Zurück zu den Wurzeln
Liverpool-Legende Steven Gerrard will in der Premier League auch als Trainer überzeugen
Der Einstand hätte nicht besser laufen können. Noch keine zwei Wochen, nachdem Steven Gerrard den Trainerjob bei Aston Villa angetreten hatte, durfte man beim siebenmaligen englischen Meister erst einmal aufatmen. Nach mäßigem Saisonstart holten die Villans unter Gerrard in zwei Partien das Punktemaximum und entfernten sich vorerst von der Abstiegszone.
Nicht überall war die Entscheidung des ehemaligen englischen Nationalspielers, beim Traditionsverein aus Birmingham anzuheuern, auf Verständnis gestoßen. Erst im vergangenen Sommer hatte Gerrard seiner dreijährigen Amtszeit bei den Glasgow Rangers die Krone aufgesetzt und dem schottischen Rekordmeister nach zehnjähriger Durststrecke wieder zu Titelehren verholfen. Anschließend verpassten die Rangers jedoch die Qualifikation für die Gruppenphase der Champions League.
Möglicherweise war dies ein Fingerzeig für Gerrard, aus einer international eher zweitklassigen Truppe das Maximum herausgeholt zu haben – und dass nun die Zeit für eine neue Herausforderung gekommen sei. Diese war und ist bei Aston Villa wesentlich größer, da man vor der Saison mit Jack Grealish einen ebenso prominenten wie schmerzhaften Abgang hinnehmen musste. Der 26-Jährige war in den vergangenen Spielzeiten stets unverzichtbarer Drehund Angelpunkt bei den Villans. Nach Grealishs Wechsel zu Manchester City müssen nun andere für Kreativität im Mittelfeld sorgen.
100 Millionen Euro investiert
Aus der eigenen Jugendakademie könnten der 20-jährige Jacob Ramsey und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Aaron – beide englische Jugendnationalspieler – diese Rolle übernehmen. Was Gerrards Vorgänger Dean Smith letztendlich nicht gelang, soll der 114-malige englische Nationalspieler nun richten. Die Offensivqualitäten von Aston Villa sind zumindest nominell vorhanden.
Für die Neuzugänge Emiliano Buendia, Leon Bailey und Danny Ings investierten die Clubbosse in der vergangenen Transferperiode insgesamt 100 Millionen Euro, bislang blieb das Trio jedoch noch vieles schuldig. Während der ExLeverkusener Bailey und der Argentinier Buendia jeweils erst ein Mal trafen, war zumindest Ings schon drei Mal erfolgreich. Die Abwehr um den argentinischen Torwart Emiliano Martinez, Kapitän Tyrone Mings und Routinier Ashley Young wirkt oftmals wenig sattelfest, so dass viel Arbeit auf Coach Gerrard wartet.
„Aston Villa ist ein Verein mit einer reichen Geschichte und Tradition im englischen Fußball. Ich bin sehr stolz darauf, hier neuer Cheftrainer zu sein“, gab der frühere Mittelfeldspieler des FC Liverpool bei seiner Vorstellung zu Protokoll. Nichtsdestotrotz ist es ein offenes Geheimnis, dass der Villa Park für ihn nur eine Durchgangsstation sein soll.
Für Liverpool bestritt Gerrard während seiner Profikarriere insgesamt 504 Premier-League-Partien, in denen er 121 oftmals spektakuläre Tore erzielte. Insgesamt lief der Publikumsliebling 26 Jahre für die Reds auf, ehe er die Anfield Road 2015 in Richtung Los Angeles verließ und bei LA Galaxy seine Karriere ausklingen ließ. Mit Liverpool hatte Gerrard bis dahin insgesamt sieben nationale Titel geholt. Er gewann 2001 den UEFACup und wurde 2005 ChampionsLeagueund Weltpokalsieger.
Einziger weißer Fleck in der umfangreichen Sammlung an Titeln und persönlichen Auszeichnungen ist die fehlende englische Meisterschaft mit seinem Herzensclub. In der Saison 2013/2014 waren die Reds ganz nahe dran, doch ausgerechnet der Kapitän wurde am drittletzten Spieltag zur tragischen Figur, als er und sein Team für die Vorentscheidung hätten sorgen konnten. Ein Ausrutscher von Gerrard in der Nähe der Mittellinie leitete die Niederlage im Topspiel gegen Chelsea ein, Meister wurde Manchester City.
Was der Reds-Ikone demnach als Spieler verwehrt blieb, soll in den kommenden Jahren als Coach nachgeholt werden. Der Vertrag des aktuellen Liverpool-Trainers Jürgen Klopp läuft in zweieinhalb Jahren aus. Gerrard bleibt also noch viel Zeit, um seine PremierLeague-Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Während angesichts der übermächtigen Konkurrenz ein Titelgewinn mit Aston Villa einem Wunder gleichkäme, würde man in Liverpool den verlorenen Sohn zweifellos mit offenen Armen aufnehmen. Die Chance auf eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte würde sich die legendäre Nummer acht sicherlich nicht nehmen lassen.