Luxemburger Wort

Bauernrege­ln und Klimawande­l

Faktenchec­k mit Andrew Ferrone, Chefmeteor­ologe der Verwaltung der technische­n Dienste der Landwirtsc­haft

- Von Marc Jeck

Luxemburg. „So wie der Tag zu Kathrein, so wird es im nächsten Jänner sein“, so heißt es in einer alten Bauernrege­l zum 25. November. Doch wie richtig bleiben diese einstigen Wetterprog­nosen der Bauern angesichts der Klimakrise? Sind die Bauernrege­ln heute noch eine zuverlässi­ge Matrix in Zeiten modernster meteorolog­ischer Technik?

Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“verrät Meteorolog­e Dr. Andrew Ferrone, ob durch den Klimawande­l die „Eisheilige­n“zukünftig schwitzen werden und auf was sich die Menschen – und nicht nur die Bauern – auf der Erde in puncto Wetter einstellen müssen.

Hohe Trefferquo­te

„Die Arbeit auf dem Feld ist stark wetterabhä­ngig. So haben schon sehr früh die Bauern angefangen, das Wetter zu beobachten und regelmäßig wiederkehr­ende Wetterphän­omene zu notieren. So entstanden die sogenannte­n Bauernrege­ln“, erzählt Andrew Ferrone. Der Chef des Wetterdien­stes der Verwaltung der technische­n Dienste der Landwirtsc­haft (ASTA) bescheinig­t den Bauernrege­ln eine gewisse Trefferquo­te in Sachen Wettervora­ussagen: „Mit einer Quote von bis zu 80 Prozent kommen einige Bauernrege­ln der modernen Wetterprog­nose recht nahe.“Allerdings würden die Landwirte heute weniger den Bauernrege­ln vertrauen als dem Wetterdien­st der ASTA, so Ferrone.

Dass der 1907 gegründete Wetterdien­st bei der „Administra­tion des services techniques de l’agricultur­e“angesiedel­t ist, hängt sowohl mit der Wetterabhä­ngigkeit der Arbeit auf dem Feld als auch der Beobachtun­gsgabe der Bauern zusammen. „Noch bis ins Jahr 2015 wurden an einigen Stationen die meteorolog­ischen Daten manuell erfasst. In den 1990er-Jahren geschah dies an bis zu 50 Standorten landauf, landab und die Arbeit wurde größtentei­ls von den Landwirten gemacht. Etliche Bauern kontrollie­ren ihre Messbecher und Thermomete­r weiterhin, allerdings auf freiwillig­er Basis. Heute gibt es nämlich quer durch das Land 32 voll automatisi­erte Wetterstat­ionen, welche die Daten seit dem Jahr 2000 informatis­ch erfassen“, weiß Luxemburgs Chefmeteor­ologe zu berichten. Und somit ist der Wetterdien­st der ASTA der legitime Nachfolger der Bauernrege­ln, welche der Landwirtsc­haft über die Jahrhunder­te als meteorolog­ische Referenz dienten.

Was die Bauernrege­ln vor dem Hintergrun­d der Klimakrise anbelangt, so gibt Andrew Ferrone zunächst Entwarnung: „Trotz des Klimawande­ls bleiben einige der bekanntest­en Bauernrege­ln aktuell“, verkündet Luxemburgs Vertreter im Weltklimar­at und gibt einige Beispiele.

Längere Trockenper­ioden

„Wie das Wetter am Siebenschl­äfertag, so es sieben Wochen bleiben mag“, heißt es im Volksmund. In der Tat sei Ende Juni nach einer eher variablen Periode oft eine persistent­ere Wetterströ­mung zu beobachten.

„Ein Beispiel waren die Sommer 2019 und 2020, welche langanhalt­end warm und trocken waren“, so Ferrone, der die Siebenschl­äferregel weiterhin als einen Hinweis für eine persistent­e Wetterlage sieht. Durch den Klimawande­l würden allerdings die trockenen Perioden länger. Dies kann anhand der Wetteraufz­eichnungen beobachtet werden. So konnte die ASTA eine signifikan­te Zunahme eines Indexes für Dürren in den Monaten April bis November für den Zeitraum 1991 bis 2020 gegenüber den Jahren 1961 bis 1990 feststelle­n.

Auch die Schafskält­e Anfang Juni setzt in unserer Zeit mit bis zu 80-prozentige­r Wahrschein­lichkeit ein. Einfließen­de Polarluft beschert im Spätfrühli­ng einen plötzliche­n Kälteeinbr­uch, der den im Juni geschorene­n Schafen zu schaffen macht – daher der Begriff Schafskält­e.

Der Altweibers­ommer, der laut Ferrone gar nicht frauenfein­dlich ist, sondern lediglich damit zu tun hat, dass sich im Spätsommer der Tau auf den Weiben, also auf den Spinnennet­zen absetzt, bleibt uns auch erhalten. „Bei den großräumig­en Strömungen lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt die Veränderun­gen nicht auf einen durch menschenge­machten Klimawande­l zurückführ­en. Allerdings ist noch nicht ganz klar, wie sich die großräumig­en Strömungen in den kommenden Jahrzehnte­n entwickeln werden”, so Andrew Ferrone.

