Fliegender Wechsel
Drei Regierungsmitglieder, die in nur zwei Tagen ihren Hut nehmen, da fragt man sich, warum diese plötzliche Flucht aus der DreierKoalition? In der offiziellen Verlautbarung heißt es jedes Mal „aus persönlichen Gründen“, womit das Signal ausgesendet wird „Achtung Privatsphäre, Nachfragen nicht erwünscht.“Aber leider öffnen sich damit auch Tür und Tor für alle erdenklichen Spekulationen, die gerade in dieser Zeit einen fruchtbaren Boden finden. Die Umfragewerte der Regierung sind nicht blendend, der Premierminister ist nach seinem aufgeflogenen Plagiat geschwächt, und die Nerven in der Gesellschaft liegen wegen Corona blank. Manchen geht die aktuelle Gesundheitspolitik zu weit, anderen ist sie nicht reaktiv genug, insbesondere jetzt beim Nachimpfen.
Es ist die schlimmste Gesundheitskrise, die das Land erlebt hat, und sie macht die Menschen nicht nur krank und müde, sie treibt auch einen Keil in die Gesellschaft. Es ist demnach der denkbar schlechteste Moment, um eine Regierung umzubilden. Die jetzigen Abgänge aus der Exekutive werden das Vertrauen in die Politik nur schwächen, und man wird es keinem verdenken können, der diesen fliegenden Wechsel nun auch in den Kontext der Corona-Krise stellt und sich fragt: Sind Gramegna, Schneider und Kersch etwa nicht mehr auf der Corona-Linie von Bettel und Lenert? Und wollen die drei vielleicht auch nicht mehr das mitverantworten, was noch kommen könnte, eine Impfpflicht?
Ein Minister, der in Krisenzeiten aus freien Stücken sein Amt aufgibt, der weiß, dass er der Regierung und seiner Partei schadet. Wenn es dann drei sind, die das unkoordiniert – am Montag zwei, am Dienstag einer – tun, dann hinterlässt dies einen bitteren Nachgeschmack, und man darf deshalb die Frage stellen: Hat Bettel noch die Kontrolle über seine Regierung?
Natürlich hat jeder Mensch das Recht dazu, sein Leben so zu gestalten, wie er es möchte, seinen Job zu wechseln, wann es ihm gefällt – auch ein Politiker. Ein Ministeramt aber ist auf Zeit, und es ist deshalb sehr verwunderlich, wenn sich jemand vor Ablauf seiner Amtszeit plötzlich aus der Verantwortung zieht. Minister müssen nicht gewählt sein, ihnen wird aber das Vertrauen des Volkes durch das Parlament ausgesprochen. Sie werden dazu „erwählt“, zu dienen; das Wort Minister kommt aus dem Lateinischen „ministrare“, dienen.
Der deutsche Soziologe Max Weber sprach vor mehr als hundert Jahren vor Münchner Studenten über „Politik als Beruf“und sah in diesem Job mehr Berufung als Beruf.
Eine verantwortliche Politik sei ein „starkes, langsames Bohren von harten Brettern“, betonte der Soziologe und meinte damit, dass politische Gestaltungsprozesse mühsam und zäh sind, dass sie Ausdauer und Beharrlichkeit erfordern, und dass Politik letztlich eine Leidenschaft für das Gemeinwohl sei. Das hat sich seit 1919, als Max Weber diese wichtige Rede hielt, nicht verändert. Leidenschaft hat mit Leiden zu tun. Natürlich ist nicht jeder eine „bête politique“, wie man in Frankreich sagt, aber ein bisschen leiden fürs Gemeinwohl sollte man doch können.
Drei Minister verlassen die Regierungsbank – ein denkbar schlechtes Zeichen.