Zimmer mit Aussicht
Bei der Reise von Papst Franziskus nach Zypern und Griechenland stehen Migranten im Fokus
Die 180 Kilometer lange „Grüne Linie“, die den Norden der Insel vom griechischen Süden trennt, verläuft an ihrer schmalsten Stelle direkt durch die Heilig-Kreuz-Kirche von Nikosia. Wer sich im vorderen Teil des Gotteshauses aufhält, befindet sich – streng genommen – bereits auf türkisch besetztem Gebiet. Das bescheidene Gästehaus des Vatikans, in dem Papst Franziskus während seines heute beginnenden Besuches auf der geteilten Insel nächtigen wird, wurde dagegen noch auf griechischzyprischem Territorium an die Heilig-Kreuz-Kirche angebaut.
Rendez-vous mit der Realität
Nur wenige Meter weiter nördlich steht die Nikosia entzweiende Stacheldrahtmauer, der der Heilige Vater nicht ausweichen kann, wenn er aus dem Fenster des kleinen Zimmers schaut. „Es ist eine Begegnung mit der Realität des Nahen Ostens“, umreißt der lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, das Ziel der Papstreise nach Zypern. Vor allem in den östlichen Mittelmeeranrainerstaaten sehe man das
„Drama der Familien, die vor Kriegen, Armut, Machtkämpfen und religiösem Sektierertum fliehen“.
Dem Papst sei es ein Anliegen, „auch in der Realität die Wunden dieses Teils der Welt zu berühren“, betont Pizzabella. Gelegenheit dazu wird Franziskus während seines dreitägigen Besuches auf Zypern, dem „Treffpunkt westlich und östlicher Kulturen“, immer wieder haben. Bis zu 200 Migranten aus dem Nahen Osten und dem afrikanischem Subkontinent klopfen jeden Tag an die Pforten der Heilig-Kreuz-Kirche von Nikosia.
Mit einigen von ihnen wird sich Franziskus morgen in der schlichten Pfarrkirche treffen und gemeinsam beten. Bereits vor drei Wochen hatte der Papst veranlasst, dass 50 Migranten aus Zypern nach Italien umgesiedelt werden, wo sie nach Weihnachten eintreffen sollen. Dies zeige, dass der Vatikan die Probleme erkannt habe, denen die Republik Zypern angesichts zunehmender Migrationsströme gegenüberstehe, lobte ein Regierungssprecher in Nikosia die Initiative des Papstes.
Tatsächlich nimmt kein Land der EU pro Kopf mehr Flüchtlinge
Papst Franziskus landet heute in Zypern. Am Samstagmorgen wird er weiter nach Athen fliegen und am Montag auf Lesbos mit Flüchtlingen aus dem Nahen Osten zusammentreffen.
auf als Zypern. Fast 100 000 Menschen haben in den letzten 20 Jahren einen Asylantrag gestellt. Jeden Tag, klagt Zyperns Innenminister Nicos Nouris, kämen 60 bis 100 Migranten aus dem türkischbesetzten Norden in die (griechische) Republik Zypern.
Die Tragödien der Flüchtlinge werden auch im Mittelpunkt der Gespräche stehen, die der Pontifex mit Zyperns Präsident Nikos Anastasiades sowie dem orthodoxen Erzbischof von Zypern, Chrysostomos II., führen wird.
Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der zyprisch-orthodoxen Kirche waren bis 2010, als Benedikt XVI. Zypern besucht hatte, noch von Spannungen geprägt. Aufgebrachte orthodoxe Priester konfrontierten den Papst damals mit dem Tod von 13 ihrer Glaubensbrüder. Sie hatten sich vor 900 Jahren geweigert, das Abendmahl mit ungesäuertem Brot zu zelebrieren – wie es in der lateinischen Kirche üblich war. Papst Gregor IX. gab daraufhin den Befehl, die Mönche im Kloster von Kantara als Ketzer zu verurteilen und verbrennen zu lassen, was dann auch geschah.
Heute ist das Massaker „Geschichte“, sagt Chrysostomos: „Nicht vergessen, aber vergeben“. Die ökumenischen Beziehungen zur orthodoxen Kirche auf Zypern preist der Erzbischof Pizzabella, der lateinische Erzbischof von Jerusalem als „ausgezeichnet“. Orthodoxe Kirchen dürften sogar für katholische Gottesdienste genutzt werden, „was anderswo im Nahen Osten nur schwer zu finden ist“. Leider seien die Kirchen oft zu klein, um Platz für die vielen Migranten und ausländischen Arbeitnehmer zu bieten.
Reise in den Libanon geplant
Papst Franziskus wird daher in die über 20 000 Zuschauer fassende GPS-Arena von Nikosia ausweichen. Die Messe, die der Heilige Vater in dem modernen Stadion lesen wird, sei die einzige „rein katholische Veranstaltung“auf Zypern, erklärte ein Sprecher des Vatikans. Mehr als 10 000 Gläubige werden erwartet, unter ihnen auch viele katholische Maroniten aus dem nahen Libanon, den Franziskus „schon bald“besuchen möchte.
Papst Franziskus wird am Samstagmorgen weiter nach Athen fliegen und am Montag auf Lesbos in der Stadt Mytilene erneut mit Flüchtlingen aus dem Nahen Osten zusammentreffen. Bereits im April 2016 hatte der Papst die Insel besucht. Zwölf junge syrische Flüchtlinge durften damals in seinem Flugzeug mit nach Rom fliegen.