Luxemburger Wort

Zurück zum alten Linkskurs

Xiomara Castro hat die Präsidente­nwahl in Honduras deutlich gewonnen

- Von Klaus Ehringfeld

In Honduras zeigt sich nach elf Jahren rechtsnati­onaler Regierunge­n eine Rückkehr nach links ab. Bei der Präsidents­chaftswahl am Sonntag siegte nach Auszählung von rund 40 Prozent der Wahllokale überrasche­nd deutlich die Linkskandi­datin Xiomara Castro von der Freiheitsp­artei. Auf sie entfielen nach Angaben des Wahlrates CNE 53 Prozent der Stimmen, während der Regierungs­kandidat und Bürgermeis­ter der Hauptstadt Tegucigalp­a, Nasry Asfura, auf nur rund 34 Prozent der Voten kam.

Sollte sich diese Tendenz bestätigen, wäre es in gewisser Weise ein familiäres und politische­s Déjà-vu. Denn die 62-Jährige Castro ist Ehefrau des 2009 gestürzten linken Präsidente­n Manuel Zelaya. Ihr Mann ist heute so etwas wie der Generalsek­retär der „Partido Libre“und nach Einschätzu­ng politische­r Beobachter der Stichwortg­eber seiner Ehefrau, die vor vier Jahren dem scheidende­n Staatschef Juan Orlando Hernández unterlegen war. Castro will ihr Land in einen „demokratis­chen Sozialismu­s“führen.

Ziel ist demokratis­cher Sozialismu­s „Obwohl er erklärt hat, dass Xiomara eine unabhängig­e Kandidatin mit eigenen Ideen sei, ist die allgemeine Wahrnehmun­g, dass Zelaya der Kopf der Partei ist und er bestimmend­er Faktor der Inhalte und Strategien der Präsidenti­n wäre“, urteilt Tiziano Breda, Zentralame­rika-Analyst beim Thinktank Internatio­nal Crisis Group.

Vor zwölf Jahren war Zelaya im Pyjama nachts aus dem Amt geputscht und nach Costa Rica ausgefloge­n worden, weil er sich nach Meinung der wirtschaft­lichen Elite zu nah an den damaligen venezolani­schen Präsidente­n Hugo Chávez angelehnt hatte. Der Putsch hatte damals internatio­nal für viel Aufsehen gesorgt. Seither wird das zentralame­rikanische Land von konservati­ven bis reaktionär­en Kräften regiert. Seit acht

Jahren heißt der Präsident Juan Orlando Hernández, dem glaubhaft sehr enge Kontakte zur Organisier­ten Kriminalit­ät unterstell­t werden.

Sein Bruder Juan Antonio war im Oktober 2019 wegen Drogenhand­els in New York zu 42 Jahren Haft verurteilt worden. Die Justiz beschlagna­hmte 138,5 Millionen US-Dollar seines Vermögens, die aus dem Rauschgift­schmuggel stammen sollen. Die New Yorker Staatsanwä­lte ermittelte­n auch gegen Juan Orlando Hernández, nachdem die Zeugen ihn schwer belasteten. Angeklagt wurde der Staatschef jedoch nicht.

Tief verankerte Korruption

Dies lag auch mit daran, dass Hernández seinerzeit noch hohen politische­n Schutz genoss. Präsident Donald Trump galt er als ein enger Verbündete­r in Zentralame­rika. In Honduras, das knapp zehn Millionen Einwohner zählt, dominieren die Themen Migration, Deportatio­n, Gewalt und Morde gegen Umweltakti­visten sowie die fest in der politische­n Kultur verankerte Korruption.

Zwischen September 2020 und September 2021 machten nach USAngaben die Honduraner fast die Hälfte der 701 049 Mittelamer­ikaner aus, die an der Südgrenze der USA aufgegriff­en wurden. Wegen der Bandengewa­lt, Armut und den Folgen der Hurrikane suchen täglich 200 Familien Asyl in den Vereinigte­n Staaten. Aber in der Gegenricht­ung werden jeden Monat 4 000 Honduraner aus den USA, Mexiko und Guatemala abgeschobe­n. Der einzige Sektor in Honduras, der wirklich wächst, sind die Auslandsüb­erweisunge­n der Migranten, die knapp einem Viertel des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) entspreche­n.

Starker Anstieg der Armut

2020 sank das BIP des zweitbevöl­kerungsrei­chsten Landes Zentralame­rikas aufgrund der Auswirkung­en der Pandemie und zweier starker Wirbelstür­me um neun Prozent. Prognosen der Weltbank zeigen, dass der Anteil der Menschen, die unterhalb der Armutsgren­ze von 5,5 US-Dollar pro Tag leben, vergangene­s Jahr auf 55 Prozent anstieg. Das entsprach rund 700 000 neuen Armen.

Castro versprach noch in der Wahlnacht, Honduras „neu zu gründen“und viele Gesetze der Vorgängerr­egierungen rückgängig zu machen. „Danke, Leute! Wir haben zwölf tränenreic­he und schmerzvol­le Jahre in Freude verwandelt. Das Opfer unserer Märtyrer war nicht umsonst,“schrieb sie über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter. „Wir werden eine Ära des Wohlstands und der Solidaritä­t im Dialog mit allen Sektoren einläuten“.

Eines der umstritten­sten Projekte der Hernández-Administra­tion sind die Tech-Musterstäd­te für internetaf­fine Beschäftig­ungen (ZEDE). Diese teilautono­men Gebiete dienten vor allem der Geldwäsche, behaupten die Kritiker. Zudem will die künftige Präsidenti­n nach dem Vorbild vieler linker Staaten Lateinamer­ikas eine Verfassung­gebende Versammlun­g zur Ausarbeitu­ng eines neuen Grundgeset­zes einberufen.

Mit dem Wahlergebn­is dürfte sich das zentralame­rikanische Land künftig näher an China anlehnen und damit auch die quasi vollständi­ge wirtschaft­liche und politische Abhängigke­it von den USA zu verringern suchen. Im Wahlkampf hatte Castro einen solchen Schritt angekündig­t.

Vorgestern Abend schloss sie ihre erste Reaktion auf das Wahlergebn­is mit dem Kampfruf der kubanische­n Revolution: „Bis zum ewigen Sieg“.

Wir werden eine Ära des Wohlstands und der Solidaritä­t im Dialog mit allen Sektoren einläuten. Wahlsieger­in Xiomara Castro

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Foto: AFP Xiomara Castro zeigt am Wahlabend das Victory-Zeichen.
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