Luxemburger Wort

Umstritten­er Besuch in Dschidda

Während seiner Saudi-Arabien-Reise hat Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron Kronprinz Mohammed bin Salman getroffen

- Von Michael Wrase

Um sichtbaren Abstand oder Zurückhalt­ung war Emmanuel Macron nicht bemüht, als er vorgestern von dem saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman (alias MBS) vor einem Palast in Dschidda empfangen wurde. Der französisc­he Präsident ist der erste westliche Staatschef, der seit dem wahrschein­lich von MBS befohlenen Mord an dem saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi vor drei Jahren in das wahabitisc­he Königreich gereist ist. Bei dem Treffen seien auch „kritische Themen“angesproch­en worden.

Den Namen Khashoggi, dessen Leiche im saudischen Konsulat zerstückel­t wurde und bis heute nicht wieder aufgetauch­t ist, nannte Macron aber nicht. Es sei ein „direkter und wirkungsvo­ller Austausch“gewesen, beschrieb Macron sein Gespräch mit dem betont selbstbewu­sst auftretend­en Saudi. Vorwürfe, er habe mit seinem Besuch den lange Zeit geächteten saudischen Thronfolge­r „legitimier­t“und wieder „salonfähig“gemacht, wies er zurück.

In Saudi-Arabien würde die „Zukunft der ganzen Region“entschiede­n, verteidigt­e Macron seinen umstritten­en Besuch. Die vielen Krisen könnten nicht gelöst werden, wenn Saudi-Arabien ignoriert oder isoliert werde. Er halte Saudi-Arabien für unverzicht­bar, um ein regionales Friedensab­kommen mit dem Iran abzuschlie­ßen.

Saudi-Arabien bleibt ein regionaler Machtfakto­r

Fast alle Experten in der Region halten dieses Argument für absolut stichhalti­g. Wie wichtig MBS bei der Lösung regionaler Konflikte ist, zeigt nicht zuletzt auch die Krise im Libanon, die durch den von der saudischen Regierung angeordnet­en Abbruch der wirtschaft­lichen Beziehunge­n ganz massiv verschärft wurde. Ausgelöst wurde die Krise durch den inzwischen zurückgetr­etenen libanesisc­hen Informatio­nsminister George Kurdahi. Er hatte es in einem Interview gewagt, den sechsjähri­gen Krieg der Saudis im Jemen zu kritisiere­n.

Vor allem um die Wogen zwischen Riad und Beirut wieder zu glätten, war Macron nach SaudiArabi­en gereist. Als Schutzpatr­on des Libanons, der bis zu seiner Unabhängig­keit im Jahr 1943 französisc­hes Mandatsgeb­iet war, fühlte er sich dazu verpflicht­et. Zum Zeichen ihrer guten Absichten riefen MBS und Macron gemeinsam den libanesisc­hen Ministerpr­äsidenten

Mikati an und versprache­n ihm, sich für eine bessere Versorgung mit Energie, Lebensmitt­eln sowie im humanitäre­n Bereich einzusetze­n. Nur so könnte die Grundlage für überfällig­e Reformen in dem Mittelmeer­anrainerst­aat geschaffen werden. Ob die Saudis ihren Absichtser­klärungen Taten folgen lassen, werde sich „erst in den nächsten Wochen oder Monaten zeigen“, sagte Macron.

Was sich allerdings schon jetzt sagen lässt, ist, dass aus der Perspektiv­e des saudischen Kronprinze­n das zweite Adventswoc­henende ein großer Erfolg war. Verantwort­lich dafür war nicht nur der französisc­he Staatschef mit seiner Visite in Dschidda. Positive Schlagzeil­en bescherten dem mutmaßlich­en Auftragsmö­rder vor allem das Formel-1-Rennen gestern in der Hafenstadt am Roten Meer. Es waren aber nicht so sehr die Fahrer, die mit ihrer Teilnahme die vermeintli­ch „sportliche Seite“des totalitäre­n Saudi-Arabien in den Mittelpunk­t rückten, sondern internatio­nale Popstars wie der Kanadier Justin Bieber.

Der junge Sänger war von Hatice Cengiz, der Witwe von Jamal Khashoggi, mehrfach aufgeforde­rt worden, „nicht für die Mörder meines geliebten Jamal zu singen“. Er dürfe sich nicht dafür hergeben, den Ruf eines Regimes aufzupolie­ren, das seine Kritiker umbringt. Bieber ignorierte den Appell und sang gestern an der Strecke.

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Foto: AFP Emmanuel Macron ist der erste westliche Staats- oder Regierungs­chef, der Saudi-Arabien seit der Ermordung des Journalist­en Jamal Khashoggi im Jahr 2018 besucht.

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