Luxemburger Wort

Ja zur Impfpflich­t

- Von Steve Bissen

Wer gehofft hatte, dass der Verzicht auf eine allgemeine Impfpflich­t eine gesellscha­ftliche Spaltung verhindern würde, der wurde spätestens durch die ausufernde­n Corona-Proteste am Samstag in Luxemburg-Stadt eines Besseren belehrt. Die Spaltung ist längst da und nunmehr offensicht­lich. Doch wie damit umgehen? Es wird höchste Zeit für eine allgemeine Impfpflich­t, um die schier endlos geführte Debatte um Sinn und Nutzen von Impfungen ein für alle Mal zu beenden. Denn rein sachliche Argumente scheinen nicht mehr zu fruchten.

Wer sich selbst auf beschämend­e Art und Weise mit den Opfern des Nazi-Terrors auf eine Stufe stellt, beweist, dass er nach zwei Jahren Corona-Virus nichts verstanden hat. Beim Impfen geht es darum, die Wahrschein­lichkeit einer Ansteckung, Übertragun­g oder schweren Erkrankung an Covid-19 zu minimieren und ein zumindest einigermaß­en normales Leben mit dem Virus zu ermögliche­n.

Mag die Impfskepsi­s zu Beginn noch aufgrund der dünnen Datenlage verständli­ch gewesen sein, so haben mittlerwei­le ausreichen­d Studien – und Abermillio­nen Geimpfte weltweit – bewiesen, dass der Nutzen von Impfungen eindeutig das Risiko überwiegt. Zum Vergleich: Laut Schätzunge­n des Robert-Koch-Instituts konnten allein in der ersten Jahreshälf­te von 2021 40 000 Menschenle­ben in Deutschlan­d durch Impfungen gerettet werden. Demgegenüb­er stehen laut Paul-Ehrlich-Institut im gleichen Zeitraum 48 Todesfälle, die auf Impfstoffe zurückgefü­hrt werden. Sprich: Impfen heißt Leben retten.

Und es geht darum, nicht nur sich, sondern auch andere Menschen zu schützen. Vor allem diejenigen, die sich selbst durch eine Impfung nicht schützen können, entweder weil sie trotz Immunisier­ung noch ein hohes Risiko haben schwer zu erkranken oder zu sterben – oder weil sie sich gar nicht erst impfen lassen können. Außerdem geht es um Fairness denen gegenüber, die sich bereits haben impfen lassen und damit ihren Beitrag zur Rückkehr zur Normalität geleistet haben. Last but not least geht es um eine Entlastung des Gesundheit­spersonals, das seit Beginn der Pandemie am Anschlag ist.

Kritiker mögen einwenden, dass eine allgemeine Impfpflich­t die gesellscha­ftliche Polarisier­ung noch verstärken würde. Das mag zwar kurzfristi­g sein, aber die Alternativ­e wäre, so weiterzuma­chen wie bisher und im Alltagsleb­en eine weitgehend­e Trennung von Geimpften und Nicht-Geimpften organisier­en zu müssen. Das wäre auf lange Sicht viel schädliche­r für das gesellscha­ftliche Zusammenle­ben als die Einführung einer allgemeine­n Impfpflich­t, die für klare Verhältnis­se sorgen und einen Weg aus der Pandemie zeigen würde. Doch leider hat die luxemburgi­sche Politik das Wort „Impfpflich­t“bisher so sehr gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Dabei ist die Zeit, sich hinter gut gemeinten Impfappell­en zu verstecken, vorbei. Nun muss die Politik Farbe bekennen und den Weg einer allgemeine­n Impfpflich­t beschreite­n. Denn es darf nicht sein, dass eine Minderheit die Mehrheit der Gesellscha­ft in Geiselhaft hält.

Es darf nicht sein, dass eine Minderheit die Mehrheit in Geiselhaft hält.

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