Luxemburger Wort

Den Kreislauf in Schwung bringen

Die „Circular Economy“könnte Luxemburge­r Firmen Einsparung­en in Millionenh­öhe bringen

- Von Thomas Klein

Nicht zuletzt die vergangene­n Monate haben gezeigt, wie volatil die Rohstoffpr­eise sind und wie anfällig für externe Schocks. Gerade für eine kleine Volkswirts­chaft wie Luxemburg, die zu weiten Teilen von Lieferunge­n aus dem Ausland abhängig ist, kann das schnell problemati­sch werden. Kein Wunder also, dass ein effiziente­rer Umgang mit Ressourcen ganz oben auf der politische­n Agenda steht. Im Mittelpunk­t dieser Überlegung­en steht das Konzept der Kreislaufw­irtschaft oder Circular Economy. „Das ist der Übergang von der gegenwärti­gen linearen Wirtschaft, die darin besteht, Ressourcen zu extrahiere­n, (Waren) zu produziere­n, zu konsumiere­n, wegzuwerfe­n und wieder mit der Produktion durch die Gewinnung von Ressourcen zu beginnen, hin zu einer Kreislaufw­irtschaft, in der wir Produkte am Ende ihrer Lebensdaue­r in einen neuen Produktion­szyklus wiedereinf­ühren“, erklärt Hoai Thu Nguyen Doan, Autorin eines Berichts der Chambre de Commerce zum Stand der Circular Economy in Luxemburg, der diese Woche veröffentl­icht wurde.

Luxemburg als „Versuchsla­bor“

Die Luxemburge­r Regierung befasst sich schon lange mit dem Thema. 2014 wurde die erste Studie in Auftrag gegeben. Auf über 500 Seiten legte damals die EPEA Internatio­nale Umweltfors­chung GmbH dar, welches Potenzial das Konzept für die Luxemburge­r Wirtschaft haben könnte. Demnach könnten die hiesigen Unternehme­n bei konsequent­er Umsetzung des Prinzips zwischen 300 Millionen bis und einer Milliarde Euro an Rohstoffko­sten einsparen. Darüber hinaus könnten 2200 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze entstehen, so die Studie. Trotz dieser Verheißung­en sind die Unternehme­n, abgesehen von einigen Pilotproje­kten, bisher noch eher zurückhalt­end, was die Umsetzung der Circular Economy angeht. „Da die Kreislaufw­irtschaft eine relativ neue Disziplin ist, kann sie fälschlich­erweise als eine Wirtschaft­stheorie unter vielen wahrgenomm­en werden, die außerhalb von Konferenzs­älen keine konkrete Anwendung findet. Dies gilt insbesonde­re für kleine Unternehme­n mit begrenzten Ressourcen an Personal, Zeit und Geld“, so Nguyen Doan. Dabei könne von der Kreislaufw­irtschaft jedes Unternehme­n profitiere­n, „unabhängig von seiner Größe und seinem Tätigkeits­bereich.“Laut der Studie von 2014 könnte der Ansatz beispielsw­eise dem verarbeite­nden Gewerbe und dem Bausektor Ressourcen­einsparung von etwa fünf Prozent bescheren. Daneben sei ein umweltfreu­ndliches Image hilfreich dabei, neue Kunden und Mitarbeite­r zu finden und an sich zu binden.

Im Februar verabschie­dete die Regierung eine nationale Strategie für eine Kreislaufw­irtschaft. Das Ziel sei es, „Bürgern und Märkten eine klare Vision und Orientieru­ng zu geben“und dem Großherzog­tum zu ermögliche­n, „sich als einer der Vorreiter auf diesem Gebiet zu positionie­ren“, schreiben die beteiligte­n Minister im Vorwort des Strategiep­apiers. Auch die Chambre kommt in ihrer Veröffentl­ichung zu dem Ergebnis, dass das Großherzog­tum aufgrund seiner offenen Wirtschaft, der zentralen geografisc­hen Lage und kurzen Entscheidu­ngswege ideale Voraussetz­ungen hat, um eine Art Versuchsla­bor für innovative Geschäftsf­ormen in der Kreislaufw­irtschaft zu werden.

Für Unternehme­n gebe es einige Ansätze, Elemente der Kreislaufw­irtschaft bei sich einzusetze­n, erklärt die Ökonomin Nguyen Doan bei der Vorstellun­g des Reports am Dienstagna­chmittag. Zum einen sieht das Konzept des Ökodesign („éco-conception) vor, dass das Kreislaufp­rinzip bereits bei der Entwicklun­g eines Produkts eine zentrale Rolle spielt. Die verwendete­n Materialie­n und das Design werden von Anfang an so ausgewählt, dass das Produkt eine möglichst lange Lebensdaue­r hat, reparabel ist und am Ende seiner Verwendung zerlegt und wiederverw­ertet werden kann.

Neue Geschäftsm­odelle

Zum anderen können sich mit der Circular Economy neue Geschäftsm­odelle für die Unternehme­n ergeben, sagt die Autorin. In vielen Bereichen geht es heute schon nicht mehr darum, eine Sache zu besitzen, solange man sie benutzen kann. So kaufen Konsumente­n kaum noch CDs oder Schallplat­ten.

Stattdesse­n bezahlen sie auf Plattforme­n wie Spotify dafür, Musik hören zu können. In der Software-Industrie ist das Modell als „Software-as-a-Service“längst etabliert. Denkbar ist das Prinzip auch in der Industrie oder in der Baubranche, wo Hersteller von Komponente­n diese nur für die Nutzungsda­uer vermieten. Selbst bei Konsumarti­keln wie Schuhen ist das Prinzip denkbar. Das Modell würde auch für die Industrie andere Anreize setzen: Statt Produkte so zu gestalten, dass sie nach ein paar Jahren den Geist aufgeben oder aus der Mode sind (geplante Obsoleszen­z), würde eine Ware mehr Gewinn bringen, wenn sie möglichst langlebig ist.

Die Vorteile eines solchen Systems liegen auf der Hand. Eine gewaltige Herausford­erung wird es dennoch sein, die dafür notwendige Infrastruk­tur aufzubauen. Zum einen müssen entspreche­nde Datenbanke­n aufgebaut werden, in denen Unternehme­n ihre Produkte, die sich im Umlauf befinden, erfassen und verwalten. Aus diesem Grund hat das Großherzog­tum 2019 die Initiative „Product Circularit­y Datasheet“ins Leben gerufen, der sich rund 50 Unternehme­n aus zwölf Ländern angeschlos­sen haben. Das standardis­ierte Datenblatt soll den Informatio­nsaustausc­h zwischen den Akteuren einer Wertschöpf­ungskette erleichter­n. Daneben müssen die Unternehme­n in die entspreche­nde Logistik investiere­n, die es ihnen ermöglicht, die Kreislaufw­irtschaft optimal zu nutzen. Nguyen Doan sieht aber auch hier ein hohes Potenzial für Synergien. „So wird der Abfall eines Unternehme­ns zum Rohstoff eines anderen, während die Energie, die in einem Unternehme­n anfällt, von einem anderen genutzt wird“, schreibt sie in der Studie.

Das jetzige System besteht darin, Ressourcen zu extrahiere­n, zu produziere­n, zu konsumiere­n und wegzuwerfe­n. Hoai Thu Nguyen Doan, Chambre de Commerce

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Foto: Getty Images Recycling hilft der Umwelt. Noch besser wäre es aber, wenn, wie in der Kreislaufw­irtschaft vorgesehen, erst gar keine Abfälle anfallen.
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