Warum nicht mal eine Krawatte?
Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“, sagte einst Karl Lagerfeld. Der Modezar verstarb 2019 gerade noch rechtzeitig, um den kollektiven Kontrollverlust während der Pandemie nicht mehr miterleben zu müssen. Warfen wir uns zu Beginn des Homeoffice noch pflichtschuldig ein Hemd über, bevor die Videokonferenz anfing, überprüfen wir inzwischen nur noch, ob das „Rock am Ring“-T-Shirt von 1998 keine Flecken hat. Zur Mitte der Woche stellen wir entsetzt fest, dass wir nicht genau wissen, wann wir zuletzt geduscht haben. Der Krawatte, bereits vor der Pandemie, abgesehen von wenigen natürlichen Rückzugsräumen – Banken und Beerdigungen – akut vom Aussterben bedroht, scheint das Homeoffice
Die Krawatte ist vom Aussterben bedroht.
nun den Todesstoß versetzt zu haben. Ohne erkennbare praktische Funktion, diente sie in vorpandemischen Zeiten vor allem dazu, den Feierabend einzuläuten, indem man mit einem weithin vernehmbaren Stöhnen der Erleichterung den verhassten Knoten löste und das Kleidungsstück auf Halbmast hängte. Im Homeoffice gibt es aber weder Krawatte noch Feierabend. In der Jogginghose kann man auch abends vorm Fernseher noch Mails beantworten.
Die bequeme neue Welt hat sich für die meisten als Falle erwiesen – die letzten Mauern zwischen Beruflichem und Privatem sind eingerissen. Der einzige Ausweg scheint daher die Rückkehr zu mehr Formalität zu sein. Wie Baron von Münchhausen mit seinem Zopf, müssen wir uns an unserer eigenen Krawatte aus der entgrenzten Sumpfigkeit des Homeoffice ziehen! Es ist Zeit, die Kontrolle wiederzuerlangen. Bald ist Weihnachten. Verschenken Sie daher, als Zeichen der Befreiung, wieder mal eine Krawatte – notfalls mit Rentier-Motiv. Thomas