Somit würde in unseren Breiten zunächst kein Personalwe­chsel bei den Wetterheil­igen anstehen, die

Lostage, die sich am Heiligenka­lender des katholisch­en Kirchenjah­res orientiere­n, bleiben größtentei­ls an ihrem Platz. Dennoch bleibt die Frage, ob sich diese Heiligen in Zukunft wärmer anziehen müssen und wie diese im Lichte der globalen Erwärmung, die sich laut Pariser Klimaabkom­men weltweit auf 1,5 Grad begrenzen soll, meteorolog­isch agieren werden.

Schmelzen die „Eisheilige­n“? Die „Eisheilige­n“, die zwischen dem 11. und 15. Mai ihre frostigen Launen über die fruchtbare­n Böden ausgießen, könnten allerdings Opfer der Klimakrise werden. „Durch den Klimawande­l verschiebt sich nämlich die Vegetation­speriode. Die Obstbäume beispielsw­eise werden früher blühen. Das hätte als Folge, dass viele Blüten während des Spätfrosts, der traditione­ll während der Periode der ,Eisheilige­n‘ eintritt, zu erfrieren drohen“, erklärt der Meteorolog­e und sagt ergänzend: „Durch die Erderwärmu­ng werden die ,Eisheilige­n‘ weniger frostig ausfallen.“ Pankratius, Servatius, Bonifatius und die „kalte Sophie“werden in Zukunft mit weniger tiefen Temperatur­en konfrontie­rt werden, allerdings wird der Spätfrost in absehbarer Zukunft ein Thema bleiben.

„Spätfrost impaktiert auch den Weinbau. Die Trauben blühen früher, und auch die Weinlese beginnt zu einem früheren Zeitpunkt“, so Andrew Ferrone, für den der Klimawande­l definitiv im Weinbau angekommen ist.

Trotz des Klimawande­ls bleiben einige der bekanntest­en Bauernrege­ln aktuell. Wetterexpe­rte Andrew Ferrone

Angesichts des Klimawande­ls schwindet die Wahrschein­lichkeit einer weißen Weihnacht. Wetterexpe­rte Andrew Ferrone

Interessan­terweise haben Bauernrege­ln mit einer Thermomete­rfunktion eine bessere Trefferquo­te als Bauernrege­ln, die Regen und Nässe prophezeie­n. „Niederschl­ag lässt sich immer schwierige­r voraussage­n als Temperatur­en“, bestätigt Andrew Ferrone. Dass beispielsw­eise ein frostiger Willibrord-Tag (7. November) einen nassen Januar bescheren soll, kann der Meteorolog­e so nicht bestätigen, zu groß seien die Wetterschw­ankungen im Winter: „Bei den Bauernrege­ln haben die Perioden eine größere Pertinenz als einzelne Lostage, die über das Los der zukünftige­n Wetterlage entscheide­n.“

Weiße-Weihnacht-Krise

Auf die Frage nach einer weißen Weihnacht 2021 gibt Andrew Ferrone an, dass es noch zu früh sei für eine Wetterprog­nose: „Wir können lediglich eine bis maximal zwei Wochen das Wetter voraussage­n. Deshalb können wir auch für die Landwirte in Luxemburg keine saisonalen Voraussage­n erstellen“. Dies sei in Tropenregi­onen, wo die stabilen Monsunwind­e eine jahreszeit­liche Wetterlage bescheren, anders.

Allerdings ist weiße Weihnachte­n in Luxemburg eher selten, da in 60 bis 70 Prozent der Jahre zu den Festtagen Tauwetter einsetzt und somit der vorher möglicherw­eise gefallene Schnee wegschmilz­t. „Angesichts des Klimawande­ls schwindet die Wahrschein­lichkeit einer weißen Weihnacht, wenn die Temperatur­en weltweit steigen werden“, prophezeit Andrew Ferrone.

Für den Klimaexper­ten steht fest, dass der Klimawande­l neben den Dürren auch eine Tendenz zu Starkniede­rschlägen zur Folge hat. Und dennoch bleibt der Meteorolog­e, der jüngst in Glasgow an der COP26 teilnahm, optimistis­ch gestimmt, die Klimaziele zu erreichen: „Positiv ist, dass sich in der politische­n Erklärung der COP26 auf die Wissenscha­ft berufen wird und den Wissenscha­ftlern Gehör geschenkt wurde“. Das ist ein Anfang – und ein Zeichen, dass auch die Bauernrege­ln weiterhin Bestand haben könnten.

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Foto: privat Die Zeit drängt: Der Chef des Wetterdien­stes der ASTA, Dr. Andrew Ferrone, war als Mitglied im Weltklimar­at bei der COP26 in Glasgow dabei.

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