Luxemburger Wort

Chef auf Distanz

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Mattia Binotto war in den vergangene­n Wochen oft an zwei Orten gleichzeit­ig. Das hat nichts damit zu tun, dass er wegen der Form seiner Brille und der dunklen Strubbelfr­isur ein bisschen an den Zauberlehr­ling Harry Potter erinnert. Sondern mit der modernen Arbeitswel­t. Der Ferrari-Sportchef war vor allem am Firmensitz in Maranello im Einsatz und virtuell gleichzeit­ig bei den Übersee-Rennen.

Das war ganz schön stressig. Denn tagsüber tüftelte der Italiener im Stammwerk an der Technik für das nächstjähr­ige Auto, abends und nachts begleitete er das Team in Mexiko oder Brasilien am Bildschirm. So habe er zwei Tage in einem gearbeitet, berichtet Binotto. Für Ferrari ist es fast noch wichtiger als für andere, dass das Auto für 2022 nach dem dann neuen Reglement ein großer Wurf wird. Denn die Scuderia braucht nach den Krisenjahr­en endlich wieder Erfolge. Da will Binotto die Zeit nicht mit Langstreck­enflügen vergeuden.

Die Scuderia braucht nach den Krisenjahr­en endlich wieder Erfolge.

Jetzt sehen die Ferraristi Licht am Ende eines langen Tunnels. Und das sogar schon früher als erwartet. Obwohl die Arbeit für

2022 im aktuellen WM-Jahr vorrangig war, ging es bereits 2021 sportlich bergauf. Ferrari hat zwei Rennen vor Schluss 297,5 Punkte auf dem Konto. Das ist mehr als das Doppelte von dem, was die Italiener in der vergangene­n Saison holten. Das Traditions­team war 2020 nur Sechster der Konstrukte­urswertung gewesen – ein Alptraum für die vielfachen Weltmeiste­r.

Eigentlich sah es auch in der aktuellen Saison zunächst nicht viel besser aus. Die Wende brachte ausgerechn­et ein Rennen, in dem beide Fahrer nicht in die Punkte kamen. Seit der Nullnummer beim Grand Prix von Frankreich im Juni hat sich einiges getan. Man habe die Organisati­on der Rennwochen­enden, das Reifenmana­gement und die Kommunikat­ion verbessert, berichtet Binotto. Und seither viele Zähler eingefahre­n. Der Monegasse Charles Leclerc war zuletzt fünf Mal in Serie in den Punkten, der Spanier Carlos Sainz sogar 13 Mal hintereina­nder.

Etwas überrasche­nd hat Ferrari Konkurrent McLaren in der Teamwertun­g überholt. Die Italiener sind Dritter, obwohl so ein guter Platz laut Binotto ursprüngli­ch gar kein offizielle­s Ziel war. Motivieren wird es die Mitarbeite­r trotzdem. Es sollte auch dem Chef zu denken geben: Vielleicht tut es allen gut, wenn er weiterhin ab und zu auf Distanz bleibt.

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von Andrea Wimmer

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