Den Kreislauf in Schwung bringen
Die „Circular Economy“könnte Luxemburger Firmen Einsparungen in Millionenhöhe bringen
Nicht zuletzt die vergangenen Monate haben gezeigt, wie volatil die Rohstoffpreise sind und wie anfällig für externe Schocks. Gerade für eine kleine Volkswirtschaft wie Luxemburg, die zu weiten Teilen von Lieferungen aus dem Ausland abhängig ist, kann das schnell problematisch werden. Kein Wunder also, dass ein effizienterer Umgang mit Ressourcen ganz oben auf der politischen Agenda steht. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht das Konzept der Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy. „Das ist der Übergang von der gegenwärtigen linearen Wirtschaft, die darin besteht, Ressourcen zu extrahieren, (Waren) zu produzieren, zu konsumieren, wegzuwerfen und wieder mit der Produktion durch die Gewinnung von Ressourcen zu beginnen, hin zu einer Kreislaufwirtschaft, in der wir Produkte am Ende ihrer Lebensdauer in einen neuen Produktionszyklus wiedereinführen“, erklärt Hoai Thu Nguyen Doan, Autorin eines Berichts der Chambre de Commerce zum Stand der Circular Economy in Luxemburg, der diese Woche veröffentlicht wurde.
Luxemburg als „Versuchslabor“
Die Luxemburger Regierung befasst sich schon lange mit dem Thema. 2014 wurde die erste Studie in Auftrag gegeben. Auf über 500 Seiten legte damals die EPEA Internationale Umweltforschung GmbH dar, welches Potenzial das Konzept für die Luxemburger Wirtschaft haben könnte. Demnach könnten die hiesigen Unternehmen bei konsequenter Umsetzung des Prinzips zwischen 300 Millionen bis und einer Milliarde Euro an Rohstoffkosten einsparen. Darüber hinaus könnten 2200 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, so die Studie. Trotz dieser Verheißungen sind die Unternehmen, abgesehen von einigen Pilotprojekten, bisher noch eher zurückhaltend, was die Umsetzung der Circular Economy angeht. „Da die Kreislaufwirtschaft eine relativ neue Disziplin ist, kann sie fälschlicherweise als eine Wirtschaftstheorie unter vielen wahrgenommen werden, die außerhalb von Konferenzsälen keine konkrete Anwendung findet. Dies gilt insbesondere für kleine Unternehmen mit begrenzten Ressourcen an Personal, Zeit und Geld“, so Nguyen Doan. Dabei könne von der Kreislaufwirtschaft jedes Unternehmen profitieren, „unabhängig von seiner Größe und seinem Tätigkeitsbereich.“Laut der Studie von 2014 könnte der Ansatz beispielsweise dem verarbeitenden Gewerbe und dem Bausektor Ressourceneinsparung von etwa fünf Prozent bescheren. Daneben sei ein umweltfreundliches Image hilfreich dabei, neue Kunden und Mitarbeiter zu finden und an sich zu binden.
Im Februar verabschiedete die Regierung eine nationale Strategie für eine Kreislaufwirtschaft. Das Ziel sei es, „Bürgern und Märkten eine klare Vision und Orientierung zu geben“und dem Großherzogtum zu ermöglichen, „sich als einer der Vorreiter auf diesem Gebiet zu positionieren“, schreiben die beteiligten Minister im Vorwort des Strategiepapiers. Auch die Chambre kommt in ihrer Veröffentlichung zu dem Ergebnis, dass das Großherzogtum aufgrund seiner offenen Wirtschaft, der zentralen geografischen Lage und kurzen Entscheidungswege ideale Voraussetzungen hat, um eine Art Versuchslabor für innovative Geschäftsformen in der Kreislaufwirtschaft zu werden.
Für Unternehmen gebe es einige Ansätze, Elemente der Kreislaufwirtschaft bei sich einzusetzen, erklärt die Ökonomin Nguyen Doan bei der Vorstellung des Reports am Dienstagnachmittag. Zum einen sieht das Konzept des Ökodesign („éco-conception) vor, dass das Kreislaufprinzip bereits bei der Entwicklung eines Produkts eine zentrale Rolle spielt. Die verwendeten Materialien und das Design werden von Anfang an so ausgewählt, dass das Produkt eine möglichst lange Lebensdauer hat, reparabel ist und am Ende seiner Verwendung zerlegt und wiederverwertet werden kann.
Neue Geschäftsmodelle
Zum anderen können sich mit der Circular Economy neue Geschäftsmodelle für die Unternehmen ergeben, sagt die Autorin. In vielen Bereichen geht es heute schon nicht mehr darum, eine Sache zu besitzen, solange man sie benutzen kann. So kaufen Konsumenten kaum noch CDs oder Schallplatten.
Stattdessen bezahlen sie auf Plattformen wie Spotify dafür, Musik hören zu können. In der Software-Industrie ist das Modell als „Software-as-a-Service“längst etabliert. Denkbar ist das Prinzip auch in der Industrie oder in der Baubranche, wo Hersteller von Komponenten diese nur für die Nutzungsdauer vermieten. Selbst bei Konsumartikeln wie Schuhen ist das Prinzip denkbar. Das Modell würde auch für die Industrie andere Anreize setzen: Statt Produkte so zu gestalten, dass sie nach ein paar Jahren den Geist aufgeben oder aus der Mode sind (geplante Obsoleszenz), würde eine Ware mehr Gewinn bringen, wenn sie möglichst langlebig ist.
Die Vorteile eines solchen Systems liegen auf der Hand. Eine gewaltige Herausforderung wird es dennoch sein, die dafür notwendige Infrastruktur aufzubauen. Zum einen müssen entsprechende Datenbanken aufgebaut werden, in denen Unternehmen ihre Produkte, die sich im Umlauf befinden, erfassen und verwalten. Aus diesem Grund hat das Großherzogtum 2019 die Initiative „Product Circularity Datasheet“ins Leben gerufen, der sich rund 50 Unternehmen aus zwölf Ländern angeschlossen haben. Das standardisierte Datenblatt soll den Informationsaustausch zwischen den Akteuren einer Wertschöpfungskette erleichtern. Daneben müssen die Unternehmen in die entsprechende Logistik investieren, die es ihnen ermöglicht, die Kreislaufwirtschaft optimal zu nutzen. Nguyen Doan sieht aber auch hier ein hohes Potenzial für Synergien. „So wird der Abfall eines Unternehmens zum Rohstoff eines anderen, während die Energie, die in einem Unternehmen anfällt, von einem anderen genutzt wird“, schreibt sie in der Studie.
Das jetzige System besteht darin, Ressourcen zu extrahieren, zu produzieren, zu konsumieren und wegzuwerfen. Hoai Thu Nguyen Doan, Chambre de Commerce