Der Wechsel als Konstante
Blau–Rot-Grün lässt seit acht Jahren das Personalkarussell drehen – eine Analyse
Wäre das blau-rot-grüne Regierungsteam eine Fußballmannschaft, dann wäre das Wechselkontingent jetzt mit dem bevorstehenden Dreifachtausch ausgeschöpft – und das knapp zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode. Wenn es eine Konstante in der mittlerweile rund achtjährigen liberal-sozialistisch-grünen Regierungsära gibt, dann sind es die Personalwechsel. Personalwechsel, die zudem ein ums andere Mal mit Portfolio-Anpassungen einhergingen. Ein Blick in den Rückspiegel.
André Bauler macht den Anfang
Im März 2014 zieht sich André Bauler (DP) als Staatssekretär im Bildungsministerium aus gesundheitlichen Gründen aus der Regierung zurück und wechselt auf die Abgeordnetenbank. Damit beginnt der politische Aufstieg von Marc Hansen vom nicht gewählten DPKandidaten zum Staatssekretär an der Seite von Claude Meisch (DP).
Ein Jahr später wird Hansen auch zum Staatssekretär im Wohnungsbauministerium befördert; zusammen mit der bis dahin glücklos agierenden Ministerin Maggy Nagel (DP) soll er die Mammutaufgabe Logement bewältigen. Letztlich ist diese Rochade der Anfang vom Ende der Ministerlaufbahn von Nagel. Nach knapp neunmonatiger Galgenfrist muss sie im Dezember 2015 ihren Ministerstuhl räumen.
Maggy Nagel geht in die Wüste
Während die Ex-Ministerin kurze Zeit später im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste geschickt wird und den luxemburgischen Pavillon bei der Weltausstellung in Dubai als Expo-Kommissarin betreuen soll, passen die Liberalen den Zuschnitt der ihnen zugeteilten Ministerien an. Premierminister Xavier Bettel übernimmt das Kulturministerium zusammen mit Guy Arendt (DP) als Staatssekretär; Marc Hansen kommt derweil zu Ministerehren im Logement.
Der letzte Wechsel der vergangenen Legislaturperiode ist einem tragischen Umstand geschuldet: Am 16. Mai 2018 stirbt Camille Gira; der Staatssekretär der Grünen erleidet im Parlament, wo zu dem Zeitpunkt das neue Naturschutzgesetz debattiert wird, einen Herzinfarkt. Seine Nachfolge tritt im Juni Claude Turmes (Déi Gréng) als Staatssekretär an, der nach 19 Jahren Mitgliedschaft im Europaparlament auf die nationalpolitische Bühne wechselt.
Wechselfreudige Sozialisten
In der noch laufenden Legislaturperiode zeigen sich (bis dato) die Sozialisten, die zwischen 2013 und 2018 mit ihren Ministern „durchgespielt“haben, am wechselfreudigsten. Nachdem Etienne Schneider stets dafür plädierte, dass ein Politiker nicht länger als zehn Jahre Minister sein sollte und daraus 2015 sogar eine – erfolglose – Referendumsfrage machte, zieht er sich Anfang Februar 2020 als Minister und Vize-Premier zurück; nach rund acht Jahren verabschiedet sich Schneider aus der Politik, unter anderem mit der Begründung „Ich will mein Leben zurück“. Sein frühzeitiger Ausstieg wird zum Aufstieg für Franz Fayot, der vom LSAP-Parteichef zum Minister für Wirtschaft und Entwicklungshilfe avanciert.
Zu dem Zeitpunkt ahnt niemand, dass die mit dem FayotSchneider-Wechsel einhergehende Neuverteilung der Ressorts dem rasanten Aufstieg von Paulette Lenert den Weg ebnet: Sie gibt die Entwicklungshilfe ab, behält aber den Konsumentenschutz und übernimmt die Santé sowie als delegierte Ministerin die Sozialversicherung. Die neue Gesundheitsministerin muss sich schon einen Monat später als Krisenmanagerin bewähren, als das Corona-Virus auch Luxemburg erreicht. In der Folge steigt sie zur populärsten Politikerin des Landes auf.
