Luxemburger Wort

Gerechtigk­eit für Epsteins Opfer

Ghislaine Maxwell soll beim sexuellen Missbrauch von Minderjähr­igen geholfen haben

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New York. Besonders zuversicht­lich dürfte Ghislaine Maxwell ihrem ersten Prozesstag kaum entgegenge­schaut haben. Vier Mal hatten die Anwälte der Ex-Partnerin des gestorbene­n US-Multimilli­onärs Jeffrey Epstein beantragt, sie aus der U-Haft zu entlassen. Vier Mal lehnte die New Yorker Richterin Alison Nathan wegen Fluchtgefa­hr ab – was bereits als Indiz für das Klima vor Gericht gewertet wird. Gestern nun startete der lang erwartete Prozess gegen die 59-Jährige wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauch­s von Minderjähr­igen. Epsteins Opfer dürften ihn als letzte Chance auf Gerechtigk­eit sehen.

Die Geschichte der mutmaßlich­en Sexualverb­rechen Epsteins hat in den USA längst monumental­e Ausmaße angenommen: Im Zuge der vorgeworfe­nen Verbrechen fallen auch immer wieder die Namen von Prominente­n der internatio­nalen High Society – ja, sogar von Ex-Präsidente­n und Prinzen. Und um Epsteins als Suizid eingestuft­en Tod 2019 in einer Gefängnisz­elle ranken sich teils krude Verschwöru­ngstheorie­n.

Laut Staatsanwa­ltschaft soll der Ex-Investment­banker über Jahrzehnte hinweg Dutzende minderjähr­ige Mädchen missbrauch­t und einen Prostituti­onsring auf seinen diversen Anwesen in den USA aufgebaut haben – gleichzeit­ig hofierte er weiter die Mächtigen und Reichen.

Trump, Clinton, Gates

Seine Neigungen sollen in gewissen Kreisen ein geradezu offenes Geheimnis gewesen sein, so sagte Donald Trump – damals noch nicht politisch aktiv – über Epstein 2002 im „New York Magazine“: „Es wird sogar erzählt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich. Und viele von denen sind eher von der jüngeren Sorte.“Andere Bekannte Epsteins waren der frühere USPräsiden­t Bill Clinton, MicrosoftG­ründer Bill Gates sowie Prinz Andrew, gegen den eine Zivilklage von einem Opfer läuft.

Die Gerüchte um den einflussre­ichen Geschäftsm­ann führten auch zu Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft in Florida, wo Epstein 2008 auch vor Gericht stand. Damals ging es um die Anschuldig­ungen von 24 Minderjähr­igen. Es folgte ein Deal, den viele für einen Skandal hielten und der Epstein zum Symbol einer wohlhabend­en Elite machte, die mit allem durchkommt: Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er wieder frei.

Doch Ermittler in New York rollten den Fall wieder auf und klagten Epstein 2019 erneut an. Dann wurde er eines Morgens tot in seiner Gefängnisz­elle gefunden – und seine Opfer bleiben ohne Prozess. In der Folge geriet Ghislaine Maxwell umso mehr in den Fokus von Ermittlern und Öffentlich­keit, vergangene­s Jahr schließlic­h wurde auch sie verhaftet. Die Staatsanwa­ltschaft wirft der Frau mit britischem, französisc­hem und amerikanis­chem Pass vor, die wichtigste Komplizin in Epsteins Missbrauch­sring gewesen sein.

In der Anklagesch­rift heißt es, die heute 59-Jährige habe den Missbrauch

durch Epstein erleichter­t, „indem sie mit Opfern über sexuelle Themen sprach, sie ermutigte, Epstein zu massieren und sich vor einem Opfer auszog“. Sie sei zudem bei „bestimmten sexuellen Begegnunge­n zwischen minderjähr­igen Opfern und Epstein anwesend“gewesen. Maxwell bestreitet illegales Handeln.

Angestellt­e und beste Freundin

Sie selbst hat einen prominente­n Hintergrun­d: Sie ist die Tochter des superreich­en Verlegers Robert Maxwell und kam Anfang der 1990er-Jahre nach New York. Sie traf Jeffrey Epstein auf einer der zahlreiche­n Promi-Partys und soll damals zeitweise seine Freundin gewesen sein. Das Umfeld Epsteins beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellt­er, bester Freundin und rechter Hand.

Maxwell als angebliche­s Zentrum des Prostituti­onsrings ihres Vertrauten, die bereitwill­ig Opfer für ihn rekrutiert haben soll – so wollen die Ankläger sie in dem Prozess darstellen. Für ihre sechs Anklagepun­kte haben sie vier Schlüssel-Zeuginnen. Die mutmaßlich­en Verbrechen an den damaligen Teenagern ab 14 Jahren fanden demnach in den Jahren von 1994 und 2004 in Epsteins Anwesen in New York, Palm Beach, Santa Fe und London statt. Schätzunge­n zufolge könnte das Verfahren bis in den Januar reichen.

Maxwells Verteidigu­ng dagegen dürfte versuchen, ihre Mandantin

von Epstein zu distanzier­en, die Beziehung als weniger eng, ihn als missbräuch­lich auch ihr gegenüber darzustell­en. Wenn die in den vergangene­n Wochen sorgfältig ausgewählt­en zwölf Juroren dieser Darstellun­g jedoch nicht folgen, drohen Maxwell viele Jahre im Gefängnis.

Die Unschuld beteuert

Unter den Umständen in der Haft hatte sie bereits in den vergangene­n mehr als 16 Monaten laut Darstellun­g ihrer Anwälte gelitten. Sie beschriebe­n, wie ihre Klientin schon um 3.45 Uhr morgens aufgeweckt wurde, um zu Anhörungen am Gericht in Manhattan gebracht zu werden, wie sie dort nicht genug zu essen bekommen habe und wegen ihrer Fußfesseln ins Auto habe krabbeln müssen. Vor Richterin Nathan sagte Maxwell bislang nicht viel. Doch das, was sie sagte, war eindeutig: „Ich habe keinerlei Verbrechen begangen“. dpa

Maxwells Verteidigu­ng dagegen dürfte versuchen, ihre Mandantin von Epstein zu distanzier­en.

 ?? Foto: Rob Kim/Getty Images/AFP ?? Ghislaine Maxwell bei einer Gala im Jahr 2014. Der Ex-Partnerin von Jeffrey Epstein wird vorgeworfe­n, den Missbrauch durch den Millionär erleichter­t zu haben.
Foto: Rob Kim/Getty Images/AFP Ghislaine Maxwell bei einer Gala im Jahr 2014. Der Ex-Partnerin von Jeffrey Epstein wird vorgeworfe­n, den Missbrauch durch den Millionär erleichter­t zu haben.

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