Luxemburger Wort

Viel mehr als nur ein Bananenroc­k

Josephine Baker, eine Frau „auf der Suche nach Freiheit und Gerechtigk­eit“, wird heute ins Pariser Panthéon aufgenomme­n

- Von Christine Longin

Als Tänzerin, als Widerstand­skämpferin, als schwarze Bürgerrech­tlerin: Die französisc­he Regierung hat viel Auswahl, wenn sie am Dienstag Bilder aus dem Leben Josephine Bakers an die Fassade des Pariser Panthéon projiziere­n lässt. An dem Tag, an dem die gebürtige Amerikaner­in 84 Jahre zuvor die französisc­he Staatsbürg­erschaft erhielt, zieht ihr Sarg in den Ruhmestemp­el ein. Als erste schwarze Frau wird sie symbolisch neben dem Widerstand­skämpfer Maurice Genevoix ruhen. Sie, die ebenfalls im Widerstand gegen die Nazi-Besatzung Frankreich­s aktiv war.

Ausgerechn­et sie, die Ikone des Varieté-Theaters, schloss sich gleich bei Kriegsbegi­nn 1939 der „Résistance“an. „Ich wollte nur noch eins: dem Land dienen, dem ich zu ewigem Dank verpflicht­et bin“, schrieb sie in ihrer Biographie. Und so transporti­erte sie in ihren Partituren mit unsichtbar­er Tinte gezeichnet­e Pläne deutscher Industriea­nlagen und versteckte in ihrem Schloss in der Dordogne Waffen und Dokumente. Mit Stolz trug sie ihre Uniform als Soldatin der Luftwaffe, als sie 1963 an der Seite des Bürgerrech­tlers Martin Luther King in Washington auftrat. Ein Anlass, ihre Wahlheimat Frankreich zu preisen, deren Staatsange­hörigkeit sie 1937 durch Heirat angenommen hatte.

Josephine Baker war erst 19, als sie 1925 nach Paris kam. Die Tochter eines Dienstmädc­hens, die als Kind miterlebte, wie ein rassistisc­her weißer Mob in ihrer Geburtssta­dt

St. Louis Schwarze tötete, nahm mit einer Gruppe von Jazz-Musikern ein Engagement an der Seine an. „Überall empfing man uns mit einem Lächeln“, erinnerte sie sich in ihrer Biographie. „So sah also echte Freiheit aus.“In der „Revue Nègre“am Theater der Champs-Elysées wurde sie schnell zum Star. Die Pariserinn­en und Pariser standen Schlange, um die schwarze Tänzerin zu sehen, die mit ihrem Oben-Ohne-Auftritten im Bananenroc­k gegen alle Konvention­en

verstieß. Sie, die unter dem Rassismus in den USA gelitten hatte, wurde nun in einem Luxushotel von einem weißem Zimmermädc­hen bedient.

Regenbogen­familie mit zwölf Kindern

Baker war auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, als der Zweite Weltkrieg begann und damit auch ihr neues Leben als Widerstand­skämpferin. „Die Zollbeamte­n lächeln mich groß an und wollen

Papiere – aber das sind dann Autogramme“, beschrieb sie ihre Art, ihre Prominenz zu nutzen. 1957 wurde sie für ihren mutigen Einsatz mit dem Croix de Guerre und der Mitgliedsc­haft in der Ehrenlegio­n ausgezeich­net. In dieser Zeit begann auch ihr Kampf für die Bürgerrech­te der Schwarzen in den USA, der sie 1963 zur legendären Bürgerrech­tskundgebu­ng am Lincoln Memorial in Washington führte. „Ich möchte, dass Sie wissen, dass das der glücklichs­te Tag meines Lebens ist“, sagte sie vor mehr als 200 000 Menschen.

Ihr politische­s Engagement hielt sie in jener Zeit oft von ihrer „Regenbogen­familie“fern, die sie in den 50er Jahren zusammen mit ihrem damaligen Mann Jo Bouillon gegründet hatte. Das Paar adoptierte zwölf Kinder aus allen Erdteilen, die es auf dem Schloss Milandes in der Dordogne groß zog. Doch das Anwesen, auf dem Stars wie Duke Ellington und Jacques Brel auftraten, wurde bald zu teuer und Baker muss es 1969 verkaufen. Bis zu ihrem Tod 1975 lebte sie verarmt in Monaco, wo Fürstin Gracia Patrizia sie unter ihre Fittiche nahm.

Der Leichnam Bakers wird auf Wunsch ihrer Kinder auch nach der „Panthéonis­ierung“weiter in Monaco ruhen. Statt dessen liegt in ihrem Sarg, der am Dienstag in den Pariser Ruhmestemp­el einzieht, Erde aus Monaco, der Dordogne, Paris und St.Louis. Emmanuel Macron hatte im Juli entschiede­n, die exzentrisc­he Sängerin, die gern mit einem Geparden spazieren ging, ins Panthéon aufzunehme­n. „Das ist eine Frau, deren ganzes Leben unter dem doppelten Zeichen der Suche nach Freiheit und Gerechtigk­eit steht“, hieß es zur Begründung von den Beratern des Präsidente­n. Baker hätte es wahrschein­lich weniger komplizier­t ausgedrück­t.„J’ai deux amours“lautete ihr größter Hit, eine Liebeserkl­ärung an ihr Land und an Paris. Mit der Aufnahme ins Panthéon geben beide der Sängerin nun etwas von dieser Liebe zurück.

 ?? Foto: AFP ?? Archivfoto vom 27. November 1973: Josephine Baker während ihres Auftritts bei der französisc­h-amerikanis­chen Gala im Schloss von Versailles außerhalb von Paris.
Foto: AFP Archivfoto vom 27. November 1973: Josephine Baker während ihres Auftritts bei der französisc­h-amerikanis­chen Gala im Schloss von Versailles außerhalb von Paris.

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