Luxemburger Wort

Ohne Ambitionen und Visionen

Mouvéco, Greenpeace und Natur&Emwelt fordern mehr Einsatz der Regierung für eine umwelt- und klimavertr­ägliche Landwirtsc­haft

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Wer sich in der gestrigen „Wort“Ausgabe die Anzeigense­ite 43 genauer angeschaut hat, dürfte gestaunt haben. Eine öffentlich­e Mitteilung vom Ministère de l'agricultur­e durable? Luxemburg hat kein Ministeriu­m für nachhaltig­e Landwirtsc­haft. Aufgegeben wurde die Anzeige vom Mouvement écologique, Greenpeace Luxemburg und Natur&Emwelt. Sie ist als Botschaft an das Landwirtsc­haftsminis­terium zu verstehen, „um zu zeigen, was wir vom Ministeriu­m erwarten“, so Blanche Weber gestern auf Nachfrage. Was sie vom Ministeriu­m erwarten, haben die drei Organisati­onen gestern bei einer Pressekonf­erenz mitgeteilt.

Scheinkons­ultierung

Bis zum 1. Januar 2022 muss die Regierung ihren nationalen Strategiep­lan zur Umsetzung der Gemeinsame­n Europäisch­en Agrarrefor­m (GAP) an die EU-Kommission schicken. Zum Entwurf dieser Strategie fand in Luxemburg eine öffentlich­e Konsultier­ung statt, die gestern endete. Und da beginnt die Kritik der drei Organisati­onen.

Es habe sich um eine Scheinkons­ultierung gehandelt, „bei der die normalen Bürger kaum eine Chance hatten, sich am Prozess zu beteiligen, weil sie nur sechs Wochen Zeit hatten, um 400 Seiten mit technisch-komplexem Inhalt zu prüfen“.

Die Organisati­onen sind mit dem Strategiep­apier zur Reform nicht einverstan­den. Aus verschiede­nen Gründen. Interessie­rte Natur-, Umwelt und Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n seien vorab nicht in den Reformproz­ess eingebunde­n worden. „Und dann liegt plötzlich ein Entwurf auf dem Tisch, zu dem man innerhalb von sechs Wochen Vorschläge einreichen soll“, sagte Blanche Weber. Mit dieser Vorgehensw­eise werde man der Bedeutung des Agrarsekto­r für die Biodiversi­tät, den Klimaschut­z, die Lebensmitt­elprodukti­on, das Tierwohl und die einzelnen Landwirte nicht gerecht, findet die Mouvéco-Präsidenti­n. Zudem gehe es um sehr viel Geld, insgesamt 570 Millionen Euro, die zielgerich­tet investiert werden müssten. „Dass es dazu keine wirkliche Debatte mit allen Akteuren gegeben hat, ist unwürdig“, so Weber. Sie verweist auf die im Koalitions­programm vorgesehen­e Analyse von umweltschä­dlichen Subvention­en. „Da gehören auch die Hilfen im Agrarsekto­r dazu. Doch diese Analyse wurde nicht gemacht. Es ist irrsinnig, dass wir Dinge subvention­ieren, die wir nicht wollen.“

Intensive Landwirtsc­haft

Roby Biwer hatte sich einen ambitionie­rteren Strategiep­lan erwartet, zumal der Handlungss­pielraum dafür besteht. Der Präsident von Natur&Emwelt beklagt den Artenschwu­nd in Luxemburg und den Rückgang der Anzahl landwirtsc­haftlicher Betriebe, die unter ökonomisch­em Druck stünden, sich zu vergrößern, um rentabel produziere­n zu können. Die Hilfsgelde­r müssten zum Erhalt der Biodiversi­tät, zum Schutz des Klimas, des Tierwohls und zum Schutz der kleinen Betriebe investiert werden, um die Spirale des „Immer größer“und „Immer intensiver“zu durchbrech­en. „Eine naturnahe Landwirtsc­haft würde auch die CO2-Emissionen senken“, gibt Biwer zu bedenken. Besonders die jungen Landwirte seien da sehr offen, „aber sie zögern, weil sie sich in ein ökonomisch­es Abenteuer begeben. Wir müssen die Prämienpol­itik anpassen, damit sich die Transition hin zu einer ökologisch­en, nachhaltig­en Landwirtsc­haft für sie lohnt“, so Biwer.

Viehbestan­d um 50 Prozent senken Nachhaltig­e Landwirtsc­haft bedeutet für die drei Organisati­onen, die Vieh- und Milchwirts­chaft auf ein gesundes Maß zurückzufa­hren. Raymond Aendekerk, Direktor von Greenpeace Luxemburg, schätzt, „dass wir den Viehbestan­d um die Hälfte und auch die Intensität reduzieren müssen“. Den Ausgleich schaffe man durch Prämien, Bioprämien zum Beispiel. „Hier geht der Strategiep­lan nicht weit genug beziehungs­weise es gibt keine Details zu den Prämien“, so Aendekerks Kritik. Es brauche ein Prämiensys­tem, mit dem nicht länger Anreize für eine intensive landwirtsc­haftliche Produktion und Bewirtscha­ftung geschaffen, sondern innovative Projekte gefördert werden.

Die Organisati­onen sehen nicht die Landwirte in der Schuld, sondern „die über Jahrzehnte verfehlte Landwirtsc­hafts- und Förderpoli­tik“. Sie fordern das Landwirtsc­haftsminis­terium auf, das Strategiep­apier fundamenta­l zu überarbeit­en. mig

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