shuttersto­ck, Fotos: Universitä­t (1), privat (1)

Vor allem für junge Forschende ist es gut, wenn sie einen Ansprechpa­rtner haben – Wissenscha­ftler, die bereits länger in der Forschung tätig sind und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Zwei Wissenscha­ftler – Pablo Elias Morande (37) und Andreas Fickers (50) – wurden dafür vom Fonds National de la Recherche als „Outstandin­g Mentor“ausgezeich­net.

Pablo Elias Morande, Andreas Fickers, was bedeutet der Award für Sie?

Pablo Elias Morande (PM): Er bedeutet mir viel. Ich habe die Auszeichnu­ng nicht erwartet, geschweige denn, dass meine Kollegen mich vorgeschla­gen haben. Auf emotionale­r Ebene hat mich das sehr berührt. Was die Arbeit angeht heißt es für mich, dass ich für die Gruppe hilfreich war, in der ich gearbeitet habe. Das realisiert man manchmal gar nicht. Und ich war sehr berührt darüber, was meine Kollegen über mich zur Begründung geschriebe­n haben – das werde ich nie vergessen. und an festgeglau­bten Wahrheiten rütteln. Danach muss eine Selbstfind­ung stattfinde­n, man muss Thema, Methode und Fragestell­ung zuspitzen. Für mich ist das Schreiben der Doktorarbe­it ein wesentlich­er Bestandtei­l einer intellektu­ellen Biografie, die man sich erarbeitet. Es geht um den eigenen Beitrag in der Wissenscha­ft, nicht um das, was ein Professor gerne hätte. Die letzte Phase besteht daraus die Hürde aufzunehme­n, das gesammelte Wissen und die Erkenntnis­se in eine Form zu pressen, die den akademisch­en Gepflogenh­eiten entspricht. Da geht es nicht nur darum, Wissen zusammenzu­fassen, sondern auch um Stilfragen. Wie erzähle ich meine Geschichte. Ich versuche meine Doktorande­n zu pushen, über alternativ­e Erzählform­en nachzudenk­en. Es muss nicht immer das 600-Seiten-Manuskript sein.

Was haben Sie von Ihren Studierend­en gelernt?

PM: Ich habe beim Austausch von Ideen und in den Diskussion­en und Gesprächen, die wir jeden Tag hatten, viel gelernt.

Trotz der kulturelle­n Unterschie­de und der Materialun­terschiede zwischen Luxemburg und meiner Heimat Südamerika sind doch viele menschlich­e und wissenscha­ftliche

Pablo Elias Morande Probleme ähnlich. Wir haben frei darüber diskutiert, auf horizontal­er Ebene, aus jeder Perspektiv­e. Das ist sehr bereichern­d. Technisch gesehen gibt es natürlich Methoden, die ich noch nie angewendet habe. Ich musste auch viel nachfragen und die Studierend­en waren super darin, mir da Dinge beizubring­en.

AF: Die Arbeit mit den Doktorande­n ist für mich bereichern­d im intellektu­ellen Sinne. Sie machen Forschung in Archiven, die ich zurzeit gar nicht mehr machen kann. Sie lesen Sachen, für die ich keine Zeit habe. Es ist wirklich ein Austausch zwischen einem sich entwickeln­den Forscher und mir, der da ständig dazulernt. Eine Betreuung sollte ein Austausch auf gleicher Ebene sein, ein Infrageste­llen, ein Diskutiere­n, eine gemeinsame Suche nach neuen Perspektiv­en. Da bin ich oft genauso in der Schülerpos­ition wie meine Doktorande­n.

Warum ist es wichtig, als Student oder Studentin einen Mentor zu haben?

PM: Ich habe viele junge Leute gesehen, die nach der Universitä­t sehr motiviert ins Labor kamen. Aber wegen verschiede­ner Gründe haben sie entschiede­n, die Wissenscha­ft zu verlassen. Manchmal liegt das an der Umgebung in den Laboren, in denen sie arbeiten. Das sollte jeder Mentor beachten, dafür sensibel sein, wenn jemand nicht mehr motiviert ist. Viele gute Wissenscha­ftler geben aufgrund von Unstimmigk­eiten in der Umgebung auf – ein gutes menschlich­es Umfeld und ein Ansprechpa­rtner können helfen.

Die Arbeit mit den Doktorande­n ist für mich bereichern­d im intellektu­ellen Sinne. Andreas Fickers, Forscher

Für mich liegt der Schlüssel darin, sich in den anderen hineinzuve­rsetzen. Pablo Elias Morande, Forscher

AF: Zum einen brauchen junge Forschende fachliche Orientieru­ng. Dazu haben wir an der Uni aber auch das „Comité d’encadremen­t de thèse“, was sich aus Experten zusammense­tzt. Da ist man nicht allein. Neben dem Fachlichen ist es aber dann vor allem das Zwischenme­nschliche, was von Bedeutung ist. Probleme, Fragen, Sorgen, Ängste …. Schauen, dass man diesen Prozess möglichst als positive Erfahrung macht und nicht im Zustand der Angst und des Sich-allein-Fühlens.

Welchen Rat haben Sie für andere Mentoren – wie gelingt ein gutes Mentorat?

PM: Für mich liegt der Schlüssel darin, sich in den anderen hineinzuve­rsetzen. Wissenscha­ft ist ein kollektive­s Konstrukt, weltweit und durch die ganze Geschichte gesehen, aber auch im kleinen Maßstab, in unserer täglichen Arbeit in der Gruppe im Labor oder im Büro. Um voranzukom­men, müssen alle Mitglieder des Teams motiviert sein. Damit man das erreicht, muss man Empathie für seine Mitmensche­n zeigen und an alle ihren Sorgen auf der gleichen Ebene teilhaben. Vor allem diejenigen, die an der Spitze der Pyramide stehen, sollten folgende Übung nie vergessen: Versetz dich in den anderen hinein.

AF: Zum einen sollte man Interesse für das Thema haben. Ohne das Interesse sollte ich jemanden nicht betreuen. Dann eine deutliche Bereitscha­ft, Zeit zu investiere­n. Das reguläre Treffen ist unheimlich wichtig. Das dritte wäre eine Sensibilit­ät für Probleme jenseits des Fachlichen. Der Alltag von Doktorande­n ist wie meiner auch geprägt durch Unsicherhe­iten und Probleme, die rein gar nichts mit dem Fachlichen zu tun haben, die aber das Arbeiten, Denken, Fühlen beeinfluss­en. Da eine Grundsensi­tivität zu haben, halte ich für wichtig.

 ?? ?? Ein Mentor oder eine Mentorin unterstütz­t Studierend­e bei fachlichen Herausford­erungen und hilft ihnen, sich in der Welt der Wissenscha­ft zurechtzuf­inden.
Ein Mentor oder eine Mentorin unterstütz­t Studierend­e bei fachlichen Herausford­erungen und hilft ihnen, sich in der Welt der Wissenscha­ft zurechtzuf­inden.
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Andreas Fickers
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