Friedlich und stramm rechts
In Frankreich wählen die konservativen Republikaner ihren Präsidentschaftskandidaten
Nur wenige Minuten lagen zwischen dem ersten Fernsehinterview des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour und der letzten Fernsehdebatte der Konservativen. Mit einem Knopfdruck vom ersten ins zweite Fernsehprogramm war am Dienstagabend zu sehen, wie stark Zemmour die Diskussion der rechtsbürgerlichen Les Républicains (LR) prägte.
Zwar wurde sein Name nur am Anfang erwähnt, doch wer die Programme der Bewerberin und ihrer vier Konkurrenten um die Präsidentschaftskandidatur studiert, der findet darin eine Art „Zemmour light“. Zemmours Paradethemen Einwanderung und Sicherheit dominierten die parteiinterne Kampagne der Republikaner in den vergangenen Wochen. Die Kandidaten für die Vorwahlen, die gestern begannen, übertrafen sich mit stramm rechten Positionen.
Hardliner Barnier
Als Hardliner tat sich ausgerechnet der frühere EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler Michel Barnier hervor. Der 70-Jährige will im Falle seiner Wahl einen Einwanderungsstopp von drei bis fünf Jahren verkünden und nimmt dabei in Kauf, die EU vor den Kopf zu stoßen. Europa scheint dem früheren Außenminister, der seinen Favoritenstatus durch lahme Fernsehauftritte verspielte, ohnehin nicht mehr am Herzen zu liegen.
So forderte er, in Migrationsfragen die französische Rechtsprechung über die europäische zu stellen. Frankreich könne nicht permanent mit der Bedrohung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte leben. Genau wie die Rechtspopulistin Marine Le Pen verspricht der hochgewachsene Kandidat im Fall seiner Wahl ein Referendum über die Immigration.
Auch der Präsident der nordfranzösischen Region Hauts-deFrance, Xavier Bertrand, will per Referendum die Verfassung ändern, um Einwanderungsquoten festzulegen. Er warnte allerdings davor, in der Einwanderungspolitik der „Versuchung des Hasses“nachzugeben. „Islam ist nicht gleich Islamismus“, sagte er am Dienstagabend in einer indirekten Antwort auf Zemmour, der beide Begriffe gleichsetzt.
Der Ex-Minister positioniert sich in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl mit rund 14 Prozent besser als Barnier (zehn Prozent), seine Konkurrentin Valérie
Pécresse (elf Prozent), der Rechtsaußen Eric Ciotti (sechs Prozent) und der Arzt Philippe Juvin (drei Prozent). Keiner der konservativen Kandidaten käme allerdings derzeit in die Stichwahl, die Präsident Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen bestreiten dürften.
Für wen die knapp 140 000 Mitglieder der Republikaner in den beiden Wahlgängen der bis Samstag dauernden Vorwahlen stimmen, ist völlig offen.„Die Wählerschaft ist sehr flatterhaft“, zitierte die Zeitung „Le Parisien“einen Parteikader.
Tatsächlich schlossen sich in den vergangenen Wochen Zehntausende den Républicains an, um über den Präsidentschaftskandidaten mitentscheiden zu können. Das Profil dieser Neumitglieder ist kaum bekannt. Besonders viele neue Anhänger konnte der südfranzösische Abgeordnete Eric Ciotti überzeugen. Der Rechtsaußen war auch der einzige, der offen seine Sympathie für Zemmour bekundete. Im Falle einer Stichwahl des Publizisten gegen Macron werde er für Zemmour stimmen, kündigte Ciotti an.
Kein Bruderkrieg
Für die Republikaner sind die Vorwahlen schon jetzt ein Erfolg: Die fünf Kandidaten gingen bei allen Debatten pfleglich miteinander um. Ein Bruderkrieg, wie ihn die Partei 2016 zwischen den drei Schwergewichten Alain Juppé, Nicolas Sarkozy und François Fillon erlebt hatte, blieb diesmal aus.
Allerdings haben die Républicains auch nicht mehr den Zulauf wie vor fünf Jahren, als vier Millionen Anhänger bei den damals für alle offenen Vorwahlen über den Kandidaten abstimmten. Die Begeisterung endete damals mit einem Flop: Mit einer Affäre um Scheinbeschäftigung belastet kam Sieger Fillon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen nur auf 20 Prozent der Stimmen. Den Einzug in die Stichwahl verpassten die Konservativen damit zum ersten Mal.