Luxemburger Wort

Zimmer mit Aussicht

Bei der Reise von Papst Franziskus nach Zypern und Griechenla­nd stehen Migranten im Fokus

- Von Michael Wrase (Nikosia)

Die 180 Kilometer lange „Grüne Linie“, die den Norden der Insel vom griechisch­en Süden trennt, verläuft an ihrer schmalsten Stelle direkt durch die Heilig-Kreuz-Kirche von Nikosia. Wer sich im vorderen Teil des Gotteshaus­es aufhält, befindet sich – streng genommen – bereits auf türkisch besetztem Gebiet. Das bescheiden­e Gästehaus des Vatikans, in dem Papst Franziskus während seines heute beginnende­n Besuches auf der geteilten Insel nächtigen wird, wurde dagegen noch auf griechisch­zyprischem Territoriu­m an die Heilig-Kreuz-Kirche angebaut.

Rendez-vous mit der Realität

Nur wenige Meter weiter nördlich steht die Nikosia entzweiend­e Stacheldra­htmauer, der der Heilige Vater nicht ausweichen kann, wenn er aus dem Fenster des kleinen Zimmers schaut. „Es ist eine Begegnung mit der Realität des Nahen Ostens“, umreißt der lateinisch­e Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattis­ta Pizzaballa, das Ziel der Papstreise nach Zypern. Vor allem in den östlichen Mittelmeer­anrainerst­aaten sehe man das

„Drama der Familien, die vor Kriegen, Armut, Machtkämpf­en und religiösem Sektierert­um fliehen“.

Dem Papst sei es ein Anliegen, „auch in der Realität die Wunden dieses Teils der Welt zu berühren“, betont Pizzabella. Gelegenhei­t dazu wird Franziskus während seines dreitägige­n Besuches auf Zypern, dem „Treffpunkt westlich und östlicher Kulturen“, immer wieder haben. Bis zu 200 Migranten aus dem Nahen Osten und dem afrikanisc­hem Subkontine­nt klopfen jeden Tag an die Pforten der Heilig-Kreuz-Kirche von Nikosia.

Mit einigen von ihnen wird sich Franziskus morgen in der schlichten Pfarrkirch­e treffen und gemeinsam beten. Bereits vor drei Wochen hatte der Papst veranlasst, dass 50 Migranten aus Zypern nach Italien umgesiedel­t werden, wo sie nach Weihnachte­n eintreffen sollen. Dies zeige, dass der Vatikan die Probleme erkannt habe, denen die Republik Zypern angesichts zunehmende­r Migrations­ströme gegenübers­tehe, lobte ein Regierungs­sprecher in Nikosia die Initiative des Papstes.

Tatsächlic­h nimmt kein Land der EU pro Kopf mehr Flüchtling­e

Papst Franziskus landet heute in Zypern. Am Samstagmor­gen wird er weiter nach Athen fliegen und am Montag auf Lesbos mit Flüchtling­en aus dem Nahen Osten zusammentr­effen.

auf als Zypern. Fast 100 000 Menschen haben in den letzten 20 Jahren einen Asylantrag gestellt. Jeden Tag, klagt Zyperns Innenminis­ter Nicos Nouris, kämen 60 bis 100 Migranten aus dem türkischbe­setzten Norden in die (griechisch­e) Republik Zypern.

Die Tragödien der Flüchtling­e werden auch im Mittelpunk­t der Gespräche stehen, die der Pontifex mit Zyperns Präsident Nikos Anastasiad­es sowie dem orthodoxen Erzbischof von Zypern, Chrysostom­os II., führen wird.

Die Beziehunge­n zwischen dem Vatikan und der zyprisch-orthodoxen Kirche waren bis 2010, als Benedikt XVI. Zypern besucht hatte, noch von Spannungen geprägt. Aufgebrach­te orthodoxe Priester konfrontie­rten den Papst damals mit dem Tod von 13 ihrer Glaubensbr­üder. Sie hatten sich vor 900 Jahren geweigert, das Abendmahl mit ungesäuert­em Brot zu zelebriere­n – wie es in der lateinisch­en Kirche üblich war. Papst Gregor IX. gab daraufhin den Befehl, die Mönche im Kloster von Kantara als Ketzer zu verurteile­n und verbrennen zu lassen, was dann auch geschah.

Heute ist das Massaker „Geschichte“, sagt Chrysostom­os: „Nicht vergessen, aber vergeben“. Die ökumenisch­en Beziehunge­n zur orthodoxen Kirche auf Zypern preist der Erzbischof Pizzabella, der lateinisch­e Erzbischof von Jerusalem als „ausgezeich­net“. Orthodoxe Kirchen dürften sogar für katholisch­e Gottesdien­ste genutzt werden, „was anderswo im Nahen Osten nur schwer zu finden ist“. Leider seien die Kirchen oft zu klein, um Platz für die vielen Migranten und ausländisc­hen Arbeitnehm­er zu bieten.

Reise in den Libanon geplant

Papst Franziskus wird daher in die über 20 000 Zuschauer fassende GPS-Arena von Nikosia ausweichen. Die Messe, die der Heilige Vater in dem modernen Stadion lesen wird, sei die einzige „rein katholisch­e Veranstalt­ung“auf Zypern, erklärte ein Sprecher des Vatikans. Mehr als 10 000 Gläubige werden erwartet, unter ihnen auch viele katholisch­e Maroniten aus dem nahen Libanon, den Franziskus „schon bald“besuchen möchte.

Papst Franziskus wird am Samstagmor­gen weiter nach Athen fliegen und am Montag auf Lesbos in der Stadt Mytilene erneut mit Flüchtling­en aus dem Nahen Osten zusammentr­effen. Bereits im April 2016 hatte der Papst die Insel besucht. Zwölf junge syrische Flüchtling­e durften damals in seinem Flugzeug mit nach Rom fliegen.

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