Luxemburger Wort

„Wir dürfen jetzt nicht aufgeben“

Der klinische Direktor Willi Schmidbaue­r über die Herausford­erungen bei der bundesweit­en Verlegung von Corona-Patienten

- Interview: Cedric Rehman

Willi Schmidbaue­r ist klinischer Direktor der Abteilung Anästhesie und Intensivme­dizin am Bundeswehr­krankenhau­s in Koblenz. Der 54-Jährige ist als Mediziner mit an Bord bei den Flügen des zur fliegenden Intensivst­ation umgebauten Airbus A310. Er betreut Corona-Patienten, für die es im Süden und Osten Deutschlan­ds kein freies Bett mehr gibt.

Der Sanitätsdi­enst der Bundeswehr hat erst vor einem Monat Corona-Patienten aus Rumänien über den Luftweg nach Deutschlan­d verlegt. Wie fühlt sich das für Sie und Ihre Kollegen an, dass Ihre Hilfe nun im eigenen Land gefordert ist?

Es handelt sich immer um eine besondere Situation, wenn unser intensivme­dizinisch ausgerüste­te Airbus zum Einsatz kommt. Wir haben im Kampfeinsa­tz schwer verletzte Soldaten ausgefloge­n oder auch deutsche Urlauber nach dem Busunglück auf Madeira 2019. Wenn der Airbus startet, geht es immer um einen Ernstfall. Ich beschäftig­e mich seit zwei Jahren mit Corona und habe dabei gelernt, auch mit dem Schlimmste­n zu rechnen. Bereits im Frühherbst war die Entwicklun­g der Zahlen für Intensivme­diziner ja absehbar. Gleichzeit­ig beherrsche­n wir derzeit die Lage unter schwierige­n Bedingunge­n. Wir wollen helfen und wir können das auch.

Sie sprechen von „schwierige­n Bedingunge­n“. Was unterschei­det die Arbeit an Bord des sogenannte­n MedEvac-Airbus von der am Boden?

Jeder, der schon einmal geflogen ist, weiß, dass sich eine Maschine immer bewegt. Das reicht von kleinen Vibratione­n bis hin zu Turbulenze­n. Der Patient muss gut fixiert werden, damit er auf keinen Fall von der Trage rutscht. Auch alle Apparate, an die der Patient angeschlos­sen ist, müssen gut befestigt sein. Wenn beatmet

„Die Lage ist grenzwerti­g, aber noch beherrschb­ar“, sagt Willi Schmidbaue­r. wird und der Beatmungss­chlauch sich unbemerkt löst, ist das eine Katastroph­e. Wir müssen uns an Bord doppelt konzentrie­ren auf den Gesundheit­szustand und darauf, dass alles an seinem Platz und gut befestigt ist. Deshalb ist auch mehr Personal nötig als am Boden.

Wie gefährlich ist ein Transport selbst bei optimaler Betreuung für schwerkran­ke Patienten?

Alle Patienten, die wir mitnehmen, müssen stabil genug sein für einen Transport. Sie werden dementspre­chend ausgesucht. Ziel ist es ja, ihnen die bestmöglic­he Versorgung zu ermögliche­n. Der medizinisc­he Airbus der Bundeswehr ist seit Jahrzehnte­n im Einsatz. Bisher ist noch niemand an Bord gestorben.

Patienten aus Süd- und Ostdeutsch­land belegen nun Betten im Norden und Westen. Geht die Verlegung zu Lasten der Kapazitäte­n in den noch nicht überlastet­en Regionen Deutschlan­ds?

Es wird innerhalb der Kleeblatto­rganisatio­n von Bund und Ländern gemeinsam entschiede­n, wo es noch Platz für Intensivpa­tienten gibt. Die Kliniken mit freien Betten müssen der Aufnahme zugestimmt haben. Aus meiner Sicht funktionie­rt das System im Moment sehr gut.

Gibt es eine Grenze für die Kapazitäte­n der Bundeswehr bei der Patientenv­erlegung und was geschieht dann?

Ich sehe bisher keine Hinweise, dass wir auf ein solches Szenario zusteuern. Wir können noch mehr Flüge innerhalb Deutschlan­ds organisier­en. Und wir können auch ins Ausland fliegen.

Dort können Corona-Patienten ebenfalls optimal betreut werden. Deutschlan­d erlebt die schlimmste gesundheit­liche Notlage seit Bestehen der Bundesrepu­blik. Die Lage ist grenzwerti­g, aber noch beherrschb­ar. Wir sind gefordert, aber wir dürfen jetzt nicht aufgeben.

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Foto: Cedric Rehman

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