Ein geplatzter Traum
Dabei sieht es Anfang Februar 2020 noch so aus, als ob Dan Kersch der neue starke Mann der Sozialisten ist, übernimmt er doch von Schneider die Stelle des VizePremierministers – und darf von der Spitzenkandidatur 2023 träumen.
Nur anderthalb Jahre später ist dieser Traum längst geplatzt und die Pole-Position darf Paulette Lenert beanspruchen, die von Kersch 2018 als Ministerin durchgesetzt wurde. Kersch kündigt im September 2021 an, einer künftigen Regierung nicht mehr angehören zu wollen. Ende November schließlich teilt er ebenso wie Romain Schneider, der nach Jean Asselborn der dienstälteste LSAP-Minister ist, mit, dass auch er schon aus der jetzigen Regierung ausscheiden will. Beide geben dabei gesundheitliche Gründe für diesen Schritt an. Ihre Ressorts erben Georges Engel (Arbeit und Sport) und Claude Haagen (Soziales und Landwirtschaft). Von einer Ressortverschiebung wie nach dem Aus von Etienne Schneider sehen die Sozialisten diesmal ab.
Eine verpasste Chance
Dabei hätte eine neue Aufteilung unter dem Blickwinkel der Kohärenz durchaus Sinn ergeben. Beispielsweise eine Zusammenlegung von Santé und Sozialem bei Paulette Lenert sowie von Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei Claude Haagen – in beiden Fällen gibt es genügend Schnittmengen. Vorstellbar gewesen wäre auch ein Sportminister Haagen, war der Noch-Député-Maire von Diekirch doch aktiver Handballer und Vorsitzender des Leichtathletikverbandes. Eine weitere Option wäre gewesen, dass Taina Bofferding Dan Kersch im Arbeitsministerium ablöst. Zum einen wäre ein typisches LSAP-Ressort mit einer der Hoffnungsträgerinnen der Partei besetzt worden; zum anderen hätten sich auch hier Synergien zwischen Arbeit und Chancengleichheit, einem der beiden jetzigen Ministerien von Bofferding, gefunden. Und Georges Engel wäre als früherer Bürgermeister einer großen Gemeinde (Sassenheim) geradezu prädestiniert gewesen für das Intérieur und die beiden großen Baustellen, die Reform des Gemeindegesetzes und die Reform der Grundsteuer ...
Eine erneute Tragödie
Im Sommer/Herbst 2019 bleibt den Grünen keine andere Wahl, als die Portfolios ihrer Minister zu reorganisieren: Das tragische Schicksal von Justizminister Félix Braz, der im August eine Herzattacke erleidet, und das politische Unvermögen von Roberto Traversini und dessen „Gaardenhaischen“-Affäre treffen die Partei ins Mark.
Erst übernimmt Sam Tanson als ausgewiesene Fachfrau das Justizressort vorübergehend, um dann Ende September endgültig die Amtsgeschäfte als Justizministerin zu übernehmen. Gleichzeitig rückt Henri Kox als Wohnungsbauminister in die Regierung nach – nachdem er als Erstgewählter 2013 noch Carole Dieschbourg im Osten den Vortritt lassen musste. Kox wird außerdem delegierter Minister für die innere Sicherheit. Im Juli 2020 übernimmt er dieses Ressort schließlich von François Bausch – der ab Herbst 2019 den Posten des Vize-Premiers anstelle von Félix Braz bekleidet.
Der vorerst letzte Wechsel geht auf das Konto der DP. Yuriko Backes ersetzt Pierre Gramegna. Der scheidende Budget- und Finanzminister will sich stärker seiner Familie widmen. Dabei ist er noch im Juli 2020 voller politischem Tatendrang und kandidiert ein zweites Mal (nach 2017) für den Vorsitz der Eurogruppe. Erfolglos.